Es war wie ein Rausch. Mit Karl-Theodor zu Guttenberg hatten wir endlich mal einen Politstar, mit dem man sich international sehen lassen konnte. Einen, der Glamour und Werte wie Rechtschaffenheit und Anstand gleichermaßen verkörperte. Er sah einfach gut aus, wenn er sich als Wirtschafts- und später als Verteidigungs-minister vor der Kamera aufbaute und Kompetenz ausstrahlte. Der oft dürftige Inhalt seiner Äußerungen fiel da nicht so auf.
"Ich war immer wieder erstaunt, wie sehr ihm alles verziehen wurde", sagt Drehbuchautorin Dorothee Schön, die den Fall Guttenberg zu einer TV-Satire verarbeitet hat. "Er hat dauernd seine Meinung geändert. Vor dem Kunduz-Ausschuss weiß er erst nichts, dann doch. Bei der Gorch-Fock-Affäre stellt er sich zunächst vor den Kapitän, aber kaum greift die 'Bildzeitung' diesen an, entlässt er den Mann ohne Anhörung über Nacht. Bei den Koalitionsverhandlungen erklärt er die Wehrpflicht für unabdingbar, als Verteidigungsminister schafft er sie ab." Eine Farce, die Grimme-Preisträgerin Schön ("Frau Böhm sagt Nein") mit großem Genuss in treffsichere Dialoge gegossen hat.

In "Der Minister" versucht der adelige Ferdinand von und zu Donnersberg trotz seines mäßigen Studienabschlusses Karriere zu machen - und seinem übermächtigen Vater zu gefallen. Mit Schulfreund Drexel als Redenschreiber und Karrierearchitekten gelingt es dem oberfränkischen Provinzpolitiker im Bundestag Fuß zu fassen, wo er mit seiner gespreizten Ausdrucksweise schließlich sogar Verteidigungsminister wird.

"Augenblicken kann man schwer zu Dank verpflichtet sein, den sie gestaltenden Persönlichkeiten umso mehr. Insbesondere, wenn der be- und ergriffene Moment dauerhafte Kräfte zu entfalten wusste." (Guttenberg im Vorwort zu seiner Doktorarbeit)

"Ich habe mich bei den Dialogen an Guttenbergs Bundestagsreden orientiert", sagt Schön. "Und am Vorwort seiner Doktorarbeit. Beim Lesen habe ich mich oft gefragt: Was will uns der Künstler damit sagen? Vieles ist nur verschwurbeltes Wortgeklingel."

Tatsächlich stammen diverse der herrlich verdrehten Dialogsätze, wie etwa ein Konzertflügelvergleich, aus dem Fundus des echten Ministers. "Ich traue... (der Absage der SPD an eine rot-rote Koalition) ... nur so weit, wie ich einen Konzertflügel schmeißen kann." (Guttenberg, 7.9.2009)

Die Nähe zur Realität macht den "Minister" doppelt sehenswert. Zum einen ist er einfach lustig, was natürlich auch an dem grandiosen Ensemble um Kai Schumann, Johann von Bülow und Katharina Thalbach liegt. Zum anderen, und da vergeht einem das Lachen ein bisschen, erinnert er daran, was tatsächlich geschehen ist. Filmhandlung und Guttenbergs politische Biografie stimmen in den Eckpunkten überein.

Die unheimliche Nähe zur "Bild", die medienwirksamen Paarauftritte in Afghanistan - die gab es wirklich. Ebenso wie den Geltungsdrang der Ministergattin. Im Film fordert Alexandra Neldel was "Eigenes", "Charity-mäßiges". In Wirklichkeit war Stephanie zu Guttenberg schon einen Schritt weiter. Bei RTL II jagte sie Kinderschänder - mit geringem Erkenntnisgewinn, aber in ihrer eigenen Show.

Im Film lässt Ministervater Rochus seine Beziehungen spielen, damit sein Sohn trotz schlechter Noten zur Doktorarbeit zugelassen wird. Der echte Minister erhielt von der Uni Bayreuth trotz mittelmäßiger Note mittels einer Sondergenehmigung grünes Licht. Eine andere Geschichte ist, dass die Universität von einem Unternehmen, an dem die Guttenberg-Familie große Anteile besaß und in dessen Aufsichtsrat Guttenberg saß, eine Viertelmillion Euro an Spenden überwiesen bekam.

"Eine oberfränkische Wettertanne hauen solche Stürme nicht um." (Guttenberg am 21.2.11, Rücktritt am 1.3.11)
Film- und Real-Life-Minister stolpern über ihre Dissertationen. Private Internetdetektive überprüften Rechtschaffen-heit und Anstand, auf die sich Guttenberg immer berief - und fanden Plagiate. Ebenso wie bei der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin, Stoiber-Tochter Veronica Saß und zuletzt bei der Bundesbildungsministerin Annette Schavan.

Im Film lacht Donnersberg am Ende über einen gut bezahlten Job in den USA. In Wirklichkeit ist der Rausch wohl vorbei. Karl-Theodor zu Guttenberg sollte im Januar am renommierten amerikanischen Dartmouth College einen Vortrag halten. Die Studenten protestierten. Bis Guttenberg absagte. Aus "persönlichen Gründen".

Frank I. Aures

Der Minister
DI 12.3. Sat.1 20.15 Uhr

ab 22.50 Uhr Doku:
Abgeschrieben -
Die Guttenbergstory