Marx, Karl, Das Kapital, II. Band: Der Zirkulationsproze� des Kapitals, III. Die Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals, 18. Einleitung, I. Gegenstand der Untersuchung - Zeno.org

I. Gegenstand der Untersuchung

[351] Der unmittelbare Produktionsproze� des Kapitals ist sein Arbeits- und Verwertungsproze�, der Proze�, dessen Resultat das Warenprodukt und dessen bestimmendes Motiv die Produktion von Mehrwert.

Der Reproduktionsproze� des Kapitals umfa�t ebensowohl diesen unmittelbaren Produktionsproze� wie die beiden Phasen des eigentlichen Zirkulationsprozesses, d.h. den gesamten Kreislauf, der als periodischer Proze� – Proze�, der sich in bestimmten Perioden stets von neuem wiederholt – den Umschlag des Kapitals bildet.

Ob wir nun den Kreislauf in der Form G... G' oder in der Form P... P betrachten, der unmittelbare Produktionsproze� P bildet stets selbst nur ein Glied dieses Kreislaufs. In der einen Form erscheint er als Vermittlung des Zirkulationsprozesses, in der andren Form erscheint der Zirkulationsproze� als seine Vermittlung. Seine best�ndige Erneuerung, die best�ndige Wiederdarstellung des Kapitals als produktives Kapital ist beidemal bedingt durch seine Verwandlungen im Zirkulationsproze�. Andrerseits ist der best�ndig erneuerte Produktionsproze� die Bedingung der Verwandlungen, die das Kapital in der Zirkulationssph�re stets von neuem durchmacht, seiner abwechselnden Darstellung als Geldkapital und Warenkapital.

Jedes einzelne Kapital bildet jedoch nur ein verselbst�ndigtes, sozusagen mit individuellem Leben begabtes Bruchst�ck des gesellschaftlichen Gesamtkapitals, wie jeder einzelne Kapitalist nur ein individuelles Element[351] der Kapitalistenklasse. Die Bewegung des gesellschaftlichen Kapitals besteht aus der Totalit�t der Bewegungen seiner verselbst�ndigten Bruchst�cke, der Umschl�ge der individuellen Kapitale. Wie die Metamorphose der einzelnen Ware ein Glied der Metamorphosenreihe der Warenwelt – der Warenzirkulation – ist, so die Metamorphose des individuellen Kapitals, sein Umschlag, ein Glied im Kreislauf des gesellschaftlichen Kapitals.

Dieser Gesamtproze� umschlie�t ebensowohl die produktive Konsumtion (den unmittelbaren Produktionsproze�) nebst den Formverwandlungen (stofflich betrachtet. Austauschen), die ihn vermitteln, wie die individuelle Konsumtion mit den sie vermittelnden Formverwandlungen oder Austauschen. Sie umschlie�t einerseits den Umsatz von variablem Kapital in Arbeitskraft und daher die Einverleibung der Arbeitskraft in den kapitalistischen Produktionsproze�. Hier tritt der Arbeiter als Verk�ufer seiner Ware, der Arbeitskraft, auf und der Kapitalist als K�ufer derselben. Andrerseits aber ist im Verkauf der Waren eingeschlossen der Kauf derselben durch die Arbeiterklasse, also deren individuelle Konsumtion. Hier tritt die Arbeiterklasse als K�ufer auf und die Kapitalisten als Warenverk�ufer an die Arbeiter.

Die Zirkulation des Warenkapitals schlie�t die Zirkulation des Mehrwerts ein, also auch die K�ufe und Verk�ufe, wodurch die Kapitalisten ihre individuelle Konsumtion, die Konsumtion des Mehrwerts vermitteln.

Der Kreislauf der individuellen Kapitale in ihrer Zusammenfassung zum gesellschaftlichen Kapital, also in seiner Totalit�t betrachtet, umfa�t also nicht nur die Zirkulation des Kapitals, sondern auch die allgemeine Warenzirkulation. Die letztre kann primitiv nur aus zwei Bestandteilen bestehn: 1. dem eignen Kreislauf des Kapitals und 2. dem Kreislauf der Waren, die in die individuelle Konsumtion eingehn, also der Waren, worin der Arbeiter seinen Lohn und der Kapitalist seinen Mehrwert (oder Teil seines Mehrwerts) verausgabt. Allerdings umfa�t der Kreislauf des Kapitals auch die Zirkulation des Mehrwerts, soweit dieser Teil des Warenkapitals bildet, und ebenso die Verwandlung von variablem Kapital in Arbeitskraft, die Zahlung des Arbeitslohns. Aber die Verausgabung dieses Mehrwerts und Arbeitlohns in Waren bildet kein Glied der Kapitalzirkulation, obwohl wenigstens die Verausgabung des Arbeitslohns diese Zirkulation bedingt.

