Tilt
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Informationen
Allgemeine Angaben
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Label: |
Drag City |
Durchschnittswertung: |
13.5/15 (2 Rezensionen) |
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Besetzung
Scott Walker |
Gesang |
Ian Thomas |
Schlagzeug |
John Giblin |
Bass |
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Brian Gascoigne |
Keyboards |
David Rhodes |
Gitarre |
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Tracklist
Disc 1 |
1. |
Farmer In The City
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6:38
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2. |
The Cockfighter
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6:02
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3. |
Bouncer See Bouncer...
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8:50
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4. |
Manhattan
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6:05
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5. |
Face On Breast
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5:16
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6. |
Bolivia
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7:44
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7. |
Patriot
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8:28
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8. |
Tilt
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5:13
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9. |
Rosary
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2:41
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Gesamtlaufzeit | 56:57 |
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Rezensionen
Meine Guete! Diese CD, die mir als "seltsam" angekuendigt wurde, ist nun aus meinem CD-Player nicht mehr wegzudenken. Scott Walker, der sich angeblich fuer ein anderes Werk des Praedikats "schlecht verkauftestes Virgin-Produkt aller Zeiten" ruehmen kann [gemeint ist sein Album "Climate Of Hunter" (Udo)], erklaert eindrucksvoll, warum. In Stimmungsschwankungen zwischen Choral-verwandter Repetition (Hier traegt dann sein klassisch angehauchter, aber nicht zuende ausgebildeter Bariton in Verbindung mit dem an Kirchen erinnernden Mega-Hall Assoziazionen wie ein Banner vor sich her) und drum-machine-zerhackten Staccato-Fetzen bewegt sich der Altmeister durch die von einem gewissen N.S. Engel [Noel Scott Engel, Walkers wirklicher Name (Udo)] komponierten musikaehnlichen Klanggebilden, an denen so bekannte Instrumentalisten wie David Rhodes, John Giblin oder Louis Jardim mitbasteln. Dabei wirkt Walkers tiefe, volle Stimme in hoeheren Lagen aehnlich verloren wie Mark Hollis zerbrechliches Organ.
Das wirklich faszinierende sind aber die disziplinierte Zurueckhaltung der Instrumentalisten auf der einen und die arrangement-veraetzende Experimentierfreude auf der anderen Seite; daraus entspringt eine Atmosphaere, die Worten nicht mehr zugaenglich ist, das klischeebehaftete Wechselbad der Gefuehle trifft hier voll und ganz zu. Oft laesst uns die Band (?) ein paar Takte als Verschnaufpause in ruhigeren Gefilden, um dann nur umso heftiger loszulegen (bei "The Cockfighter" im Autoradio waere ich anfangs fast in den Graben gefahren...), uns durch eine Uebersteigerung dieser Ruhe nur noch mehr Angst zu machen ("Farmer in the City") oder einfach nur zu verstoeren ("Bouncer See Bouncer"...). Dazu tragen auch die nicht eben zugaenglichen Lyrics bei, die, ganz dem postmodernen Diskurs verhaftet, ueber Celansche Sprachgitter kaum noch hinaustreiben - "Like it or not" heisst die Devise, konsequentere Dekonstruktion erlebt man selten.
Nebenbei sind die Kompositionen auch noch einfallsreich genug (wo man von Kompositionen sprechen kann), um ploetzlich zu verzuecken, wo sie schoen sein sollen, gerade so, als ob aus einem Wolkennachmittag die Sonne herausscheint; um zu desillusionieren, wo wir ein Verharren in solcher Schoenheit erwarten wuerden. Jede Sicherheit, jede Hoergewohnheit, jedes Gefuehl fuer Musikstruktur und -onthologie wird verlacht, zerschmettert, rechts ueberholt oder links liegengelassen. Wunderbar, ist es nicht?
Fazit: Ein Werk fuer Pioniere, Abenteuerer, total Bekloppte, vollkommen Zivilisationskranke, Musikgelangweilte und Tag(alp)traeumer. Ich liebe es.
Anspieltipp(s): |
The Cockfighter, Bouncer See Bouncer... aber die CD ist so vielfaeltig, dass man sie eigentlich ganz hoeren sollte! |
Vergleichbar mit: |
Choraele, Nine Inch Nails, Tindersticks, (natuerlich) irgendwas Frippiges |
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Veröffentlicht am: |
9.6.2002 |
Letzte Änderung: |
9.6.2002 |
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Starker Tobak! Hier gilt das, was ich schon zu The Drift schrieb: mit dem üblichen Verständnis von Progressive Rock hat diese Musik nichts zu tun, dafür klingt sie progressiver als vieles andere, was unter diesem Etikett angeboten wird. Während viele andere Musiker der Prog-Szene in den 90ern voll auf der Retro-Schiene fuhren, hat Scott Walker (der sich der Prog-Szene wahrscheinlich gar nicht zugehörig fühlt) hier seinen ganz eigenen düsteren Klangkosmos geschaffen, der mehr an moderner Klassik und avantgardistischen Klangexperimenten denn an Rock- oder Popmusik angelehnt ist.
Zurückhaltung schien bei den Aufnahmen oberstes Gebot gewesen zu sein, so karg und spärlich sind die Arrangements meist. Manchmal scheint es, als werde hier die Stille als eigenes Instrument betrachtet. Aber auch vor heftigen, dissonanten Ausbrüchen scheut man hier nicht zurück. Und wenn bei Patriot plötzlich die Streicher in bester Walker-Brothers-Manier zu schwelgen beginnen, dauert es nicht lange, bis die Musik unvermittelt abbricht und Scott Walker zu einsamen Klängen einer Piccoloflöte von der Luzerner Zeitung erzählt. Überhaupt, die Texte: Satzfetzen, genau so sporadisch hingeworfen wie die Musik. Konsequenter Minimalismus.
Schade, dass Scott Walker so wenig Resonanz in der Prog-Szene findet (und dass es jedes mal über 10 Jahre bis zum nächsten Album dauert). Ist seine Musik womöglich zu progressiv, um Anklang beim typischen Prog-Hörer zu finden? Wer ein Faible für zeitgenössische Klassik hat, sollte jedenfalls Tilt, ebenso wie dem Nachfolger The Drift ein Ohr gönnen!
Anspieltipp(s): |
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Vergleichbar mit: |
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Veröffentlicht am: |
21.12.2006 |
Letzte Änderung: |
21.12.2006 |
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