Der letzte König von Schottland – In den Fängen der Macht | Kritik | Film | critic.de

Der letzte König von Schottland – In den Fängen der Macht – Kritik

Ein junger Arzt in humanitärer Mission wird der Leibarzt eines afrikanischen Diktators und gerät in die Fänge der Macht. Kevin Macdonalds Spielfilmdebüt orientiert sich an wahren Begebenheiten und zeigt die politischen und menschlichen Abgründe des Tyrannen Idi Amin.

Der letzte König von Schottland

Während das afrikanische Kino selbst immer noch in den Kinderschuhen steckt und weltweit kaum wahrgenommen wird, treten in letzter Zeit vermehrt größere internationale Produktionen zutage, die sich den Geschichten des schwarzen Kontinents annehmen. Die atemberaubenden Landschaften Afrikas geben eine durchaus filmreife Kulisse ab, die Filme aber manifestieren vor allem politische Ambitionen. Sie nehmen die noch wenig bekannte und aufgearbeitete Geschichte des Kontinents in den Fokus und künden von einer filmischen Kolonialisierung Afrikas. Beispielhaft stehen Hotel Ruanda (Hotel Rwanda, 2004) und Der ewige Gärtner (The Constant Gardener, 2005) für diesen Trend, sowie die jüngsten Produktionen Wer Feuer sät... (Catch A Fire, 2006) und nun – dem irreführenden Titel zum Trotz – auch Der letzte König von Schottland – In den Fängen der Macht (The Last King of Scotland) von Kevin MacDonald.

Der letzte König von Schottland

Der junge Schotte Nicholas Garrigan (James McAvoy) wandert als frisch approbierter Arzt nach Afrika aus, um seinem vorherbestimmten Leben als Landarzt zu entfliehen. Durch Zufall lernt er den frisch inthronisierten Herrscher Ugandas kennen: Idi Amin (Forest Whitaker). Dieser schöpft Vertrauen zu dem naiv-forschen Schotten, der nichts von den politischen Unruhen versteht. Die ungleichen Männer freunden sich an, Idi Amin erklärt Nicholas zu seinem Leibarzt und lässt sich auch politisch von ihm beraten. Doch bald wird Nicholas mit den Schattenseiten von Amins Gewaltherrschaft konfrontiert und gerät leichtfertig selbst in den Strudel von politischen Intrigen, die sich um ihn verstricken.

Auch wenn der Film die Perspektive des jungen Europäers einnimmt, die eigentliche Schlüsselfigur ist natürlich der afrikanische Diktator, die historisch schillernde Figur des Idi Amin. Der exzentrische und manisch paranoide Tyrann war in den siebziger Jahren der politische Führer Ugandas, der sein Land einer brutalen Gewaltherrschaft unterwarf und sich mit ungezählten politischen Morden den Beinamen „der Schlächter von Afrika“ erarbeitete. Doch in Der letzte König von Schottland geht es nicht um historische Aufarbeitung. Statt dessen steht sein kapriziöser und widersprüchlicher Charakter im Mittelpunkt, sein politisches Charisma, sein kumpelhaftes Gönnertum genauso wie seine cholerischen und wahnwitzig brutalen Anfälle. Dabei geht der Film anfangs sachte zu Werke und deutet lange Zeit Amins dubiose Machenschaften und seine Bestialität nur an: So versichert Amin, der seinerzeit politische Kontrahenten nicht nur liquidiert, sondern dann auch verspeist haben soll, auf einem seiner rauschenden Feste seinen Gästen, dass das Buffet kein Menschenfleisch enthalte und erntet für die gelungene Pointe Gelächter. Der arglose Nicholas erahnt erst viel später Amins tatsächlichen Charakter.

Der letzte König von Schottland

Regisseur Kevin Macdonald ist mit seinem Spielfilmdebüt ein starkes Stück Zeitgeschichts-Kino des postkolonialen Afrikas gelungen, welches von einer blendenden Besetzung getragen wird – allen voran Forest Whitaker. Es ist seine bullige Erscheinung, die die Leinwand dominiert und die Bildsprache dieses Films prägt. Er lässt das Monstrum im Manne vollkommen natürlich und glaubwürdig wirken. Als weiteres Bonbon bietet der Cast Gillian Anderson, ehemalige Special Agent des FBI in der Mystery-Serie Akte X (The X-Files, 1993-2002), als Doktorengattin mit ausgeblichenem Haar in einer Nebenrolle. Gerade im Kontrast zum FBI-Agententum gibt ihre Rolle als unpolitische Schönheit aus der Wildnis Grund zum Schmunzeln.

Der letzte König von Schottland

Die fiktive Figur des Leibarztes führt den Zuschauer unbefangen durch das fremde Geschehen und bietet den Identifikationspunkt in der Ferne. Damit ermöglicht er auch – und das ist durchaus typisch für einen Großteil der neuen Afrika-Filme – eine westliche Perspektive auf das fremde Geschehen und eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Wirken. Der letzte König von Schottland erklärt Idi Amin zum Symbol einer verfehlten Dekolonisierungspolitik des Westens. In dem unbedarften Handeln des schottischen Arztes lässt sich zusätzlich noch ein kritischer Unterton gegenüber humanitärer Hilfe finden. Denn nicht etwa selbstlose Hilfsbereitschaft ist es, was Nicholas antreibt, sondern vor allem seine hedonistische Abenteuerlust. Politische Dimensionen seines Engagements lehnt er kategorisch ab, doch – und das ist die zentrale Erkenntnis des Filmes – kann man sich dem langfristig nicht entziehen.

