EU-Justizkommissar Reynders verteidigt EU-Lieferkettengesetz gegen FDP – Euractiv DE

EU-Justizkommissar Reynders verteidigt EU-Lieferkettengesetz gegen FDP

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Bei der Veranstaltung der Responsible Business Alliance am Donnerstag bekräftigte Reynders (Bild) seine Unterstützung für die neue Maßnahme, die seiner Meinung nach risikobasiert ist und sich nur auf große Unternehmen konzentriert. "Sehr große Unternehmen sind in der Lage, Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht umzusetzen", sagte der Kommissar. "Es wurde jedoch besonders darauf geachtet, unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.

EU-Justizkommissar Didier Reynders hat zusammen mit den Bundesministern Hubertus Heil und Svenja Schulze das EU-Lieferkettengesetz gegen die anhaltende Kritik der FDP verteidigt.

In einer geschlossenen Sitzung einer Industriekonferenz, zu der Euractiv Zugang hatte, sprach EU-Justizkommissar Didier Reynders am Donnerstag (11. April) über den anhaltenden Widerstand gegen die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD). Er betonte, dass das Gesetz „keine neuen Berichtspflichten einführen“ werde.

Obwohl das Lieferkettengesetz am 15. März von den EU-Botschaftern gebilligt wurde und am 24. April im Europäischen Parlament zur Abstimmung steht, ist sie in letzter Instanz auf mehrere Hindernisse gestoßen. Deutschland und zahlreiche andere Mitgliedstaaten haben sich der Stimme enthalten.

Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, wies bei der Veranstaltung darauf hin, dass das Gesetz zu einem „Symbol“ des Anti-Bürokratie-Diskurses geworden sei „[so]dass das Gefühl vieler [in der Wirtschaft] dagegen spricht“.

Trotz der Unterstützung der Sozialdemokraten für die neuen EU-Regeln hatte die FDP das Gesetz strikt abgelehnt.

Sie argumentierten, dass es zu einer erheblichen bürokratischen Belastung der Unternehmen führen würde – und das in einer Zeit, in der man sich um Bürokratieabbau bemühe.

Nachdem die Enthaltung Deutschlands bekannt wurde, äußerten viele Mitgliedstaaten Bedenken gegen den Gesetzesentwurf, obwohl sie sich zuvor mit dem Europäischen Parlament auf das Gesetz geeinigt hatten

Dies führte zu Änderungen in letzter Minute, unter anderem wurde die Anzahl der Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission um 70 Prozent reduziert.

Bei der Veranstaltung der Responsible Business Alliance am Donnerstag bekräftigte Reynders seine Unterstützung für die neue Maßnahme, die seiner Meinung nach risikobasiert ist und sich nur auf große Unternehmen konzentriert. „Sehr große Unternehmen sind in der Lage, Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht umzusetzen“, sagte der Kommissar. „Es wurde jedoch besonders darauf geachtet, unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.“

Der Responsible Business Alliance gehören auch deutsche Industriegiganten wie der Automobilhersteller BMW und der Automobilzulieferer Continental an, die sich beide für die Einführung eines EU-weiten Gesetzes eingesetzt haben.

Das endgültige Gesetz minimiere alle indirekten Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU). „Die Gesetzgebung ist KMU-freundlicher als alle anderen bestehenden Gesetze zur Sorgfaltspflicht“, sagte Reynder, „und zielt darauf ab, die Verlagerung von Compliance-Lasten auf KMU in der Wertschöpfungskette zu verhindern“.

Bundesarbeitsminister Heil appellierte an die FDP-Koalitionspartner und die Wirtschaft, „wir dürfen in der Politik bei aller Notwendigkeit, auf Emotionen auch Rücksicht zu nehmen, nicht vergessen, dass wir faktenbasiert Politik machen und die Fakten zeigen, dass es eine gute Regelung geworden ist“. Es handele sich um einen „guten Kompromiss“, so Heil, „der in vielen Bereichen auch unserer deutschen Positionen, es nicht zu überziehen, entsprochen hat“.

Die zusätzlichen Zusicherungen, die während des Verhandlungsprozesses gemacht wurden, „zeigen, dass [das EU-Lieferkettengesetz] ein gutes Gesetz geworden ist“, sagte Heil und fügte hinzu, dass „die anständigen Unternehmen, die sich kümmern, […] im Wettbewerb nicht die Dummen sein [dürfen].“

Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Schulze, stimmte dem zu: „Sie als Mitglieder der Responsible Business Alliance wissen, wie wichtig faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen für die Menschen in den globalen Lieferketten sind und dass sich Investitionen in gute Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette auch wirtschaftlich für die Unternehmen lohnen“, argumentierte sie, „weil sie eben das Fundament für langfristige Partnerschaften bilden und Lieferketten stabiler machen“.

