Sinn des Lebens in der Philosophie – Philosophische Antworten

Der Sinn des Lebens ist ein traditionelles Thema der Philosophie. Doch wie bei so vielen großen Fragen der Philosophie, gibt es auch hier viele mögliche Antworten & interessante Deutungsansätze.

Der Sinn des Lebens in der Philosophie

Der Lebenssinn des Menschen

Die Sinnhaftigkeit des Lebens ist für uns fast schon Voraussetzung.

Doch warum eigentlich?

Und in welcher Hinsicht suchen wir Sinn?

vgl. auch: Was ist der Sinn des Lebens? (Sinnfrage heute)

Was ist der Sinn des Lebens?

Das Fragen nach dem großen Warum hat viele große Geister beschäftigt. So zum Beispiel Mark Twain:

Die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag an dem du geboren wurdest, und der Tag, an dem du herausfindest, WARUM!

Und: „Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst“, soll J. W. von Goethe gesagt haben. Ganz so einfach, wie die Antwort klingt, ist es allerdings nicht.

 

Definition der Sinnfrage in der Philosophie

Ein Problem liegt bereits in der Frage selbst. Und löst einen ganzen Fragenmarathon aus:

  1. Geht es um einen allgemeinen Sinn von Leben im Ganzen?

  2. Oder geht es um Deinen persönlichen Lebenssinn?

  3. Und was ist mit Sinn gemeint?

Um das Ganze hier mal abzukürzen: In den meisten Fällen geht es um einen Sinn des Daseins. Ein Wofür Deines Lebens. Was uns zur nächsten Frage führt:

  1. Wie definiert sich Zweck?

  2. Liegt der Zweck im Glück? In der Liebe? In der Selbstverwirklichung? In der Lebensfreude?

 

Der Sinn des Lebens in der Philosophie

Die Frage nach dem Sinn des Lebens

Die Phrase „Vom Sinn des Lebens“ kommt das erste Mal in Goethes Zeiten auf (7) bzw. in der frühen Romantik (bei Novalis, Schlegel, Schleiermacher).

So richtig bekannt wird sie im 19. Jahrhundert der Existenzphilosophie – allen voran durch Kierkegaard, Schopenhauer und Nietzsche.

Natürlich war sie in etwas anderer Form bereits während der gesamten Philosophie-Geschichte relevant.

 
Sein, was wir sind, und werden, was wir werden können, das ist das Ziel unseres Lebens.
— Spinoza

1) Sinn als Ziel der Selbstverwirklichung (Aristoteles)

Der antike Philosoph Aristoteles sah den Sinn (er spricht von Ziel oder Glück) des Menschen in der Ausbildung der menschlichen Fähigkeiten, um diese in sinnvollen Betätigungen umzusetzen.

Für Aristoteles ist also ein Leben in philosophischer Betrachtung der Welt und Engagement für die Gemeinschaft in sich sinnvoll.

 
Aristoteles: Sinn des Lebens

Er betrachtete die Glückseligkeit nicht als statischen Zustand, sondern als ein stetiges Tätigsein der Seele.

Zugleich betonte er, dass das Glück auch von äußeren Faktoren abhängig sei.

Sinnerfüllung heißt nicht, dass wir jeden Morgen aufstehen und uns darüber freuen, wie sinnerfüllt unser Leben ist. Sie ist eher wie ein Fundament, das man meist erst bemerkt, wenn es ins Wanken gerät“, erklärt die Psychologin Tatjana Schnell. „In mehreren Studien sehen wir, dass Menschen, die sagen, dass ihnen Glück nicht so wichtig ist, von viel mehr Glückserfahrungen berichten. Ihnen geht es eher darum, so zu leben und zu handeln, wie sie es für richtig halten.“ (5)

 

Sinn des Lebens als bestimmte Art zu leben

Einen aristotelischen Ansatz neuerer Zeit liefert ausnahmsweise kein Philosoph, sondern ein englischer Literaturtheoretiker: Terry Eagleton.

Weshalb sollte es nur einen Sinn des Lebens geben? Wie wir ihm mehr als einen Sinn zuschreiben können, so könnte es auch mehr als einen ursprünglichen Sinn haben, sofern es denn überhaupt einen ursprünglichen Sinn hat. Und wenn nun das Leben einen Sinn hätte, der ganz und gar nicht unseren Vorstellungen entspräche?

 

Der Sinn des Lebens ist nicht die Lösung eines Problems, sondern eine bestimmte Art zu leben. Er ist nicht metaphysisch, sondern ethisch.

