Paris: Champs-Élysées – Warum dieser Boulevard der beste der Welt ist - WELT
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Warum dieser Boulevard der beste der Welt ist

Stv. Ressortleiter Meinung
Mächtige Achse, mächtiger Abschluss: Arc de Triomphe Mächtige Achse, mächtiger Abschluss: Arc de Triomphe
Mächtige Achse, mächtiger Abschluss: Arc de Triomphe
Quelle: EAN-SEBASTIEN EVRARD/AFP/Getty Images
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New York hat die Fifth Avenue, Berlin den Kurfürstendamm, aber nur Paris bietet diese Prachtstraße, die in einen Triumphbogen mündet. Was man über den Mythos Champs-Élysées wissen muss und mit welchen Vehikeln Berühmtheiten hier schon unterwegs waren.

Die großen Boulevards der Welt sind schon oft totgesagt worden. Banal und austauschbar seien sie geworden mit den überall gleichen Luxusmarken, den gleichen Textilketten, den gleichen Schnellrestaurants – sei es der Kurfürstendamm in Berlin, die Via Veneto in Rom oder New Yorks Fifth Avenue. Auch die Champs-Élysées, „la plus belle avenue du monde“, wie die Pariser sagen, die schönste Avenue der Welt, blieb von solcher Kritik nicht verschont. Aber die Klage gibt es seit anderthalb Jahrhunderten, wie Roland Pozzo di Borgo in seiner Geschichte des Boulevards schreibt: „Die Champs-Élysées sind immer gerade am Sterben.“

Schon Ende des 19. Jahrhunderts, als die Stadtpalais aus der ersten Bebauungszeit abgerissen und durch Miets- und Geschäftshäuser ersetzt wurden, hieß es, die Avenue verliere ihre Seele. Als in den 1930er-Jahren die Kinos das Straßenbild veränderten, sahen manche das Ende der Eleganz gekommen. Als die Prêt-à-porter-Kollektionen die Haute Couture verdrängten und Brasserien die Gourmet-Restaurants ersetzten, glaubten viele, jetzt sei es vorbei mit dem Luxus.

Als in den 1980er-Jahren Kriminalität und Bettelei zunahmen, wurde vom Abstieg der Prachtstraße gesprochen. Auch die Umbaupläne im Zuge der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris sind umstritten. Manche fürchten, durch das Zurückdrängen der Autos zugunsten eines klimagerechten, grünen Boulevards werde dieser seinen großstädtischen Charakter verlieren.

Doch wie immer sich die Champs-Élysées künftig entwickeln – die Avenue verfügt über zwei Trümpfe, die ihr niemand nehmen kann. Der eine ist ihre unverwechselbare städtebauliche Figur. Die Straße beginnt an der Place de la Concorde, durchquert einen Park und führt dann sanft ansteigend hinauf zum krönenden Abschluss: dem Triumphbogen. Der andere Trumpf ist das historische Defilée der großen Namen, die hier seit Jahrhunderten vorbeiziehen. Keine andere Prachtmeile hat so viel Geschichte gesehen.

Die ersten schnurgeraden Alleen in Europa entstanden, lange bevor Ludwig XIV. die Anlage der Champs-Élysées befahl. Als älteste ihrer Art gilt die zentrale Allee im Parco delle Cascine in Florenz, die 1563 unter den Medici angelegt wurde. Auch Berlins Allee Unter den Linden ist älter als die Champs-Élysées: Der Große Kurfürst ließ sie 1647 anlegen, zwanzig Jahre vor der königlichen Achse in Paris. Doch diese übertraf schon bald alle anderen Prachtstraßen Europas. Mit dem Triumphbogen erhielt sie nicht nur einen einzigartigen Point de vue, der schon vom Beginn der Straße an der Place de la Concorde zu sehen ist. Um das Monument herum entstanden weitere elf Straßen, die sternförmig auf den Triumphbogen zulaufen – eine weltweit einmalige Komposition.