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Kommentare


Silke I. Lence

Der letzte König von Schottland

Der Film ist wieder einmal ein typisch aus europäisch-amerikanischer und dazu neokolonialistischer Sicht gedrehter Action-Film über Afrika. Der Hauptdarsteller des Ex-Diktators Idi Amin spielt seine Rolle zwar nicht schlecht, aber ansonsten ist der Film gespickt mit Klischees und Vorurteilen: Sex and Crime. Die Bilder laufen viel zu schnell vorbei, um die afrikanische Seele auch nur berühren zu können. Armut und Reichtum, britische Kolonialmacht, heiße Tänze, staubige Pisten, schreiende Amin-Anhänger; alles ist wie Puzzlestücke oder Nachrichtenmeldungen aus dem Fernsehen aneinander gereiht, aber die entscheidenden Zwischenstücke fehlen.

Mit Bezugnahme auf die Figur des real in der Vergangenheit existierenden Diktators und der Grausamkeiten, die zweifelsohne auf sein Konto gehen, gaukelt der Film Wahrheiten vor, die jedoch weit komplexer sind. Nicht einmal die Musik ist hier authentisch (an einer Stelle hörte ich Musik aus Congo-Kinshasa heraus), geschweige denn die gezeigten Verhaltensmuster der Menschen. Sie bestätigen lediglich westliche Vorstellungen von der „kindlichen“ Mentalität („ein gefährliches Kind“ nennt der weiße junge Arzt den Diktator am Ende, dabei ist der Weiße selbst ein nicht minder gefährliches Kind) oder das Vorurteil von der lüsternen Afrikanerin. Die Sexszene ganz am Anfang ist geschmacklos dahin geworfen, genauso geschmacklos wie viele andere Szenen und auch die Fiktion, die Frau eines Präsidenten würde sich mit einem weißen Grünschnabel einlassen, dessen Verhalten im übrigen die gesamte Ärzteschaft in den Dreck zieht (Vorsicht: Aids!)

Da gibt es bei afrikanischen Filmregisseuren andere Meisterstücke, die weit Besseres bieten, ohne jemals in die europäischen Kinos vorzudringen! Warum?


Flo

Ich sehe das ganz genauso wie Silke, es ist leider in der modernen Kinowelt ein Problem geworden, dass Afrika bzw die Problematik, die die Kolonalisierung mit sich brachte, immer nur aus einer Sicht gezeigt wird. Als ich aus dem Kino ging, dachte ich mir nur, dass es nur wieder ein zusätzlicher Film zu einem Thema ist, das mittlerweile auch keinen aufrüttelnden Status mehr hat. Die schauspielerische Leistung Forest Whitakers ist aber trotzd der Kritik hervorzuheben.

Ich würde mir mal einen positiven Film wünschen, der ein fiktives Afrika in ca 30 Jahren zeigt, das aufgrund der Hilfsmaßnahmen, die jetzt und auch schon die letzten Jahren in den Schubladen der Regierungen liegen, sich selbst versorgen konnte und die Korruption, sowie das Elend erfolgreich bekämpfen konnte. Das hätte viel mehr Wirkung als ein x-ter Streifen über das Elend und die Korruptheit der afrikanischen Regierungen.


Jaspis

Ich fand den Film ganz hervorragend, was die schauspielerischen Leistungen anbelangt, in vorderster Front natürlich Forest Whitaker zu nennen. Der eigentliche Hauptansatz des Filmes, nämlich die Darstellung der paranoiden Zerrissenheit des Diktators Amin zwischen kindisch menschlichen Verhalten auf der einen und dem barbarischen Größenwahn auf der anderen Seite ist hervorragend gelungen. Genau das wollte der Film doch auch, ich glaube nicht, daß er ein Bild des afrikanischen Volkes im allgemeinen zeichnen wollte. Sicher gibt es andere gute Filme, auch natürlich von afrikanischen Filmemachern selber, die genau dieses tun, aber sicherlich ist niemals besser die Person Idi Amins dargestellt werden als in diesem Film. Die schauspielerische Leistung Whitakers ist mindestens gleichzusetzen mit der von Bruno Ganz als Hitler in "Der Untergang", wenn nicht sogar höher anzusiedeln. Ganz` Darstellung war eine Kopie der Verhaltensweisen des Dikators Hitler, Whitaker als Amin bringt eigene Facetten mit hinein, was diese verrückte Persönlichkeit noch weiter intensiviert in der schauspielerischen Leistung.
Im übrigen..Thema Aids: Der Film spielt Mitte der 70er Jahre und da war Aids in Afrika weder ein Thema noch irgendwie bekannt.


Mo

Whitaker ist einfach überragend, der Film ist gut hat aber seine Schwächen.


Mo

Oh und an Silke, die Frage nach dem "Warum" ist schnell beantwortet... die breite Masse ist an Meisterwerken generell nicht interessiert. Es ist nunmal leider so, dass ein Film wie dieser eher Leute wachrüttelt als es ein qualitativ besserer (wobei dieser Ausdruck bei Filmen schwierig ist) Streifen evtl. tun würde. Das Bild ist so zwar verzerrt und nicht unbedingt realgetreu, doch aufmerksam machen auch solche Filme...






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