Er ist nichts vom Leben Losgelöstes, sondern das, was das Leben lebenswert macht - das heißt eine bestimmte Qualität, Tiefe, Fülle und Intensität des Lebens. In diesem Sinne ist der Sinn des Lebens das Leben selbst, auf eine bestimmte Weise betrachtet.“ (Eagleton)

 
Sinn des Lebens

2) Werte als Sinn des Lebens (Frankl)

So gut wie niemand außerhalb der Philosophie hat sich mehr mit der Sinnfrage beschäftigt als der Psychologe Viktor Emil Frankl.

Er schrieb auch ein Buch mit dem Titel „Sinn des Lebens“, aus dem heute noch Fachleute jeder Branche zitieren.

Frankl hatte als Jude das KZ zwischen 1942-1945 überlebt.

Die unmenschlichen Bedingungen im Konzentrationslager konnten er und andere Gefangene nur überstehen, weil sie am Sinnvollen im Leben festhielten.

 

Sinnstiftung als Prozess des Lebens

Frankl erklärte, dass es weder die physische noch die psychische Stärke war, die darüber entschied, ob die Gefangenen am Leben blieben. Der alles entscheidende Faktor war ein Sinn im Leben in Form von hehren Werten, die Glück stiften:

  • der Verantwortung für geliebte Personen

  • einer Aufgabe/Arbeit, die noch vollendet werden musste

  • der Hilfe für andere Menschen

 

Für Frankl ist Existenz kein objektives Faktum, sondern ein Prozess: Darum arbeitet seine Existenzanalyse an den individuellen Bedingungen des sinnvollen Daseins.

 

Jaspers: „Menschliches Sein ist entscheidendes Sein“

In der Existenzanalyse nach Jaspers und Logotherapie nach Frankl wird der Mensch nicht als Ergebnis innerpsychischer Prozesse oder umweltlicher Einflüsse allein angesehen (vgl. Freud, Adler), sondern als ein Wesen, das sich in dem, was im Leben zählt, selbst gestalten kann.

Selbstbestimmung bedeutet Sinnerleben, Fremdbestimmung lässt keine Sinnerfahrung zu.

 

"Sinn ist eine Möglichkeit vor dem Hintergrund der Wirklichkeit." (Frankl)

Laut Frankl muss sich jeder Mensch in einem Sinn-Zusammenhang, einem Beziehungsgeflecht begreifen, um sinnvoll sein Leben zu gestalten. Streben nach Werten heißt Selbstverwirklichung.

 

3) Das Leben als Sinn des Lebens (Epikur)

Das Leben selbst hat einen Eigenwert. Wem es also gelingt, sein Leben um seiner selbst willen zu leben, der erfährt die wahre Lebensfreude. Einen tieferen Sinn gibt es nicht!
— Friedrich Kambertel
Das Leben als Sinn des Lebens – Epikur

So der Philosoph Kambertel. Setzt aber gleichzeitig eine Antwort ein: Sinn ist für ihn Lebensfreude.

Das hat der Mann jetzt nicht erfunden. Im Gegenteil, diese Ansicht ist ziemlich alt.

Auch die antiken Philosophen dachten sich den Sinn des Lebens als Glückseligkeit dank einer guten, ethischen Lebensführung.

 

Epikureischer Lebensgenuss der Zufriedenheit

Ähnliches hatten Epikur oder Aristippos von Kyrene im Kopf, die berühmten Vertreter des Hedonismus:

Die einzige Antwort der Philosophie auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, die sie ohne Ansehen der Person als erstrebenswert begründen kann, ist der gepflegte Genuss, wobei darauf zu achten sei, über die Lust zu gebieten und ihr nicht zu unterliegen.
— Aristippos

Aristippos & Epikur postulierten eine Wertschätzung der Lebensgenüsse (keine Schlemmerei) und darin folgen ihnen einige neue Philosophen (Bettina Dessau, Bernulf Kanitscheider).

 

4) Sinn des Lebens als Selbstbestimmung (Camus)

Albert Camus spricht vom Absurden der Welt, in ihr ist kein Sinn oder eine höhere Wahrheit zu finden. Oder besser gesagt:

Es gibt keinen Sinn innerhalb oder außerhalb der Welt. Alles Sinnstreben des Menschen ist vergeblich, da die Welt sinnleer ist.

Du musst wissen, dass auch Camus eine Religionskritik im Blick hat sowie einen naiven Schicksalsglauben:

 
Sinn des Lebens von Albert Camus

Es gibt nichts, das dem Menschen einen Sinn vorgeben könnte.