Im I. Buch wurde der kapitalistische Produktionsproze� sowohl als vereinzelter Vorgang wie als Reproduktionsproze� analysiert: die Produktion des Mehrwerts und die Produktion des Kapitals selbst. Der Form- und Stoffwechsel, den das Kapital innerhalb der Zirkulationssph�re durchmacht,[352] wurde unterstellt, ohne weiter dabei zu verweilen. Es wurde also unterstellt, da� der Kapitalist einerseits das Produkt zu seinem Wert verkauft, andrerseits innerhalb der Zirkulationssph�re die sachlichen Produktionsmittel vorfindet, um den Proze� von neuem zu beginnen oder kontinuierlich fortzuf�hren. Der einzige Akt innerhalb der Zirkulationssph�re, wobei wir uns dort aufzuhalten hatten, war der Kauf und Verkauf der Arbeitskraft als Grundbedingung der kapitalistischen Produktion.

Im ersten Abschnitt dieses II. Buchs wurden die verschiednen Formen betrachtet, die das Kapital in seinem Kreislauf annimmt, und die verschiednen Formen dieses Kreislaufs selbst. Zu der im I. Buch betrachteten Arbeitszeit kommt jetzt die Zirkulationszeit hinzu.

Im zweiten Abschnitt wurde der Kreislauf als periodischer, d.h. als Umschlag betrachtet. Es wurde einerseits gezeigt, wie die verschiednen Bestandteile des Kapitals (fixes und zirkulierendes) den Kreislauf der Formen in verschiednen Zeitr�umen vollbringen und in verschiedner Weise; es wurden andrerseits die Umst�nde untersucht, wodurch verschiedne L�nge der Arbeitsperiode und Zirkulationsperiode bedingt wird. Es zeigte sich der Einflu� der Kreislaufsperiode und des verschiednen Verh�ltnisses ihrer Bestandteile auf den Umfang des Produktionsprozesses selbst wie auf die Jahresrate des Mehrwerts. In der Tat, wenn im ersten Abschnitt haupts�chlich betrachtet wurden die sukzessiven Formen, die das Kapital in seinem Kreislauf best�ndig annimmt und abstreift, so im zweiten Abschnitt, wie innerhalb dieses Flusses und Sukzession von Formen ein Kapital von gegebner Gr��e sich gleichzeitig, wenn auch in wechselndem Umfang, in die verschiednen Formen von produktivem Kapital, Geldkapital und Warenkapital teilt, so da� sie nicht nur miteinander abwechseln, sondern verschiedne Teile des gesamten Kapitalwerts best�ndig in diesen verschiednen Zust�nden sich nebeneinander befinden und fungieren. Das Geldkapital namentlich stellte sich dar in einer Eigent�mlichkeit, die sich nicht in Buch I zeigte. Es wurden bestimmte Gesetze gefunden, nach denen verschieden gro�e Bestandteile eines gegebnen Kapitals, je nach den Bedingungen des Umschlags, best�ndig in der Form von Geldkapital vorgeschossen und erneuert werden m�ssen, um ein produktives Kapital von gegebnem Umfang best�ndig in Funktion zu halten.

Es handelte sich aber im ersten wie im zweiten Abschnitt immer nur um ein individuelles Kapital, um die Bewegung eines verselbst�ndigten Teils des gesellschaftlichen Kapitals.

Die Kreisl�ufe der individuellen Kapitale verschlingen sich aber ineinander, setzen sich voraus und bedingen einander und bilden gerade in[353] dieser Verschlingung die Bewegung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Wie bei der einfachen Warenzirkulation die Gesamtmetamorphose einer Ware als Glied der Metamorphosenreihe der Warenwelt erschien, so jetzt die Metamorphose des individuellen Kapitals als Glied der Metamorphosenreihe des gesellschaftlichen Kapitals. Wenn aber die einfache Warenzirkulation keineswegs notwendig die Zirkulation des Kapitals einschlo� – da sie auf Grundlage nichtkapitalistischer Produktion vorgehn kann –, so schlie�t, wie bereits bemerkt, der Kreislauf des gesellschaftlichen Gesamtkapitals auch die nicht in den Kreislauf des einzelnen Kapitals fallende Warenzirkulation ein, d.h. die Zirkulation der Waren, die nicht Kapital bilden.

Es ist nun der Zirkulationsproze� (der in seiner Gesamtheit Form des Reproduktionsprozesses) der individuellen Kapitale als Bestandteile des gesellschaftlichen Gesamtkapitals, also der Zirkulationsproze� dieses gesellschaftlichen Gesamtkapitals zu betrachten.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 351-354.
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