Close (B/NL/F 2022) : KRITIK : artechock

Close

Belgien/NL/F 2022104 min. � FSK: ab 12
Regie: Lukas Dhont
Drehbuch: ,
Kamera: Frank Van den Eeden
Darsteller: Eden Dambrine, Gustav de Waele, �milie Dequenne, L�a Drucker, Kevin Janssens u.a.
Noch rennen sie davon
(Foto: Pandora)

Fr�her Winter

Lukas Dhonts Coming-of-Age-Film Close zeichnet mit Blumenmeeren und Wetterspielen die Tragik eines ganzen Lebenszyklus auf

�Eins, zwei, drei – Go!� Perlwei�e Bl�ten�k�pfe, dann ein fuch�sia�far�benes Meer, nein ein flie�ender Strom aus sattem Gr�n und bunten Farb�tup�fern. So schnell rennen L�o und R�mi durchs hohe Blumen�feld, dass das Auge kaum noch Details fest�halten kann. Sie sind schnell, schlie߭lich m�ssen sie fl�chten. Flinke, drahtige Beine. Der Bewe�gungs�drang der sp�ten Kindheit, der in aller Schlack�sig�keit erst gar kein Fett ansetzen l�sst. Sie fl�chten aus dem gemein�samen Versteck vor einer imagin�ren Armee, die nur sie beide h�ren k�nnen. Spielen und Fanta�sieren mit dem besten Freund, solange man diese Zeit noch unbe�schwert genie�en kann: Die Kindheit endet meist viel zu schnell.

L�o (Eden Dambrine) und R�mi (Gustav De Waele) sind unzer�trenn�lich. Fast wie Br�der, so entgegnet zumindest L�o, um den bohrenden Fragen seiner neuen Klas�sen�ka�me�ra�dinnen gegen�zu�steuern. �Seid ihr zusammen?�, fragen sie neugierig, kichern aufgeregt. Doch die Jungs lachen nicht.

Close ist ein Coming-of-Age-Film des Newcomers Lukas Dhont, der nach seinem gefei�erten Trans�gender-Deb�t Girl jetzt in Cannes mit dem Gro�en Preis der Jury ausge�zeichnet wurde. Der Belgier erz�hlt von der inten�siven Freund�schaft zweier 13-J�hriger, die unter dem Druck des Peer-Pressures auf drama�ti�sche Weise ausein�an�der�bricht.

�Stell dir vor, du bist ein kleines Entenbaby. Alle Enten sind gelb. Du bist auch gelb. Aber du bist viel sch�ner als die anderen. Du bist etwas Beson�deres.� L�o erz�hlt R�mi eine Gute-Nacht-Geschichte, l�chelt ihn an. Ihre Gesichter nur Zenti�meter vonein�ander entfernt. Man sp�rt sofort die tiefe Verbun�den�heit zwischen den beiden. �Dann triffst du einen Lurch, der sieht zwar etwas eigen�artig aus, aber du magst ihn. Denn wie du hat auch er eine besondere Farbe.� So sieht L�o ihre Freund�schaft. Man ahnt an seinem bewun�dernden Blick, wenn R�mi Klari�nette spielt, dass er ihm alles bedeutet.

Ob sich daraus in Zukunft mehr entwi�ckeln k�nnte, spielt keine Rolle. Denn die beiden Jungs kommen gar nicht erst dazu, das heraus�zu�finden. Die Welt um sie herum kommt ihnen – und der Geschichte von einer innigen Freund�schaft – dazwi�schen.

�Warum guckst du so ange�spannt, hast du deine Tage?� An L�o gehen die Kommen�tare in der Schule nicht spurlos vorbei – pl�tzlich ist alles zu viel. Wenn sie in der Sonne liegen, ist R�mis Kopf auf seinem Bauch zu warm. Die Matratze, auf der sie immer zu zweit geschlafen haben, pl�tzlich viel zu klein. Etwas tut sich in ihm. Wenn er R�mi nun dabei zusieht, wie er Klari�nette spielt, hat sich sein Blick ver�ndert.

Close ist wie sein Titel: unglaub�lich nah und intim. So nah, dass es manchmal wehtut. Man m�chte Weitsicht, zwischen den Figuren vermit�teln – doch das l�sst der Film nicht zu. Man leidet mit den Prot�ago�nisten.

Auch R�mis Mutter Sophie (�milie Dequenne) trifft die Situation, denn L�o ist nicht nur der beste Freund ihres Sohnes, sondern auch �fils de cœur�, so etwas wie ihr Sohn des Herzens. Was ist nur zwischen den Jungs vorge�fallen, das das Leben der beiden Familien so drastisch ver�n�derte? Doch wie auch oft im wirk�li�chen Leben bleibt die Mutter �ber die komplexen Dynamiken zwischen den Teenagern im Dunkeln.

Immer weiter entfernen sie sich vonein�ander, bis sie schlie߭lich sogar die Wegga�be�lung auf dem t�glichen Nach�hau�seweg entzweit – keine �ber�nach�tungs�partys mehr, vorbei das gemein�same Mittag�essen. L�o spielt nun Eishockey, findet Anschluss bei den coolen Jungs. M�nn�li�ches Verkloppen in der Kabine statt Malen im Kinder�zimmer. Auch einen neuen Kumpel zum �ber�nachten hat er gefunden. Kind�li�ches Austau�schen ohne b�se Absichten. Man tauscht schlie߭lich vieles im Prozess des Erwach�sen�wer�dens. R�mi versteht w�hrend�dessen die Welt nicht mehr, warum w�rde sein bester Freund ihm den R�cken kehren? Ein Unwetter braut sich zusammen, �ber den Blumen�fel�dern und in ihrer Freund�schaft.

Das Blumen�feld wird zum st�ndigen Spiegel von R�mis und L�os Beziehung. Kaum werden im sp�ten Sommer die Blumen noch von L�o und seiner Familie gepfl�ckt – schon folgt die Zerst��rung im Herbst. Laut k�mpft sich der H�cksler durch die tiefroten Bl�ten. Ein Symbol f�r die ange�stauten Gef�hle zwischen den beiden Jungen, die nach einer k�rper�li�chen Ausein�an�der�set�zung auf dem Pausenhof im Keim erstickt werden. So vergr�bt auch der Regen die toten Bl�tter im Schlamm. Die traurigen �ber�bleibsel des einst so farben�frohen Bl�ten�meeres. Das Band zwischen L�o und R�mi scheint endg�ltig durch�trennt.

Close ist voll von solchen symbol�tr�ch�tigen Bildern, was nicht zuletzt durch Frank van den Eedens Kamera erm��g�licht wird. Der Lauf der Jahres�zeiten und der viel�sa�gende Wechsel der Farben – von den ges�t�tigten T�nen der Blumen�felder zu den kalten Eisho�ckey�szenen und der verschneiten Winter�land�schaft – ziehen sich wie rote F�den durch den Film. Wie sich die Natur wandelt, so �ndern sich auch die Figuren und ihre Bezie�hungen zuein�ander.

Regisseur Lukas Dhont, so sagt er, wollte einen Film �ber die Sch�nheit einer solch engen Freund�schaft machen und gleich�zeitig zeigen, wie sie einem das Herz brechen kann. Eine Hommage an die Freund�schaften, die ihm entgangen sind, weil auch er als Teenager Angst davor hatte, von seinen Mitsch��lern als �schwul� oder �zu weiblich� bezeichnet zu werden. Ein sensibler Umgang mit der Angst, was passieren k�nnte, wenn man jemandem zu nahe kommt.