Camus’ Lösung im Angesicht der Sinnleere: Erkenne die Absurdität Deiner Existenz an und entwickle Dich selbstbestimmt weiter.

Genau so ist auch seine Metapher von Sisyphos zu begreifen, der die Ewigkeit in sinnloser Schwerstarbeit verbringen muss:

  1. Sisyphos erträgt die Strafe, lässt sich von der ewigen Qual nicht erschüttern

  2. Sisyphos nimmt die Strafe an und vollzieht sie bewusst

  3. So verhöhnt Sisyphos die Götter und beweist die Selbstbestimmtheit des modernen Menschen

 

In eine ähnliche Bresche schlägt Jean-Paul Sartre, wenn er sagt: „Frei sein heißt zum Freisein verurteilt sein.Selbstbestimmung ist auch bei ihm das wesentliche Element des Menschen. Der Mensch ist Sinnstifter, es gibt keine höhere Macht von außen.

 

Fazit: Der Sinn des Lebens in
der Philosophie

Sinn des Lebens in der Philosophie
  • Aristoteles postuliert die Selbstverwirklichung

  • Epikur spricht von der (gemäßigten) Lebensfreude

  • Viktor Frankl betont die menschlichen Werte

  • Albert Camus sieht darin die Selbstbestimmung

  • Vielleicht ist es ja auch tröstlich, uns unseren Lebenssinn heute selbst kreieren zu können. So musst Du Dich in kein Schema zwängen lassen, um Erfüllung zu empfinden. Und vielleicht gibt es auch mehrere Sinn-Quellen anstatt einer einzigen umfassenden.

Lies auch: Der Sinn des Lebens heute – Die Sinnfrage der Moderne oder Kohärenzgefühl / Kohärenzsinn


Quelle:

1) Ulrich Walter: Das ist der Sinn des Lebens
2) Karsten Möbius: Was ist der Sinn des Lebens?
3) Philosophisches Lexikon: Sinn des Lebens (Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe)
4) Ann-Kristin Tlusty: Was stiftet Sinn in Ihrem Leben?
5) Schrödingers Katze: Der Sinn des Lebens (Wissenschaftsblog)
6) Manfred Knoke: Eine Betrachtung aus existenzanalytischer und logotherapeutischer Sicht – Auf der Suche nach Sinn
7) Herder Philosophisches Lexikon: Sinn des Lebens (Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe)
8) Andreas Nemeth: Der Sinn des Lebens
9) Dr. Hendrik Wahler: Sinn des Lebens finden – Ein Überblick mit Wachstums-Tools
10) Josef Schmid: Die Wissenschaften und die Frage nach dem „Sinn des Lebens“
11) Jochen Mai: Lebenssinn – Mit diesen Fragen den Sinn des Lebens finden
12) Susanne Schumann: Der Sinn des Lebens und worum es WIRKLICH geht
13) Christian Thies: Wer fragt nach dem Sinn des Lebens? (präfaktisch)
14) Markus Hofelich: Was ist der Sinn des Lebens? Die besten Antworten
15) Terry Eagleton: Der Sinn des Lebens
16) Viktor Frankl: Über den Sinn des Lebens
17) Dr. Jonas Pfister: Was ist der Sinn des Lebens?
18) Matthias Warkus: Was ist der Sinn des Lebens?
19) Psylex: Sinn, Ziel im Leben verringert Sterblichkeitsrisiko (2014)
20) Psylex: Lebenssinn schützt vor Herzinfarkten, Schlaganfällen und einem verkürzten Leben (2015)
21) Psylex: Mangel an Sinn im Leben verbunden mit Drogenmissbrauch, Depression, Angst (2015)
22) Psylex: Lebenssinn & Zielstrebigkeit verbunden mit längerem Leben
23) Kathleen D. Vohs: It's not going to be that fun: negative experiences can add meaning to life (Studie 2019)
24) Awais Aftab et al: Meaning in Life and Its Relationship With Physical, Mental, and Cognitive Functioning: A Study of 1,042 Community-Dwelling Adults Across the Lifespan (Studie 2019)
25) Scott Barry Kaufman: Sinnerleben – Warum wir extreme Erfahrungen brauchen

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hey, ich bin Tamara, studierte Germanistin, Philosophin (M. A.) & freie Journalistin. Hier blogge ich über meine Erfahrungen mit Depressionen & Angst sowie über Philosophie & soziale Ungleichheit.

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