Daniela Schadt: Sie übt Macht über den ersten Mann im Staate aus - WELT
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Sie übt Macht über den ersten Mann im Staate aus

Bundespresseball 2012 Bundespresseball 2012
Daniela Schadt während des Bundespresseballs. Wenn sie Joachim Gauck aufziehen will, spricht sie ihn mit gestelzter Stimme und „Herr Bundespräsident“ an
Quelle: Getty Images
Die Lebensgefährtin von Bundespräsident Joachim Gauck pflegt das Understatement, doch ihr Einfluss ist groß: Als seine wichtigste Beraterin und Kritikerin erdet Daniela Schadt das Staatsoberhaupt.

„Mein Arbeitsplatz, mein Kampfplatz für den Frieden.“ Auf diesen Spruch fällt Daniela Schadts Blick, sobald sie ihr Büro betritt. Ein Schwarz-Weiß-Foto erinnert an Tristesse in der Spätzeit der DDR. An der Front einer heruntergekommenen Fabrik prangt jene schräge Kampfparole des Arbeiter-und-Bauern-Staates.

Es ist ein Bruch, dieses Bild im klassizistischen Schloss Bellevue, zwischen zwei Fenstern mit dem Blick in den Park, wo das Stabsmusikkorps regelmäßig aufspielt. Noch weniger passt das Bild zu den Gemälden des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff und dem warmen Licht in Daniela Schadts Arbeitszimmer.

Wohl genau deshalb hat die Lebensgefährtin des Bundespräsidenten dieses gerahmte Foto aufgehängt. Was einheitlich daherkommt, macht Schadt misstrauisch. Debatten liegen ihr mehr als staatstragendes Pathos. Sie fragt lieber, als vermeintliche Wahrheiten zu formulieren.

Und wenn Daniela Schadt über die platte Formel vom Arbeitsplatz als „Kampfplatz für den Frieden“ lacht, dann amüsiert sie sich auch ein wenig darüber, dass dieses Foto nun dort hängt, wo es hängt.

Vom Amt will sie sich nicht verbiegen lassen

Vor knapp einem Jahr, mit Joachim Gaucks Wahl zum Staatsoberhaupt, gab Daniela Schadt ihren Beruf als Ressortleiterin Innenpolitik bei der „Nürnberger Zeitung“ auf. Viel, fast alles in ihrem Leben hat sich seither geändert, seit sie nicht mehr redigieren, sondern repräsentieren muss.

„Die wunderbaren Diskussionen in der Redaktion der ‚Nürnberger Zeitung‘ fehlen mir“, sagt Schadt der „Welt am Sonntag“. Ihre „ganz wunderbaren Kollegen“ vermisse sie. „Manchmal flogen bei politischen Diskussionen die Fetzen. Das war manchmal so kreativ, so lustig, auch absurd und komisch, dass man diese Debatten als Film bei YouTube hätte einstellen können“, sagt sie.

Viele Jahre beschrieb und kommentierte Schadt Politik vom Schreibtisch aus, nun empfängt sie an der Seite ihres Partners Staatsgäste. „Angekommen“ sei Schadt in ihrer neuen Funktion noch nicht, sofern man dieses „Ankommen“ versteht als Identifikation mit einer neuen Aufgabe.

Womöglich wird sie niemals „ankommen“. Sie will vermeiden, dass das Amt sie verändert, bedrängt und beschränkt.

Den Begriff „First Lady“ lehnt sie ab

Auf eine eigene formale, politische Rolle in der Öffentlichkeit verzichtet Schadt. „Er hat das Mandat, nicht ich“, sagt sie über ihren Lebensgefährten Joachim Gauck. Es ist eine knappe Botschaft mit Konsequenzen. Ohne gewählt zu sein, politisch zu wirken verbietet sich Daniela Schadt. Den Begriff „First Lady“ lehnt sie ab. Öffentliche Auftritte dosiert sie, anders als ihre Vorgängerin Bettina Wulff.

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Nur zwei Interviews sind bisher von ihr erschienen, eines davon bei den alten Kollegen der „Nürnberger Zeitung“. Bei den Schirmherrschaften konzentriert sich Schadt ganz traditionell auf Müttergenesungswerk, Unicef und die Kinder- und Jugendstiftung. Anders als Bettina Wulff bildet Schadt für die Deutschen keine Projektionsfläche. Anders als einst Bettina Wulff symbolisiert – und inszeniert – sie keine Modernität.

Bescheiden zeigt sich Daniela Schadt, Understatement schwingt da mit. Das muss aber nichts heißen. Einflussreich nämlich ist die vielleicht politischste Partnerin eines Bundespräsidenten sehr wohl.

Jedes Paar im Schloss Bellevue muss ein politisches Team sein; Professionalität wird jeder Partnerin eines Präsidenten abverlangt. Schadt aber bietet mehr, sie kennt die Mechanismen der Politik mindestens so gut wie Gauck. Sie interessiert sich. Sie kann sich erregen. Sie erdet den Prediger Gauck, der zuweilen in hohen Sphären schwebt. Sie ist seine wichtigste Gesprächspartnerin. Sie ist eine Instanz. Still übt sie Macht über den ersten Mann im Staate aus.

Der Präsident ist kein einfacher Partner

Schadt und Gauck diskutieren viel, mitunter soll es dabei ziemlich kontrovers zugehen. Man kann sich das gut vorstellen. Es erfordert allerlei Kraft, neben Gauck zu bestehen und nicht zu verkümmern. Gauck ist ein raumgreifender Mann – das galt bereits für die Zeit, bevor er Staatsoberhaupt wurde. Er zog und zieht positive Gefühle in der Öffentlichkeit auf sich, das ist nicht einfach für eine Partnerin.

