Boxeraufstand: „Alles, was uns in den Weg kam, wurde abgeschlachtet“ - WELT
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Kopf des Tages Clemens von Ketteler im Boxeraufstand

„Alles, was uns in den Weg kam, wurde abgeschlachtet. Wie da die Weiber schrien“

Die Ermordung des deutschen Gesandten in China, Clemens von Ketteler, brachte im Juni 1900 den Boxeraufstand auch im Deutschen Reich auf die Agenda. Wie die Rache aussehen sollte, hat Kaiser Wilhelm II. drastisch beschrieben.
Lord Seymour gibt Befehl zum Vorruecken China, Boxeraufstand 1900-1901. Erstuermung von Fort Hsiku am 22. Juni durch die vereinigten Hilfstruppen. "The Germans to the front". (Lord Seymour gibt den Befehl zum Vor- ruecken der deutschen Truppen unter Korvettenkapitaen Buchholz). Gemaelde von Carl Roechling, 1902. Lord Seymour gibt Befehl zum Vorruecken China, Boxeraufstand 1900-1901. Erstuermung von Fort Hsiku am 22. Juni durch die vereinigten Hilfstruppen. "The Germans to the front". (Lord Seymour gibt den Befehl zum Vor- ruecken der deutschen Truppen unter Korvettenkapitaen Buchholz). Gemaelde von Carl Roechling, 1902.
20. Juni 1900: Clemens von Ketteler, deutscher Gesandter in China, wird ermordet. Es folgt ein Rachefeldzug
Quelle: picture-alliance / akg-images

Clemens von Ketteler (1853–1900) hatte wohl einfach Pech, als er sich am Morgen des 20. Juni 1900 mit seinem Dolmetscher auf den Weg zum kaiserlichen Außenministerium in Peking machte. Nachdem beide das exterritoriale Gesandtschaftsviertel verlassen hatten, wurde Ketteler am Ha-Ta-Men-Tor von einem Unteroffizier der Mandschu-Armee gestoppt. Der eröffnete umgehend das Feuer.

Vielleicht hätte Ketteler eine Eskorte retten können. Die hätte ihn zwar in den Augen seines Mörders nicht sympathischer gemacht, aber ihm wohl signalisiert, dass es sich bei seinem Opfer um eine hochgestellte „Langnase“ handelte, wie Europäer in China gern genannt wurden. Denn Ketteler war nicht irgendein Zivilist, sondern der Gesandte des Deutschen Reiches. Und damit wurde der Fall zu einer internationalen Affäre.

Zeitgenössische Abbildung des deutschen Diplomaten Klemens Freiherr von Ketteler (1853-1900). Er war deutscher Gesandter in China und wurde während des Boxeraufstandes erschossen.(Undatierte Aufnahme)
Clemens Freiherr von Ketteler (1853–1900), deutscher Gesandter in China
Quelle: picture-alliance / dpa

Kettelers Mörder erklärte vor seiner späteren Hinrichtung, im Auftrag seiner Vorgesetzten gehandelt zu haben. Das hat Einiges für sich. Denn in China standen im Frühjahr 1900 die Zeichen auf Sturm. Hunger, Misswirtschaft und die Allgegenwart ausländischer Geschäftsleute hatten dazu geführt, dass sich auf dem Land Verarmte, Enttäuschte und Entwurzelte zusammenfanden und sowohl gegen das kaiserliche Regime als auch die „weißen Teufel“ vorgingen. Da sie sich nach dem Vorbild traditioneller Kampfschulen bewaffneten, wurden sie von westlichen Beobachtern als Boxer beschrieben.

Kaiserinwitwe Cixi, die in Pekings Verbotener Stadt die Fäden zog, sah ihre Chance und verbündete sich mit den Aufständischen. Knapp 500 ausländische Zivilisten, 2300 chinesische Christen und 450 Soldaten wurden von 20.000 Chinesen im Gesandtschaftsviertel eingeschlossen.

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Während eine alliierte Flotte vor der Küste Chinas aufmarschierte, wollte Ketteler Verhandlungen aufnehmen. Dass der Diplomat dabei erschossen wurde, hatte weitreichende Folgen. Denn nun intensivierte auch das Deutsche Reich sein Engagement in China, wo bislang vor allem Briten, Russen, Amerikaner und Japaner Truppen zusammengezogen hatten. Obwohl in Deutschland erst ein Expeditionskorps aufgestellt werden musste, forderte Wilhelm II. den Oberbefehl.

Wie der Kaiser ihn sich vorstellte, machte er bei der Einschiffung am 27. Juli in Bremerhaven deutlich: „Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht ... Wie vor 1000 Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht … so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“

The Boxer Rebellion, also known as Boxer Uprising or Yihetuan Movement, was a proto-nationalist movement by the Righteous Harmony Society in China between 1898 and 1901, opposing foreign imperialism and Christianity. The uprising took place in response to foreign spheres of influence in China, with grievances ranging from opium traders, political invasion, economic manipulation, to missionary evangelism. In China, popular sentiment remained resistant to foreign influences, and anger rose over the 'unequal treaties', which the weak Qing state could not resist. Concerns grew that missionaries and Chinese Christians could use this decline to their advantage, appropriating lands and property of unwilling Chinese peasants to give to the church. This sentiment resulted in violent revolts against foreign interests.
Wie Tausende Boxer wurde auch Kettelers Mörder enthauptet
Quelle: picture alliance / CPA Media Co.

Die Alliierten ließen sich davon nicht beeindrucken. Bereits im August konnten ihre Truppen die belagerten Europäer in Peking entsetzen. Die Kaiserinwitwe machte eine neue Wendung und befahl ihren Soldaten, gegen die Boxer vorzugehen. Massenhinrichtungen folgten. Erst einen Monat später erreichten die deutschen Truppen China, wo sie umgehend darangingen, die Vorgaben ihres Kaisers in die Tat umzusetzen: „Alles, was uns in den Weg kam, ob Mann, Frau oder Kinde, alles wurde abgeschlachtet. Nun, wie da die Weiber schrien! Aber des Kaisers Befehl lautet: keinen Pardon geben.“ Derartige Briefzitate entsetzten sogar den Reichstag.

Das Ergebnis der Expedition war das „Boxerprotokoll“ vom September 1901, das in China als Höhepunkt der „ungleichen Verträge“ gewertet wird. Zu den zahlreichen Wiedergutmachungsleistungen gehörte die Errichtung eines Denkmals für Ketteler und eine demütigende Entschuldigungsmission nach Berlin. Zwölf Jahre später war deren Ursache fast vergessen. Stattdessen erinnerten sich Deutschlands Gegner im Ersten Weltkrieg an Wilhelms Worte und machten seine Soldaten zu „Hunnen“.

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