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Deutschland Daniela Schadt

Ein Brief trieb der „First Lady“ Tränen in die Augen

Unicef zur Situation syrischer Kindern Unicef zur Situation syrischer Kindern
Schadt engagiert sich als Schirmherrin für das Kinderhilfswerk Unicef
Quelle: dpa
Mit dem Abschied von Joachim Gauck im März endet auch für seine Partnerin die Zeit auf dem diplomatischen Parkett. Wie geht es für Daniela Schadt weiter? Sie will in ihren alten Beruf zurück.

Im März 2017 ist die Amtszeit von Bundespräsident Joachim Gauck vorbei – und damit auch die Zeit seiner Partnerin Daniela Schadt als First Lady. Wie blickt sie auf die Jahre im Schloss Bellevue zurück – und was kommt danach? Ein Gespräch über Syrien, Aggressionen in unserer Gesellschaft und alte Smartphones.

Frage: Der Terroranschlag an der Berliner Gedächtniskirche hat viele erschüttert. Was bedeutet er für Deutschland, das Land der Willkommenskultur?

Daniela Schadt: Wir trauern um die Toten dieses grausamen Anschlags und wir sorgen uns um die vielen – teilweise sehr schwer – verletzten Menschen. Dieses schlimme Attentat ist ein Schock für uns alle. Und wie andere zuvor richtet er sich auch gegen uns alle, denn vor allem richtet er sich gegen unsere Art, frei und friedlich und miteinander zu leben.

Darauf haben viele Menschen in Deutschland in den letzten Tagen mit einer Art positiver Trotzreaktion geantwortet: mit Solidarität, mit Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft. Ihre Stimmen sind stärker als die der angstgeschürten Ressentiments. Dass wir zusammenhalten und uns nicht zu sehr schrecken lassen, das ist eine gute und richtige Reaktion.

Lorry Truck Drives Through Christmas Market In Berlin
Schadt und Gauck bei der Andacht für die Opfer des Anschlags auf dem Berliner Weihnachtsmarkt
Quelle: Getty Images/Getty Images Europe

Frage: Eine Tragödie außerhalb Deutschlands treibt gerade viele um: Syrien. Mit welchen Gedanken schauen Sie als deutsche Unicef-Schirmherrin die Nachrichten?

Schadt: Es ist eine wirklich unermessliche Tragödie. Was die Menschen aus Ostaleppo durchmachen ist so furchtbar, es bringt einen um den Schlaf. Insofern kann ich sogar nachvollziehen, dass Menschen sich zurückziehen, weil sie sagen, ich kann sie kaum ertragen, diese Nachrichten von all dem Unglück. Ich habe als Journalistin ja selbst jahrelang Nachrichten betreut und bin schon deshalb einiges gewohnt – aber selbst mir fällt es manchmal schwer, die Bilder und Berichte auszuhalten.

Frage: Was kann ich als Einzelner tun?

Schadt: Jeder Einzelne kann helfen – zum Beispiel, indem er Unicef unterstützt. Und das sage ich nicht nur, weil ich Unicef-Schirmherrin bin. Deren Arbeit ist unglaublich wichtig und reicht von der Versorgung mit Medikamenten, Winterkleidung, warmen Decken und Nahrungsmitteln bis zu Unterrichtsmaterialien für Kinder. Diese Hilfe kann Leben retten – in Syrien und vielen anderen Regionen der Welt. Sich nicht zurückzulehnen und zu resignieren, das zumindest sind wir den Menschen in Syrien schuldig.

Frage: Also lieber für Syrien spenden als Geld für Silvesterböller ausgeben?

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Schadt: Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Frage: Wie würden Sie in Anlehnung an Angela Merkels berühmten Satz zu den vielen Flüchtlingen in Deutschland die Frage beantworten: Schaffen wir das?

Schadt: Ich habe den Satz immer als Ermutigung verstanden, nie so, als sei das mit links zu schaffen. Vor uns liegt eine große Herausforderung, die wir aber bewältigen können, denn wir haben in der Bundesrepublik schon vieles geschafft.

Frage: Also „Ja“?

Schadt: Das glaube ich, ja. Es ist aber kein Selbstläufer, sondern eine große Aufgabe.

Frage: Bei einem Besuch des Bundespräsidenten im sächsischen Sebnitz im Sommer war die Stimmung geladen, einige Leute haben „Volksverräter“ gerufen. Was sagen Sie dazu?

Schadt: Schön war das zwar nicht. Akut gefährdet gefühlt haben wir uns aber auch nicht. Was mir eher Sorge macht, ist, dass es offenbar einen neuen Grad von Aggressivität gibt, die sich – befördert durch das Internet – weiter selbst verstärkt.

„Gruppen dürfen nicht pauschal verdächtigt werden“

In seiner letzten Weihnachtsansprache spricht sich Bundespräsident Joachim Gauck gegen pauschale Verurteilungen von Gruppen aus. Eine Debatte über die Flüchtlings- und Sicherheitspolitik sei nach dem Anschlag in Berlin jedoch notwendig.

Quelle: Die Welt

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Frage: Ist in unserer Gesellschaft zu viel Galle?