Wäre Daniela Schadt keine Persönlichkeit, wäre sie längst nur noch Statistin. Ihre energische Eleganz aber gewährt ihr Augenhöhe, Autorität. Szenen, Gesten und knappe Bemerkungen symbolisieren die Macht der „First Freundin“.

Ist Schadt der Ansicht, Gauck solle am späten Abend ein ausuferndes Gespräch beenden, dann streicht sie ihm zärtlich über den Rücken. Das ist der dringende Rat zum Aufbruch.

Sinniert Gauck ausgiebig über sein Rollenverständnis und äußert er seine Erwartung, er werde sich wohl nicht mehr komplett ändern, ruft Schadt schon einmal: „Du bist ja auch nicht mehr 25!“ Gauck lacht dann – er mag die Spitzen und die Ironie seiner Partnerin.

Vor der Queen hat sie „größte Achtung“

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Ihre Eigenständigkeit hat sie sich bewahrt. Zieht das Paar mit großem Tross über Empfänge, stürzen sich alle zunächst auf Gauck. Der spricht mit diesem und jenem, und während Gauck davoneilt, bleibt Schadt oft stehen. In Ruhe unterhält sie sich weiter. Zuweilen beendet Gauck seinen Small Talk und kehrt zum Ausgangsort zurück. Hier steht, beileibe nicht im Schatten ihres Partners: Daniela Schadt.

Spricht Gauck von ihr, sagt er: „meine Frau“. Spricht Schadt von Gauck, sagt sie: „Joachim Gauck“. Will Schadt ihn aufziehen, so stelzt sie ihre Stimme und noch mehr ihre Sprache, und redet ihn als „Herrn Bundespräsidenten“ an. Diese Ironie gefällt Gauck. Sie ist ein Mittel, die zuweilen devoten Begrüßungen und Gespräche, die er mehr erleidet als erlebt, zu ertragen.

Das Diplomaten-Deutsch mit seinen Floskeln und Formeln ist Schadt fremd. Zwar weiß sie um Erfordernisse des Protokolls, und doch verweigert sie sich ihm zuweilen. Mancher traut ihr gar zu, das Protokoll regelrecht auszutricksen.

Als Schadt nach London reiste, wetteten einige bei der „Nürnberger Zeitung“, den Knicks am Hofe werde die frühere Kollegin wohl verweigern. Weit gefehlt. „Den Knicks vor dem Besuch bei Elizabeth II. habe ich zwar nicht eingeübt, aber natürlich gemacht“, sagt Schadt: „Vor der Queen habe ich größte Achtung. Sie ist eine bewundernswerte Frau mit einem eindrücklichen Leben und sagenhaften Fähigkeiten. Wussten Sie, dass sie sogar Zündkerzen wechseln kann?“

Glamour und Geld treiben Schadt nicht an

Nicht bei jedem Schritt überlege sie, „welches Gesicht ich nun aufsetze und wie ich wohl aussehe“, sagt Schadt. Jede Überhöhung der eigenen Funktion ist ihr fremd. Schadt erdet nicht nur andere, sondern auch sich selbst. „Natürlich bin ich vor bestimmten Terminen manchmal nervös und angespannt“, sagt sie, „wie vermutlich jeder, der im Berufsleben steht.“

Gewiss, so recht passt dieser Vergleich nicht. Daniela Schadt hat andere Aufgaben und erfährt eine andere Aufmerksamkeit als Otto Normalarbeitnehmer. Sie weiß das, und doch will sie sich eine gewisse Normalität erhalten. U-Bahn-Fahrten gehören zu diesem Programm. Bettina Wulff hingegen hatte geklagt, in der Dahlemer Dienstvilla eingemauert zu sein. Schadt käme solch eine Beschwerde nicht in den Sinn.

Ihre eher unauffällige Erscheinung und die Tatsache, in der Öffentlichkeit längst nicht immer erkannt zu werden, macht vieles einfacher. Wenn die Temperaturen es wieder erlauben, will sie, wie einst in Nürnberg, mit dem Rad durch Berlin fahren.

Glamour ist ihr fremd, und das große Geld treibt sie, die Tochter einer hessischen Unternehmerfamilie, nicht an. „Freunde und Familie sind mir sehr wichtig, da bin ich geradezu anhänglich“, sagt sie.

Der Umzug nach Berlin war eine Zäsur

Schadt ist der Ansicht, dass Menschen Wurzeln haben und benötigen. Sie hält nichts vom totalen Vorrang der Arbeit. Ihren Umzug empfand sie als echte Zäsur.

„Ich habe 26 Jahre lang in Nürnberg gelebt und finde es nicht erstrebenswert, alle paar Jahre seinen Wohnsitz zu wechseln“, sagt Schadt. „Ständige Änderungen des privaten Umfeldes mag ich nicht, in dieser Hinsicht bin ich ein konservativer Mensch. Aber natürlich ist es gut, ab und zu einen Anstoß im Leben zu erhalten, und in Berlin wohnen zu dürfen, das schätze ich sehr.“

Am 18. März jährt sich Gaucks Wahl. Diesen Tag verbringt das Paar gemeinsam – weit weg bei einem offiziellen Besuch in Äthiopien. Früher hätte Daniela Schadt über eine solche Reise vermutlich einen Kommentar verfasst.

Heute hat der Bundespräsident eine Frau an seiner Seite, die gewissermaßen in Echtzeit politisch analysiert, meistens diskret, oft mit einer Portion Humor und Ironie. Damit da noch etwas anderes ist neben Pathos und Diplomatie.

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