Wegen Vogelkot: Teil des Botanischen Garten in Gießen gesperrt
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Wegen Vogelkot: Teil des Botanischen Garten in Gießen gesperrt

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Die Blätter der Bambusstauden sind voller Vogelkot, was man sieht und riecht. Für Besucher ist der Evolutionsdenkpfad im Botanischen Garten deswegen im Moment gesperrt. Bald sollen die Stare weiterziehen, und nach einem kräftigen Regen kann der Bereich wieder freigegeben werden. © Oliver Schepp

Der Botanische Garten hat ein »Vogelproblem«. Seit wenigen Jahren muss der Evolutionsdenkpfad immer zum Frühlingsanfang gesperrt werden. Hunderte Stare überwintern in den Bambusstauden und sorgen im wahrsten Sinne des Wortes für eine »beschissene« Situation. Schuld daran soll zum Teil der Klimawandel haben.

Gießen - Was Stare vom Evolutionsbiologen Charles Darwin halten? Die weißen Flecken rund um seine Büste im Botanischen Garten der Justus-Liebig-Universität lassen es erahnen. Dabei hätte der Wissenschaftler sicher seine Freude daran gehabt, was sich seit einigen Jahren im rund 150 Meter langen Evolutionsdenkpfad abspielt. Denn heimische Stare haben sich an eine Umweltveränderung angepasst: Anstatt dem kalten Winter Richtung Süden zu entfliehen, bleibt ein Teil der gefährdeten Vögel hier und übernachtet in den Bambusstauden, die den labyrinthartigen Weg im Botanischen Garten abstecken. Die menschlichen Besucher haben dabei das Nachsehen: Weil der Bereich voller Vogelkot ist - was man sieht und auch mehr als deutlich riecht - wird der Pfad gesperrt. Bald soll sich die Situation wieder beruhigt und der Bereich freigegeben werden - bis zum nächsten Frühjahr.

Gießen: Lehrpfad im Botanischen Garten vor 15 Jahren eröffnet

Vor 15 Jahren wurde der Evolutionsdenkpfad im Botanischen Garten eröffnet. An insgesamt fünf Stationen auf diesem Weg sollen die Besucher zum Nachdenken über die Evolution angeregt werden. Das Problem mit den Staren habe es 2009 aber noch nicht gegeben, sagt Holger Laake, der technische Leiter des Botanischen Gartens. Erst seit vier oder fünf Jahren besetzen die Vögel jeden Winter die Bambusstauden. Die Stare fallen dann nachts ein, um hier zu schlafen, und fliegen mit Sonnenaufgang wieder davon.

Star auf Roter Liste

Der Star wurde 2015 als »gefährdet« in die Rote Liste der gefährdeten Tierarten aufgenommen. Laut dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) gehe der Bestand an Staren vor allem durch den Verlust seiner Nahrungsflächen und Brutplätze »insbesondere durch die intensive Landwirtschaft« zurück.

Matthias Korn von der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) kann das Verhalten der Vögel erklären. Seit rund zehn Jahren würden nicht mehr alle Stare im Süden überwintern. »Sie kommen mittlerweile auch bei uns gut durch.« Diese Vögel suchen sich für die Nacht einen sicheren Platz, an dem sie eng beisammensitzen können. Das können Schilfgebiete, Brombeersträucher, dichte Efeuhecken oder in diesem Fall Bambusstauden sein. Das Stadtgebiet ist im Vergleich zum Umland bei den Tieren dabei besonders beliebt. »Weil es hier drei bis vier Grad wärmer ist als im Umland«, sagt Korn. Und wenn die Stare mal einen gewohnten Platz verlieren, weil sich dort zum Beispiel Feinde wie der Sperber oder Uhu breit gemacht haben, dann suchen sie sich einen neuen Ort zum Überwintern. Vor rund fünf Jahren sind sie im Botanischen Garten gelandet, wo sie bis heute gute Bedingungen vorfinden.

Botanischer Garten in Gießen: Vogelscheuche ist wirkungslos bei Staren

Ein Star sitzt auf einem Ast.
Früher konnte man in Gießen Star-Schwärme mit bis zu 50.000 Vögeln sehen. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. © IMAGO

Dabei haben Laake und seine Mitarbeiter durchaus versucht, diese Bedingungen etwas weniger optimal zu gestalten. Aber weder ein sich im Wind wiegender Drache als Vogelscheuche noch Geräusche oder Lichtblitze vermochten die Vögel in den vergangenen Jahren dazu zu bewegen, sich einen neuen Platz zu suchen. Und so habe man sich mit der Situation arrangiert. »Zwangsläufig« wie Laake sagt.

Botanischer Garten in Gießen: Kot von Staren kann Pflanzen töten

Für die Vögel, die auf der Roten Liste als gefährdet geführt werden, sicher eine gute Nachricht. Mit Blick auf die Bambusstauden macht sich Laake aber auch Sorgen. »Dort, wo die Blätter zugekotet sind, ist keine Fotosynthese möglich.« Durch die ätzende Wirkung können die Blätter und damit auch die Pflanzen sogar ganz kaputtgehen. Die Zahl der Stare habe jedoch abgenommen, sagt Laake. Im ersten Jahr seien es noch weit über tausend gewesen, jetzt nur noch mehrere Hundert.

Korn sagt, dass Stare insgesamt weniger werden. In den 80er Jahren habe man im Bereich der Schlämmteiche zwischen Gießen und Heuchelheim noch Star-Schwärme mit bis zu 50 000 Tieren sehen können. Diese Zeiten seien jedoch vorbei.

Im Botanischen Garten wird sich die Situation bald wieder beruhigen. »Die Stare sollten langsam verschwinden«, sagt Korn. Denn die Brutzeit beginnt und dafür suchen sich die Vögel Höhlen. »Wir müssen dann noch einen ordentlichen Regen abwarten«, sagt Laake. Danach können Mitarbeiter den Evolutionsdenkpfad wieder betreten, kaputte Blätter entfernen und sauber machen, damit der Bereich wieder für die Besucher geöffnet werden kann. Bis die Stare im nächsten Winter wieder ihr Quartier hier aufschlagen. (Sebastian Schmidt)

Auch Raben fliegen nachts in großer Zahl in die Stadt, um hier wegen der höheren Temperatur zu übernachten.

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