In der Winterpause war fast alles gut: Dynamo Dresden war auf dem Weg zum Aufstieg. Doch aus zehn Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz in der 3. Liga sind inzwischen sechs Zähler Rückstand auf einen direkten Aufstiegsrang geworden. Sport-Boss Ralf Becker wurde entlassen. Und wäre das nicht Unruhe genug, terrorisieren Morddrohungen Kapitän Stefan Kutschke und die Sachsen. Das sind die Brennpunkte beim größten Klub des Ostens.
Vor knapp zwei Wochen erhielt Dynamo einen an Kutschke adressierten Brief. Neben Beleidigungen wurde der Kapitän in dem ausgedruckten, am Computer geschriebenen Schriftstück aufgefordert, nicht mehr für Dynamo zu spielen. Wenn doch, drohe der oder die Verfasser mit Anschlägen auf Kutschkes Leben oder die seiner Familie. Weitere Drohbriefe folgten.
Kutschke spielte dennoch, Dynamos aktive Fans stellten sich hinter ihn. Polizei und Landeskriminalamt ermitteln. Sie schätzen die Lage als ernst ein. „Es ist schwer greifbar, daher gehen wir von einer Gefährdung unserer Sportgemeinschaft aus“, sagt Geschäftsführer David Fischer.
Kutschke und die Mannschaft werden bewacht
Die Sicherheitsmaßnahmen wurden hochgefahren. Kutschke, seine Familie und die gesamte Mannschaft werden bewacht, öffentliches Training wurde abgesagt. Wer hinter den Drohungen steckt, ist offen. Kutschke treffen sie hart. Denn der gebürtige Dresdner hat einen „hohen Identifikationsfaktor und sportlichen Wert für uns“, sagt Fischer. Daher laufen seit Langem Gespräche über eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags oder eine anschließende Aufgabe im Verein. Es gab bereits Pläne, Kutschke zum Sportdirektor zu machen.
Am liebsten würde Kutschke mit Dynamo in die Zweite Liga zurückkehren. Doch die Dresdner haben an Boden verloren. Nach 89 Punkten im Jahr 2023 waren es 2024 in 13 Spielen nur zwölf Zähler – schlechter schnitt nur Lübeck ab!
Als Konsequenz aus der sportlichen Talfahrt musste Sport-Boss Becker Anfang März gehen. Dahinter steckte nach Informationen der „Sport Bild“ auch ein Machtkampf in der Dynamo-Führung. Denn bereits im Winter, als der Wiederaufstieg nur noch Formsache schien, wurde intern das Becker-Aus im Sommer besprochen.
Becker, dessen auslaufender Vertrag sich nur im Aufstiegsfall automatisch verlängert hätte, erbat sich sportliche Entscheidungsfreiheit innerhalb fester Budgets. Nachdem Dynamo seine Leitung um zwei weitere Geschäftsführer vergrößert hatte, waren jeweils zwei Unterschriften aus dem Führungstrio unter Verträgen nötig. Heißt: Zum einen musste jede Entscheidung intern verhandelt werden. Zum anderen hätten zwei Geschäftsführer den dritten immer überstimmen können. An diesem Modell wollte der Aufsichtsrat festhalten – ohne Becker.
Job-Garantie für den Trainer gilt nicht mehr
Dass es Dynamo gerade jetzt in der Planungsphase für die 2. oder 3. Liga an sportlicher Kompetenz fehle, widerspricht Kommunikations-Geschäftsführer Fischer: „Es ist kein Vakuum entstanden. Wir in der Geschäftsführung sind in sportlichen Fragen keine Neulinge, haben zudem unter anderem mit unserem Berater Ulf Kirsten weitere Expertise im Verein. Wir sind gut aufgestellt.“
Als Becker gehen musste, stellte Dynamo in einem Statement fest, dass man weiterhin und ligenunabhängig mit Markus Anfang plane. Ein ungewöhnlicher Vorgang. Hinter der Erklärung steckte damals, dass Anfang seinen Posten zur Diskussion gestellt hatte, die Führung aber eine weitere Entlassung im sportlichen Bereich scheute.
Die Job-Garantie gilt mittlerweile aber nicht mehr. Wie es bei weiteren Misserfolgen weitergeht, ist offen. Fischer betont: „Unser Ziel bleibt der Aufstieg. Daran werden alle gemessen.“
Aus der Mannschaft heißt es, das Verhältnis zu Anfang sei schwierig bis zerstört. Mit einem Teil des Kaders habe es sich der Coach schon in erfolgreichen Zeiten verscherzt, weil er sich um Ersatzspieler wenig gekümmert habe. Andere habe er durch emotionale Ausbrüche nach Niederlagen verloren, indem er lautstark und für die Spieler hörbar Neuzugänge verlangt habe, weil die Qualität nicht reiche.
Leistungsträger stehen bei Nicht-Aufstieg vor dem Abgang
Anders als in der Vergangenheit wäre ein Nicht-Aufstieg finanziell verkraftbar. Die Sachsen werden ein Saison-Plus von knapp zwei Millionen Euro einfahren – selbst, wenn sie Drittligist bleiben. Der Verein überstand die Corona-Krise sogar mit konstantem Eigenkapital von rund zehn Mio. Euro. Aber: Während viele Verträge von Leistungsträgern für die 2. Liga gelten würden, droht bei einer weiteren Drittliga-Saison der eine oder andere Abgang.
Neben Kutschke laufen auch die Kontrakte von Paul Will (25) oder Jakob Lewald (25) aus. Leistungsträger wie Claudio Kammerknecht (24) oder Niklas Hauptmann (27) stehen auf Wunschlisten von Zweitligisten. Für sie würde Dynamo bei einer Trennung aber Ablöse kassieren können.
Mit einem XXL-Umbruch rechnen die Dynamo-Bosse dennoch nicht. Daher sagt Geschäftsführer Fischer sowohl aus sportlicher als auch finanzieller Sicht: „Wir sind zuversichtlich, dass wir unter den ersten drei landen. Falls wir den Aufstieg aber in dieser Saison nicht schaffen sollten, dann wird auch in der nächsten Saison der Aufstieg unser Ziel sein. Diese Kraft werden wir haben.“
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) geführt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.