Die Alleinseglerin

DDR 1986/1987 Spielfilm

Inhalt

Christine, eine berufstätige alleinerziehende Mutter, muss sich mit der Last eines geerbten alten Segelbootes herumschlagen. Ihr Beruf in einem Forschungsinstitut füllt sie voll aus, so dass für das Boot eigentlich keine Zeit ist. Das alte Boot lässt sich aber auch nicht verkaufen. Verbissen versucht Christine, alles auf die Reihe zu kriegen. Um im Frühjahr vielleicht doch einen Käufer zu finden, investiert sie im Winter alle frei Zeit, um das Boot auf Hochglanz zu bringen, was auf Kosten des beruflichen und des privaten Lebens geht. Als mit Hilfe eines Kumpels alles geschafft ist, kann sie sich von dem Boot nicht mehr trennen.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Weißer Drachen auf der Müritz“: Elegant gleitet das schlanke Segelboot durch die Wellen des Sees, am Ruder ein älterer Herr, sonnengebräunt, legere Skipperkleidung. An seiner Seite eine sehr junge Frau, der die Wendemanöver sichtlich keinen Spaß bereiten. Dann fordert der Vater gar seine Tochter auf, selbst das Ruder zu übernehmen: Segeln ist ganz offensichtlich nicht ihre Leidenschaft und sie rettet sich durch einen beherzten Sprung über Bord vor weiteren Zumutungen. Christine Sieger heißt die Bootsflüchtige. Sie arbeitet als Literaturwissenschaftlerin an der Universität und soll nun im Rahmen eines Forschungsauftrages über das Frauenbild in der Literatur ihre Doktorarbeit schreiben. Was auch allmählich Zeit werde, meint der Professor und Institutschef.

Als Christine die Nachricht vom Tod ihres Vaters, den wir im Prolog soeben noch als zupackenden Skipper erlebt haben, erreicht, muss die alleinerziehende, da von ihrem Gatten Werner getrennt lebende Mutter erst 'mal ihren Sohn Hans beim Papa abgeben. Mit dem sie trotz seiner „Weibergeschichten“ immer noch mehr Gefühle verbindet, als ihr lieb ist, zumal das ganz auf Gegenseitigkeit beruht. Seit ihr Vater mit einer neuen Frau verheiratet ist, hat Christine zu ihm kaum noch Verbindung gehabt. Jetzt erbt sie dessen Segelboot - ausgerechnet. Da sie selbst kaum segeln kann, will Christine es verkaufen, freilich nicht unter Wert. Der „weiße Drachen“ ist zwar keine Regattaklasse mehr, könnte aber noch 15.000 Mark bringen, wenn er für 3.000 Mark überholt wird. Es stellt sich heraus, dass das Boot im augenblicklichen Zustand unverkäuflich ist.

Ermutigt von Werner, der einen neuen Anknüpfungspunkt für ihre Beziehung sieht, beschließt Christine, es nach einem ersten Törn mit ihrem „Noch-Ex“ zu behalten. Sie will das Boot den Winter über auf Vordermann bringen, um es dann im Frühjahr zu einem angemessenen Preis loswerden zu können. Doch Werner, der ihr seine Mithilfe versprochen hatte, geht auf unbestimmte Zeit beruflich in die Mongolei. Auch ihre Doktorarbeit kommt nicht so recht voran, weil sie fast jedes Wochenende mit dem Boot verbringt. Es wird ein stilles Weihnachtsfest zusammen mit ihrer Kollegin und Freundin Veronika Fischer, auch einer vom Leben gebeutelten Alleinerzieherin – aber frisch promoviert und beruflich abgesichert.

Bald verbindet Christine mit „ihrem“ Boot eine Art Hassliebe, aus der geradezu Besessenheit erwächst – zumal sie es den Kerlen im Segelclub zeigen will, die ihr ganz offensichtlich nicht zutrauen, das Schiff des verstorbenen Vaters während der Wintermonate auf Vordermann zu bringen. Und auch keine Hilfe sind einschließlich ihres unmittelbaren Bootsnachbarn Krättke. Die Folgen sind fatal: Christine vernachlässigt nicht nur ihren Sohn, sondern auch ihren neuen Freund, den Musiker Georg, den sie auf der Suche nach einer Bootsplane kennengelernt hat. Der kümmert sich rührend um Hans, während sie noch am späten Abend in ihre Schreibmaschine hackt. Und kriegt gar nicht mit, dass er selbst Vaterfreuden entgegensähe, wenn Christine das Kind nicht heimlich abgetrieben hätte.

