Kritik zu Cyst: Eklige FSK-18-Eiterschwälle - FILMSTARTS.de
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    Cyst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Cyst

    Eklige FSK-18-Eiterschwälle

    Von Lutz Granert

    Nachdem sie sich bei den Dreharbeiten von „Trolls World – Voll vertrollt!“ kennengelernt haben, besuchte der US-Filmemacher Tyler Russell wenig später die Trash-Ikone George Hardy („Troll 2“) in seiner Heimatstadt im US-Bundesstaat Alabama. Dabei traute Russell seinen Augen kaum: Hardy arbeitet neben den Auftritten vor der Kamera als Zahnarzt in seiner eigenen Praxis. Als ihn der Schauspieler mit breitem Grinsen und im schwarzen Kittel begrüßte, dachte der Regisseur sofort an die klassische Horrorfilmfigur des Verrückten Wissenschaftlers – und die Idee für eine augenzwinkernde B-Movie-Hommage war geboren.

    Zusammen mit Andy Silverman verfasste Tyler Russell anschließend schnell ein Skript und übernahm selbst die Regie von „Cyst“. Das Ergebnis ist eine mit erfrischend altmodischen Effekten aufwartenden FSK-18-Horrorkomödie, die in überschaubar Laufzeit von rund 70 Minuten (inklusive Abspann mit Outtakes) sehr kurzweilige Genre-Unterhaltung bietet. Denn was der eher überraschungsfreie Plot so an Schwächen hat, macht die visuelle Seite locker wett – vor allem die ordentlich geschmacklosen Eiterschwälle...

    George Hardy ist als verrückter Wissenschaftler voll in seinem Element.

    Dezember 1961: Der plastische Chirurg Dr. Guy (George Hardy) hat eine klobige Maschine namens „Wegmacher“ entwickelt, welcher es gelingen soll, eitrige Geschwüre von Patienten ohne Rückstände und mit Schutz des umliegenden Gewebes komplett abzusaugen. Seine kündigungswillige Krankenschwester Patricia (Eva Habermann) hat jedoch am eigenen Leib schon schmerzlich erfahren, dass dem Apparat noch das Feingefühl fehlt.

    Um einem Komitee des Patentamtes seine Erfindung vorzuführen, injiziert Dr. Guy seinem Praktikanten Preston (Darren Ewing) eine selbstentwickelte Nährlösung zum Wachstum von eitrigen Geschwulsten. Doch der Versuch misslingt, Preston stirbt qualvoll und aus dem Serum erwächst ein riesiges Zysten-Monster, welches nach Menschenfleisch giert...

    Eva Habermann lotet Grenzen aus

    Nach ihrem internationalen Durchbruch mit der kultigen Science-Fiction-Serie „Lexx – The Dark Zone“ im Jahr 1996 wirkte Eva Habermann in zahllosen TV-Filmen und -Serienformaten mit, bevor sie wieder zu ihrer eigentlichen Passion, Trash- und Genre-Produktionen, zurückkehrte. Dabei kennt sie keine Tabus und schreckt auch vor Widerlichkeiten nicht zurück, wenn es denn die Rolle erfordert. Als von einem Troll besessene Vanessa Mayer verspeiste sie etwa in „Trolls World – Voll vertrollt!“ genüsslich einen Blumenstrauß aus der umgekippten Bio-Tonne.

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    Auch beim Dreh zu „Cyst“ war sie hart im Nehmen, schließlich regnet in den ersten Filmminuten zwei Mal ein riesiger Eiterschwall aus den ausgequetschten Geschwülsten der Patienten auf sie nieder. Gerade wegen der cremigen Konsistenz und der milchigen Farbe der Flüssigkeit, die an ihrer Stirn kleben bleibt und entsprechend auch deutliche Assoziationen zu cumshots wecken sollen, werden dabei provokativ die (Kotz-)Grenzen des guten Geschmacks ausgelotet.

    "Cyst" liefert wunderbare Ekel-Bilder.

    Co-Produzentin Eva Habermann und Regisseur Tyler Russell zitieren aber größtenteils natürlich nicht Pornos. „Cyst“ ist vor allem eine Hommage an die Roger-Corman-Trashproduktionen der 60er- („The Terror“) und die Troma-Produktionen der 70er Jahre („The Toxic Avenger“). Lassen die an Lagerräume erinnernden, nur spärlich dekorierten Sets wegen sichtbar schmalen Budgets echtes Zeitkolorit weitgehend vermissen (besonders lieblos: die schmucklose Klinkerfassade der Arztpraxis), so überzeugen die handgemachten Effekte abseits jeglicher Unterstützung aus dem Computer umso mehr.

    Das blutig-schleimige Make-Up, die Prothesen und animatronischen Effekte sind von explodierenden Köpfen bis hin zu kriechenden Geschwüren gelungen. Das farbenfrohe Design des Gummianzugs des einäugigen Zystenmonsters, welches entfernt an die Mutanten aus „Das Grauen aus der Tiefe“ erinnert, versprüht fast schon rührenden Retro-Charme. Der regt sich eher zum Schmunzeln als zum Gruseln an, doch das ist bei „Cyst“ Programm. Richtig Horror soll sich hier nur durch Ekel einstellen. So ist auch der durchschaubare Plot etwas schleppend erzählt und bietet nicht mehr als ein ein stringentes Abmurksen aller Beteiligten, bis am Ende das offensichtliche Final Girl für den finalen Überlebenskampf übrig bleibt.

    Verweise auf Horror-Kunst und „The Room“

    Zur augenzwinkernden Diktion von „Cyst“ und seinem ehrlichen Bekenntnis zum Trash passt auch die weitere Besetzung: Neben George Hardy als Dr. Guy ist so auch Greg Sestero, Hauptdarsteller der legendären Filmgurke „The Room“, in einer kleinen, blassen Rolle als Cord tragender Patentprüfer Bill zu sehen. Und auch die überraschend vielfältige Musik zitiert Genre-Größen und weckt bisweilen an „Freitag, der 13.“ oder „Re-Animator“. Vor allem liefert aber der streicherlastige Score von Sam Lipman, der bereits für „Texas Cotton“ mit Tyler Russell zusammenarbeitete, einen schönen Kontrast zu den Bildern. Die mal betont schwermütig-seriösen, mal pulsierend-unheilvollen Klänge sorgen für eine stimmungsvolle Atmosphäre, die sich ganz wunderbar mit dem albernen Szenario beißen.

    Fazit: Mit Kunst-Eiter wird hier nicht gekleckert, sondern geklotzt: Die in Deutschland erst ab 18 Jahren freigegebene, simpel gestrickte Horror-Trash-Komödie „Cyst“ verbeugt sich mit altmodischen Effekten vor den B-Movies der 60er und 70er Jahre.

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