Johannes Pfeifer inszeniert "Das perfekte Geheimnis" in der Komödie im Bayerischen Hof | Abendzeitung München
Kritik

Johannes Pfeifer inszeniert "Das perfekte Geheimnis" in der Komödie im Bayerischen Hof

| Mathias Hejny
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen
Ein Selfie, bevor die Stimmung kippt: Gerhard Wittmann (links), Lary Joy Körner, Ralf Komorr, Sebastian Goder, Saskia Valencia, Daniela Voss und Pascal Breuer.
Alvise Predieri Ein Selfie, bevor die Stimmung kippt: Gerhard Wittmann (links), Lary Joy Körner, Ralf Komorr, Sebastian Goder, Saskia Valencia, Daniela Voss und Pascal Breuer.

Thrillerklassiker wie "Bei Anruf Mord" oder "Warte, bis es dunkel ist" wären nicht denkbar ohne das gute alte Festnetz mit angeleinten Apparaten und stationären Telefonzellen. Immer müssen sowohl der Anrufer als auch der Angerufene zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, was einem guten Krimiplot helfen kann. Mit der flächendeckenden Verbreitung des Smartphones hat sich das radikal verändert. Alle sind, zumindest abseits von Funklöchern, immer und überall ansprechbar.

In Deutschland brachte Bora Dagtekin den Stoff ins Kino

Seither wachsen Zweifel daran, dass das in jedem Fall ein Fortschritt oder gar ein Segen sei. Der italienische Autor Paolo Genovese hat in die vielen Turbulenzen zwar ganz beiläufig auch einen Toten untergebracht, dennoch ist sein Stück "Das perfekte Geheimnis" kein Krimi. Es ist eher eine Gesellschaftskomödie über menschliche Kommunikation und ihre Krise im Mobilnetz. Offenbar hat er damit den Nerv aktueller Gesellschaften getroffen, denn man zählt inzwischen international 17 Verfilmungen dieses Stoffs.

Für die deutschen Kinos hievte Bora Dagtekin ihn 2019 mit großem Erfolg über die Alpen. Das Tourneeunternehmen a.gon, das seit drei Jahren auch ein eigenes "Hoftheater" im Sendlinger Stemmerhof betreibt, schickte die Bühnenfassung durch die Republik.

Jetzt macht die Produktion in einer Münchner Fassung Station in der Komödie im Bayerischen Hof: Die vier Damen- und vier Herrenrollen sind neu besetzt und die Inszenierung von Johannes Pfeifer blieb. Der Südtiroler verlegt die Handlung nicht in den deutschsprachigen Raum, sondern behält eine elegante Wohnung in Rom als Schauplatz bei, wovon auch das schicke Terrakotta-Rot im Bühnenbild von Steven Koop zeugt.

Das Stück ist ein Fest für Schauspieler

Die Clique, die sich bei der Psychotherapeutin Eva (Saskia Valencia) und dem Schönheitschirurgen Rocco (Ralf Komorr) zum Abendessen trifft, ist ein bunter Haufen: Carlotta (Lara Joy Körner) ist heute Hausfrau und Mutter, arbeitete früher aber bei dem Energiekonzern, bei dem ihr Mann Lele (Sebastian Goder) weiterhin angestellt ist. Die Tierärztin Bianca (Daniela Voss) ist mit dem Taxi-Unternehmer Cosimo (Pascal Breuer) verheiratet und bebrütet ihren Kinderwunsch.

Nur Peppe (Gerhard Wittmann) ist solo angekommen, obwohl alle seine neue Freundin kennenlernen wollten. Die aber entschuldigte sich wegen Krankheit und erweist sich als eines der überraschendsten Geheimnisse, die bei einem Gesellschaftsspiel gelüftet werden. Jeder legt sein Handy, die "Blackbox unseres Lebens", auf den Tisch und alle Anrufe und Nachrichten werden zum Partyspaß, bei dem man über beste Freunde vielleicht noch Neues erfährt.


Es geht furchtlos an  Eingemachte 

So konstruiert diese Situation erscheint, so ergiebig ist sie für das Boulevardtheater. Die genretypischen Ehebrüche und Schwiegermütter multiplizieren sich und können genüsslich enthüllt werden. Genovese geht trotzdem mit einem gewissen Raffinement vor und furchtlos ans Eingemachte.

Sogar Kritik an zeitgenössischer Homophobie hat er sehr feinfühlig eingefädelt. Oder während eines Telefonats zwischen Rocco und seiner schwerst pubertierenden Tochter Sofia (Lena Mall) dürfte angesichts dieses Musterfalls anrührender elterlicher Empathie mancher Vater im Saal kurzzeitig einen Kloß im Hals haben.

Diese Sause unter Freunden mit weiträumigem Konfliktpotenzial ist auch ein Fest für die Schauspielerinnen und Schauspieler, die hier mit fast italienischen Temperament zum mitfeiern einladen. Und das Finale bleibt nicht ohne einen klugen Gedanken: Vielleicht sind wir "zu zerbrechlich", um alle Geheimnisse zu ertragen.

Komödie im Bayerischen Hof, bis 19. Mai, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 292810

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.