Dick Dale ist tot: Das Arabische gehört zu Amerika – Nachruf - WELT
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Kultur Dick Dale †

Diggadadiggadadigg

Redakteur Feuilleton
FILE - 17 MARCH 2019: Surf Guitarist Dick Dale, 81, has died on March 16, 2019. UNSPECIFIED - CIRCA 1970: Photo of Dick Dale Photo by Michael Ochs Archives/Getty Images FILE - 17 MARCH 2019: Surf Guitarist Dick Dale, 81, has died on March 16, 2019. UNSPECIFIED - CIRCA 1970: Photo of Dick Dale Photo by Michael Ochs Archives/Getty Images
Dick Dale als surfender Gitarrist in seinem Element, am Strand
Quelle: Getty Images
Der Musiker Dick Dale war ein west-östlicher Wilder, dessen Musik so amerikanisch wie arabisch klang. Sein Lebenswerk ist ein Manifest für den Frieden zwischen allen Kulturen. Jetzt ist er gestorben.

Zur selben Zeit, als Elvis sich um die Revolution des Rock ’n’ Roll verdient machte und durch sein Management zum König krönen ließ, zog die Familie Monsour nach Westen. Die Monsours aus Boston stammten aus dem Libanon. In Kalifornien verbrachte ihr Sohn Richard seine Zeit lieber am Strand, als dem amerikanischen Traum zu folgen und sein Glück im Geld zu suchen.

Richard surfte, er spielte Gitarre, wie er es von seinem Vater auf der Oud, der Laute aus Arabien, gelernt hatte; er nannte sich Dick Dale und wurde neben Elvis ebenfalls zum König ausgerufen, zum König der Surfgitarre. Nun ist er in Kalifornien gestorben.

Anders als Brian Wilson von den Beach Boys, die bei ihm im Vorprogramm auftreten durften, bevor sie zur Surfband wurden, ging Dick Dale tatsächlich surfen. Brian Wilson und die Beach Boys sangen nur davon in „Surfin’ U.S.A.“. Dick Dale ließ die Gitarre singen. „Let’s Go Trippin’“ wie die Wogen vor der Westküste und „Misirlou“ wie eine Riesenwelle, die den Wellenreiter in den Himmel hebt und ihn als Helden wieder an den Strand wirft, selten ohne Schürfwunden und Schrammen.

Solche Stücke waren keine kalifornischen Fiktionen für die Welt. Der Surfer, der sie spielte, war kein Sonnenboy wie die Figuren in den Hits der Beach Boys. An den Stränden trafen sich die anderen, die Ausreißer und Außenseiter, Kriegsheimkehrer und Kleinkriminelle. Dick Dales Bande nannte sich Sultans of South West California.

Es gab immer auch das andere Kalifornien, das gewalttätige und gefährliche. Die Beach Boys trafen auf das Böse in Gestalt des rechten Ritualmörders Charles Manson, Brian Wilson wurde wahnsinnig. Dick Dale verwandelte das Wilde in Musik. In rasende Melodien, deren Töne sich nicht mehr wie Töne anhörten, sondern wie Schläge oder Schüsse. „Diggadadiggadadigg“, wie er es selbst in Worte fasste. Die Musik wurde in aller Welt von Bands gezähmt, die einprägsame Themen auf ihren Gitarren spielten, von den Ventures und den Shadows, von den Rattles und den Sputniks, und dabei synchron ihre Gitarren schwenkten.

Der Legende nach ließ Leo Fender, nachdem er Dick Dale gesehen und gehört hatte, die Fender Stratocaster bauen wie ein klingendes Surfbrett. Dass auch Hallgeräte und Verstärker von Dick Dale für Fender angeregt und mitgestaltet wurden, ist verbürgt. „The Beast“, seine metallbeschlagene Fender mit den stärksten Stahlsaiten, die in Amerika zu finden waren, hielt bis an sein Lebensende: „Ich bin mit ihr besser umgegangen als mit mir und als die Menschen mit dem Meer.“ Wie sich Dick Dale beim Surfen seine Knochen brach, so spielte er sich im Konzert die Finger blutig. Der Gesichtsausdruck des Schmerzes wurde unter Gitarristen beim Gitarrensolo zur Grimasse tief empfundener Leidenschaft.

Je länger solche Soli wurden, desto mehr zog sich Dick Dale zurück. Während der Siebzigerjahre züchtete er Raubkatzen, er kämpfte für den Schutz der Meere und kurierte ein Krebserkrankung aus. Ende der Achtzigerjahre stand er wieder auf der Bühne und nahm neue Alben auf mit überwiegend älteren Stücken, aber auch mit neuen. Einer weiteren Legende nach verhalf ihm Quentin Tarantino zum großen Comeback, indem er „Misirlou“ zur Titelmelodie seiner Komödie „Pulp Fiction“ von 1994 adelte. Da war er längst schon wieder da – aber es passte auch gut in die Zeit, die Neunzigerjahre, zur affirmativen Ironie einer retrospektiven Popkultur. Sogar der Heavy Metal adoptierte ihn als „King of the Speed Metal Surf Guitar“.

Am Ende spielte er den Kanon, den er selbst begründet hatte, wie auf seinem letzten Album vor drei Jahren, „Live On The Santa Monica Pier“: Ältere Klassiker wie „Rumble“ von Link Wray, „Ghost Riders In The Sky“ von Burl Ives und „Peter Gunn“ von Henry Mancini, jüngere Klassiker wie „Third Stone From The Sun“ von Jimi Hendrix und sein eigenes zeitloses, klassisches Lebenswerk.

Dick Dale wurde umarmt, wo er sich zeigte, gern mit Stirnband, Halsketten und Federschmuck. Ein edler Wilder, der so amerikanisch wie arabisch musizierte, so west-östlich, dass sein Werk ihn überleben wird als Manifest des Friedens der Kulturen. Dick Dale wurde 81 Jahre alt.

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