Reynders ging auch davon aus, dass das Gesetz den Unternehmen helfen werde, widerstandsfähigere Lieferketten aufzubauen, „indem sie Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsstrategien integrieren“, und verwies auf Studien, die gezeigt hätten, dass Unternehmen mit einer starken Nachhaltigkeitsstrategie während der COVID-19-Krise besser abgeschnitten hätten.

Der Kommissar wies darauf hin, dass die neuen Regeln die bestehenden EU-Maßnahmen ergänzen und Unternehmen bei der Einführung und Durchführung von Due-Diligence-Prüfungen unterstützen würden – gemäß einem politischen Ansatz, der, so Schulze, „klar auf einen Multi-Stakeholder-Ansatz, auf Allianzen zwischen Wirtschaft, der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Regierungen“ ausgerichtet sei.

Kein Rückzug aus Risikoländern

Heil ging auch auf das zuvor von Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner vorgebrachte Argument ein, das Gesetz könne zu einem Rückzug deutscher oder europäischer Unternehmen aus Ländern mit erhöhtem Risiko von Menschenrechtsverletzungen führen.

Auf einer Mittelstandskonferenz im März hatte Lindner gewarnt: „In Schwellen- und Entwicklungsländern wird nicht mehr investiert werden, keine wirtschaftlichen Chancen mehr eröffnet werden, sondern die Unternehmen werden sich von dort zurückziehen, weil sie Reputationsrisiken fürchten.“

Lindners Argumente wurden von Wirtschaftsverbänden wie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) aufgegriffen, der kürzlich darauf hinwies, dass das Gesetz zu einer engeren Auswahl an Lieferanten führen würde – was wiederum dem allgemeinen EU-Ziel der Diversifizierung von Lieferketten und der Sicherung von Rohstoffen für den grünen Wandel zuwiderlaufen würde.

Bei dem Gesetz „[geht] nicht darum […], dass wir internationalen Handel und Wirtschaftsbeziehungen erschweren und wir auch nicht der Meinung sind, dass es gut ist, dass Unternehmen sich zurückziehen“, entgegnete Heil.

Stattdessen „[…] wollen [wir] konkret Missstände abstellen, und damit auch ein Beispiel zeigen, wie es geht“, sagte er und fügte hinzu, dass sein Ministerium die Unternehmen bei der Umsetzung der neuen Anforderungen unterstützen werde.

Angst vor Klagen oder Panikmache?

Heil widersprach auch Lindners Äußerungen zu erhöhten Rechtsrisiken durch das neue EU-Gesetz.

Der FDP-Chef hatte behauptet, „Amerikanische Anwaltskanzleien bereiten doch bereits Musterklagen für NGOs auch gegen deutsche Konzerne vor, die dann für ihre wirtschaftliche Tätigkeit in Schwellen- und Entwicklungsländern vor den Kadi gezogen werden“.

Deutschland hat im Januar 2023 ein nationales Gesetz zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette verabschiedet, das – anders als die geplante EU-Regelung – keine zivilrechtlichen Haftungsmöglichkeiten vorsieht.

Lindners Warnungen vor Klagen wurden auch von einer Informationsquelle einer internationalen Benchmarking-Initiative zurückgewiesen, die den Verhandlungen zum Lieferkettengesetz nahesteht. Sie bezeichnete die Äußerungen des deutschen Politikers als „willkürliche Panikmache“.

„Sie haften nur für Schäden, die durch die Nichteinhaltung der Sorgfaltspflicht in der Richtlinie verursacht wurden“, sagte die Quelle, daher gebe es „keinen Raum für leichtfertige Klagen“.

Laut der Quelle ist es nur möglich, ein Unternehmen aus einer bestimmten Region zu vertreiben, wenn es nicht bereit ist, Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechtsstandards einzuhalten.

Außerdem könnten „Fälle erst entschieden werden, wenn genügend Zeit zur Verfügung steht, um zu beurteilen, ob die Unternehmen eine angemessene Sorgfaltsprüfung durchgeführt haben“, so die Quelle. „Es ist unrealistisch zu glauben, dass es bis 2030 – wenn alle Unternehmen schrittweise eingeführt werden und mindestens ein Jahr Zeit haben, um das Gesetz zu erfüllen – überhaupt Fälle geben wird“.

[Zusätzliche Berichterstattung durch Anna Brunetti]

[Bearbeitet von Anna Brunetti/Rajnish Singh/Kjeld Neubert]

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