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Sozialwissenschaften

Die erstmals 1927 erschienene Schrift, mehrfach Gegenstand der Überarbeitung und heute vor allem bekannt in der Fassung von 1932, ergänzt durch Vorwort und Corollarien von 1963, ist ein anschauliches Beispiel für Schmitts Synthese von sachlicher Bestimmung und begrifflicher Polemik. Der Text beruht auf zwei Thesen: Bereits zu Beginn findet sich die zentrale Aussage über den Vorrang des Politischen vor dem Staat; ihr folgt wenig später die Leitunterscheidung zwischen Freund und Feind als das spezifisch Politische. Beide Thesen sind miteinander verwoben und stellen – in den Worten von E.-W. Böckenförde – den „Schlüssel zum staatsrechtlichen Werk Carl Schmitts“ dar.

Das Charakteristikum der Politik im Freund-Feind-Kriterium zu sehen, streicht ihr dynamisches Moment heraus: Das Politische kann Schmitt zufolge aus keinem Bereich der Gesellschaft von vornherein ausgeschlossen werden, es kennt keine sachlichen Grenzen, sondern erweist sich vor allem in seiner Intensität, seiner trennenden Kraft. Sobald der Streit um die Sache, welche es auch immer sein mag, einen tendenziell unversöhnlich-existenziellen Zug erhält und nicht mehr als Privatsache abgetan werden kann, wird sie selbst zu einer politischen Angelegenheit. In der gruppenbildenden Kraft des Konflikts, in dem ‚die Anderen‘ sich zum öffentlichen Feind – zum „hostis, nicht inimicus“ – wandeln, zeigt die Politik ihr wahres Gesicht. Die intensivste Form eines solchen Konflikts ist der Krieg.

Der Staat hat nach Schmitt die latente Gewaltsamkeit der Politik einzuhegen und jene Pazifizierungsleistung zu erbringen, aus der innerstaatlich eine dauerhafte Friedenseinheit entsteht, die sich zudem außenpolitisch in der Abgrenzung gegenüber anderen Staaten zu bewähren hat. Wird die Form des Staates jedoch fragwürdig, liegt es in der Hand des Volkes, durch souveräne Entscheidung über seine Existenz „Staat zu machen“ – eine Entscheidung für die eigene Identität und gegen andere Existenzformen als Ausdruck einer politischen Einheit, gerade darin erweist sich für Schmitt der Vorrang des Politischen vor dem Staat. Die Politik akzeptiert keine anderen Grenzen als ihre eigenen; diesen Gedanken hatte Schmitt bereits in der Politischen Theologie (1922) ausgeführt, als er die ordnungsbildende Macht des Souveräns mit dem Recht zur Entscheidung über den Ausnahmezustand auszeichnete.

Das Existenzielle der Politik zu verkennen, ist der Generalvorwurf Schmitts an die Adresse des Liberalismus. Dieser rede nur von ökonomischen „Konkurrenten“ oder intellektuellen „Diskussionsgegnern“, kenne aber keine wirklichen Feinde mehr, weil sich sein Begriff vom Politischen in Geld und Geist, jedenfalls aber in der Moral aufgelöst habe. Schmitt selbst ist jedoch die Antwort darauf schuldig geblieben, woher die nackte Existenzialität ihre Kraft zum politischen Selbstverständnis nehmen soll, auch in letzter Konsequenz für einen Kampf gegen den politischen Feind. Vielleicht sind es gerade diese offenen Fragen, die die Diskussion über einen solchen Text lebendig halten. Die Reaktionen lassen sich jedenfalls nach wie vor wie bei keiner anderen Schrift Schmitts in ‚Freund‘ und ‚Feind‘ unterscheiden und zeugen damit auf ihre Art von der politischen Bedeutung des „Begriffs des Politischen“.