Aus der Luft: Pariser Achsen, die sternförmig zum Arc de Triomphe führen: Die Avenue des Champs Élysées ist rund zwei Kilometer lang
Aus der Luft: Pariser Achsen, die sternförmig zum Arc de Triomphe führen: Die Avenue des Champs Élysées ist rund zwei Kilometer lang
Quelle: THOMAS SAMSON/AFP/Getty Images

Einige Städte in Europa haben ähnliche Achsen, aber keine davon reicht an das Pariser Vorbild heran. Münchens Maximilianstraße, die am Max-Joseph-Platz vor der Staatsoper beginnt und im Maximilianeum gipfelt, fehlt es an städtischem Leben. Lissabons Avenida da Liberdade, noch am ehesten vergleichbar, ist zu breit. Und beide Prachtstraßen haben nicht annähernd so viel erlebt wie das Pariser Vorbild.

Auf den Champs-Élysées hat sich nicht nur französische Geschichte zugetragen, sondern Weltgeschichte. Angefangen mit den Ausflügen der gehobenen Gesellschaft unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV., deren Nachkommen während der Französischen Revolution an gleicher Stelle guillotiniert wurden. Auf der Avenue wurden Napoleon und seine Truppen bejubelt und seine sterblichen Überreste zum Invalidendom überführt. Hier feierte der Kölner Jacques Offenbach große Triumphe mit seinen Operetten, hier verliebte sich der junge Marcel Proust, hier wurde im Luxus-Hotel Élysée Palace die Spionin Mata Hari verhaftet.

Ein Boulevard mit Geschichte

Deutsche Truppen zogen dreimal als Sieger über die Prachtstraße: 1814 die Preußen, 1871 die vereinten deutschen Armeen, 1940 die Wehrmacht. Nach der Einnahme von Paris fuhr Adolf Hitler frühmorgens im offenen Wagen die Champs-Élysées hinauf, am Ende des Zweiten Weltkriegs schritten General de Gaulle und Winston Churchill die Straße hinunter. Die ersten Deutschen, die nach der Nazi-Barbarei auf der Avenue gefeiert wurden, waren die Kessler-Zwillinge im Lido und der Schauspieler Curd Jürgens, der auf den Champs-Élysées eine Wohnung besaß.

Gekrönte Häupter, Staatenlenker, Weltstars – kaum jemand, der sich bei seinem Paris-Besuch nicht auf den Champs-Élysées zeigte: Charlie Chaplin, Königin Elisabeth II., John F. Kennedy, die Beatles und Papst Johannes Paul II., der im Helikopter einschwebte. Alain Prost und Michael Schumacher fuhren mit ihren Formel-1-Boliden über die Prachtstraße. Und die Fußballer der Équipe Tricolore feierten hier zweimal den Gewinn der Weltmeisterschaft.

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Seit die ersten Bäume gepflanzt wurden, haben sich die Champs-Élysées wieder und wieder gewandelt. Sie sind durch Krisen gegangen und doch immer wieder zurückgekommen. Längst gehören sie nicht nur den Parisern oder Frankreich allein. Seit dem Beginn des Massentourismus wurden sie zu einem Abbild der Weltgesellschaft. Zugleich hat sich der Boulevard demokratisiert. Man kann hier Unsummen ausgeben – oder sich einfach nur mit einem Imbiss auf eine Bank setzen.

Die große Zeit der Boulevards mag vorbei sein, aber ihr Mythos lebt. Auch jener der Champs-Élysées, dieser einzigartigen zwei Kilometer, auf denen Paris, wie Claude Maggiori schrieb, vom Triumphbogen hinunter bis zur Place de la Concorde der ganzen Welt „den roten Teppich ausrollt“.

Der Text ist ein Auszug aus dem heute erscheinenden Buch „Die Champs-Élysées. Eine kurze Geschichte des berühmtesten Boulevards der Welt“. Mit zahlreichen farbigen Fotografien. Insel Verlag, 159 Seiten, 16 Euro

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