„Fleißig, aber mager“: Christine fällt bei ihrem Doktorvater durch und wird zur Bewährung ins Archiv verbannt. Nur in ihrem Kumpel Kutte findet sie Unterstützung bei der langwierigen Renovierung des Bootes. Als das Frühjahr kommt, präsentiert sich dieses im Bestzustand und Christine könnte es sofort verkaufen. Doch nun will sie das Schmuckstück behalten, das sie stolz als „Alleinseglerin“ besteigt – mit Hans an ihrer Seite. Als das Segel reißt, kann sie alle so gerade noch heil an Land steuern und handelt sich prompt eine Ohrfeige von ihrer „Stiefmutter“ ein: Hans kann noch nicht schwimmen!

Doch die „Schelle“ hat auch etwas Gutes: die zweite Gattin ihres Vaters bringt Christine nun das Segeln bei und als Werner kurzzeitig, aus der Mongolei zurück, wieder auftaucht, ist das für dessen Noch-Gattin kein Thema mehr: Christine hat jetzt ihr Schiff und genießt die neue Freiheit, auch wenn sie beim nächsten Törn auf einer Sandbank strandet ...

Herrmann Zschoche hat dieses ebenso einfühlsame wie originelle DDR-Frauenporträt nach dem gleichnamigen, 2022 im Hamburger Ecco Verlag neuaufgelegten Roman von Christine Wolter gedreht. Die Heldin ist bei weitem keine sozialistische Vorzeigefrau, sondern eine, die mit den vielfältigen gesellschaftlichen Anforderungen, vor allem aber den Ansprüchen an sich selbst nicht klarkommt, trotzdem aber nicht aufgibt. Damit reiht sich „Die Alleinseglerin“ in die eindrucksvolle Reihe anderer Defa-Emanzipationsfilme dieser Zeit ein, erinnert sei an Iris Gusners „Kaskade rückwärts“ und „Ich liebe dich – April! April!“.

Herrmann Zschoche, bekannt für seine bei aller Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses des Kinopublikums durchaus gesellschaftskritischen Defa-Filme, hat auch in „Die Alleinseglerin“ einiges an ganz offener Kritik untergebracht. Die Lebensentwürfe des neuen sozialistischen Menschen stimmen weder im Hause der Familie mit dem sprechenden Namen Sieger, und das generationsübergreifend, noch sonst im Intellektuellen-Kollektiv. Auch Christines Freundin Veronika ist alleinerziehend und auf der Suche nach einer neuen Partnerschaft, während Dr. Klaus Lohmann mitten in der Krise steckt: Dem geschiedenen Kollegen hat die „Ex“ gerade das Kind weggenommen.

Christines Vater, so enthüllt dessen zweite Frau seiner erstaunten Tochter, war kein Faulpelz im selbstgewählten (Vor-) Ruhestand: der Architekt ist mit der Plattenbau-Massenware der DDR nicht einverstanden gewesen und erhielt keine Aufträge mehr. Dennoch hat er in der Hoffnung auf eine „Wende“ in der Baupolitik Ost-Berlins fleißig weiter entworfen – für die Schublade. Auch die Warteschleife des zunächst noch verhinderten Berufsmusikers Georg ist ein ganz unverblümter Hinweis auf den bürokratischen Alltag.

Christine wird von Christina Powileit verkörpert, zu jener Zeit Schlagzeugerin der Rockgruppe „Mona Lise“, die durch ihre unkomplizierte Spielweise den Szenen sehr viel Authentizität verleiht. Fast kabarettistische Seitenhiebe auf den DDR-Alltag, eine stimmungsvolle Kamera sowie ein eingängiger Soundtrack tragen zum enormen Unterhaltungswert der „Alleinseglerin“ bei.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Szenarium

Dramaturgie

Bauten

Bau-Ausführung

Kostüme

Mischung

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Länge:
2464 m, 90 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 02.07.1987, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Die Alleinseglerin

Fassungen

Original

Länge:
2464 m, 90 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 02.07.1987, Berlin, International