Schadt: Jedenfalls muss man den Eindruck gewinnen, dass Hemmschwellen sinken, dass etliche Menschen im Schutz der Anonymität ungehemmt andere beschimpfen, ihrer Wut auf alles Mögliche freien Lauf lassen, völlig egal, was sie damit anrichten. Der digitale Zorn richtet sich ja nicht nur gegen Politiker – Mobbing gibt es in allen Bereichen. Jemand kommt morgens aus der Dusche, schreibt eine Hassmail und fühlt sich dann angeblich besser. Das ist mir fremd und ich akzeptiere es auch nicht.

Frage: Lesen Sie Kommentarspalten im Internet?

Schadt: Ich mache das ab und zu, aber nicht oft. Nach einer halben Stunde stößt es einen nur noch ab.

Frage: Vor fünf Jahren sind Sie als Journalistin First Lady geworden, sind Sie auch Diplomatin geworden?

Daniela Schadt: Ich weiß nicht, ob ich diplomatischer geworden bin. Aber ich habe gelernt, noch besser und noch intensiver zuzuhören, weil ich nicht schon auf die nächste Frage oder die nächste Antwort hinarbeiten muss wie als Journalistin. Ich muss keinen Artikel über das schreiben, was man mir erzählt, sondern kann mich voll und ganz auf mein Gegenüber einlassen.

Frage: Man sieht Sie nie mit einem Smartphone.

Schadt: Ich habe keines. Mein altes Handy funktioniert noch. Das heißt nicht, dass ich mir nie ein Smartphone kaufen werde. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht abhängig von diesen nützlichen, aber auch sehr vereinnahmenden Dingern werde.

Bundespresseball 2016
Schadt und Gauck tanzen beim Bundespresseball im November 2016
Quelle: Getty Images/Getty Images Europe

Frage: Welchen Einfluss haben Sie auf den Bundespräsidenten?

Schadt: Das wird allgemein überschätzt. Wir sind beide politische Menschen. Wir begegnen beide vielen anderen Menschen und ihren Ideen, Organisationen, Projekten. Darüber unterhalten wir uns – wie man das in einer Partnerschaft so macht. Und wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, überzeugt manchmal er mich, manchmal überzeuge ich ihn und manchmal bleibt eben jeder bei seinem Standpunkt.

Frage: Er macht also, was er will?

Schadt: Ja, natürlich – Joachim Gauck macht, was er letztlich für richtig befindet, und ich halte es genauso. Ein Bundespräsident holt sich keine Handlungsanweisungen zu Hause ab, und die Partnerin des Bundespräsidenten tut das auch nicht.

Ein Bundespräsident holt sich keine Handlungsanweisungen zu Hause ab.
Daniela Schadt

Frage: Was haben Sie in Ihrer Zeit in Schloss Bellevue über Deutschland gelernt?

Schadt: Es hört sich jetzt so weihnachtlich an, aber es stimmt: dass es in Deutschland unglaublich viele Menschen gibt, die Verantwortung für andere übernehmen und sich für etwas zuständig fühlen – sei es für den Erhalt der Stadtbücherei, für Flüchtlingshilfe oder für die Betreuung von Sportlern und ihren Angehörigen bei den Special Olympics.

Frage: Gibt es Momente, die Sie besonders im Gedächtnis haben?

Schadt: Ich habe in Schwabach ein Frauenhaus besucht. Da traf ich eine junge Frau aus dem Nahen Osten, die völlig verzweifelt war und sagte, ihr Leben sei kaputt, sie habe keine Perspektive. Kurz vor Weihnachten erhielt ich nun einen Brief von ihr und mir schossen die Tränen in die Augen. Sie schrieb: „Das Leben ist schön.“ Denn sie hat inzwischen Fahrrad fahren gelernt, einen Deutschkurs gemacht und neues Selbstvertrauen gefunden. Das sind die Begegnungen und Erfahrungen, die wie ein Mittel gegen Mutlosigkeit und Resignation wirken.

Frage: Was machen Sie nächstes Jahr?

Schadt: Da zitiere ich einen großen deutschen Philosophen, Franz Beckenbauer: Schau’n wir mal. Ich werde auf alle Fälle wieder in die Berufswelt zurückkehren. Ich werde mich einbringen, wo es möglich ist. Als Journalistin hätte ich aber zumindest in der ersten Zeit die gleichen Probleme wie jetzt: Man hielte mich für ein bisschen befangen.

Bundespräsident Joachim Gauck und Daniela Schadt
Beim Besuch von Queen Elizabeth II. und Prinz Philip im Juni 2015
Quelle: pa/dpa

Frage: Worauf freuen Sie sich?

Schadt: Ich freue mich auf etwas weniger Öffentlichkeit. Und ich bin neugierig darauf, was passieren wird. Schauen Sie: Vor annähernd fünf Jahren kam etwas ganz Neues. Ich wusste überhaupt nicht, wie das aussehen und sich gestalten würde. Da habe ich mehr Flexibilität gelernt. Jetzt kommt eben wieder etwas Neues.

Frage: Bleiben Sie in Berlin?

Schadt: Ja. Und das freut mich.

Zur Person: Daniela Schadt (56) kommt aus dem hessischen Hanau und studierte in Frankfurt/Main Germanistik, Politik und französische Literatur. Sie hat Jahrzehnte als Journalistin gearbeitet, zuletzt war sie Ressortleiterin Innenpolitik bei der „Nürnberger Zeitung“. Mit Joachim Gauck lebt sie seit 2000 zusammen.

dpa/df

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