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Panorama „Maybrit Illner“

Altbundespräsident Gauck im ZDF – Wagenknecht-Partei wird „überall im Osten kräftig absahnen“

Altbundespräsident Joachim Gauck bei „Maybritt Illner“: „Politik ist die Gestaltung des weniger Schlechten“ Altbundespräsident Joachim Gauck bei „Maybritt Illner“: „Politik ist die Gestaltung des weniger Schlechten“
Altbundespräsident Joachim Gauck bei „Maybrit Illner“: „Politik ist die Gestaltung des weniger Schlechten“
Quelle: Jule Roehr/ZDF
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Bei Maybrit Illner warnt Bundespräsident a.D. Joachim Gauck davor, dass uneingeschränkte Zuwanderung mehr Deutsche an die politischen Ränder drängen wird. Der Partei von Sahra Wagenknecht bescheinigt er gute Chancen im Osten. Und beim Thema Israel korrigiert Gauck eine Aussage aus einer Amtszeit.

Zwischen Israel und den Terroristen der Hamas und der Hisbollah gehen die Kämpfe weiter, während die Gefahr einer regionalen Eskalation steigt. Bilder aus dem Gazastreifen erhöhen den internationalen Druck auf Israel, die dortige Bevölkerung mit humanitärer Hilfe zu versorgen – und verstärken die Kritik an ihrer Kriegsführung.

Joachim Gauck, der ehemalige Bundespräsident, zeigte sich am Donnerstagabend weiterhin solidarisch mit Israel nach der Terrorattacke der Hamas vom 7. Oktober. Dreißig Minuten sprach er mit Moderatorin Maybrit Illner im Einzelinterview über den Nahost-Konflikt, aber auch über die deutsche Migrationspolitik und die parteipolitische Zukunft des Landes.

Davor hatte Moderatorin Illner in einer kleineren Runde über den Krieg in Israel diskutiert. Zu den Gästen gehörten die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, der Journalist Christian Sievers, der fünf Jahre lang das ZDF-Auslandsstudio in Tel Aviv geleitet hat, und Christian Mölling, der Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP). Doch dazu später.

Für Joachim Gauck schien es ein Abend zu sein, an dem er einige seiner Aussagen korrigieren wollte. Angefangen mit der Kritik, die Gauck als Bundespräsident an Kanzlerin Angela Merkels Begriff der „Staatsräson“ im Zusammenhang mit Israel geübt hatte: „Eigentlich war das eine Äußerung, die ein Bundespräsident vielleicht nicht machen sollte“, sagte Gauck. Er habe damals die Sorge gehabt, man könne die nötigen Erwartungen an den Begriff womöglich nicht erfüllen und habe deswegen das „Frustrationselement“ vermeiden wollen.

Deswegen betonte Gauck abermals unmissverständlich die Solidarität mit Israel, die sich aus Deutschlands besonderer Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat ergebe: „Wir sind so eng mit der Existenz Israels verbunden, dass wir die Allerletzten sein werden, die diese Solidarität aufkündigen“, sagte er.

Wie aber mit dem Hass umgehen, der sich in Deutschland gegen Israel ausbreitet? Gauck verwies darauf, dass er schon „vor Jahren“ vor importiertem Antisemitismus gewarnt habe. Nur sei von Links immer schnell die Kritik gekommen, dass das fremdenfeindlich sei. Die Verherrlichungen des Terroranschlags der Hamas in den Straßen Neuköllns bezeichnete er als eine „Unkultur, der die Zivilgesellschaft und die Politik gleichermaßen entgegentreten muss.“ Das erreiche man etwa, indem man auf zugewanderte Menschen mit „liberalen Geistern“, wie dem Autor Ahmed Mansour, zugehe, und indem man möglichst viele „Hotspots“ vor allem in Schulen besser im Blick behalte.

Sahra Wagenknecht verbinde mit der AfD die „Elitenfeindlichkeit“, so Gauck

Bereits vor dem Angriff auf Israel hatte sich Gauck dafür ausgesprochen, Zuwanderung nach Deutschland stärker zu begrenzen – und dafür Kritik erhalten. Gegenüber Illner rechtfertigte er sich für seine Aussagen: „Es geht mir nicht darum, dass ich denke, das Boot ist voll. Es gibt einfach einen bestimmten Punkt, wo diese massive Zuwanderung so viel Wandel erzeugt, dass die Menschen abrutschen.“

Durch Zuwanderung würden immer mehr Menschen ein Gefühl entwickeln, als seien sie nicht mehr dort zuhause, wo sie wohnten, sagte Gauck weiter: „Das ist dieser Teil der Gesellschaft, der, wenn die traditionellen, konservativen Parteien ihnen nicht mehr konservativ genug sind, sich einen anderen politischen Ausweg suchen.“ Gerade deshalb appellierte er an die CDU, es sei ihre „Verpflichtung“, ein konservatives Parteiprogramm zu entwickeln, „das nicht der AfD nachläuft und Ressentiments anbietet.“

Bundeskanzler Olaf Scholz’ Ankündigung, im härteren Stil abzuschieben, bewertete Gauck grundsätzlich positiv: „Scholz beschreibt damit, dass Politik eben nicht nur die Benennung des Schönen ist, sondern leider auch die Gestaltung des weniger Schlechten.“ Die Deutschen hätten zwar ein inniges Verlangen, „gut zu sein“ und würden besonders viel Wert auf das sehr stark verankerte Asylrecht legen: „Aber manchmal sind uns unsere guten Absichten im Wege, die bittere Realität angemessen zu erkennen.“

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Schließlich äußerte sich der Ex-Bundespräsident auch besonders kritisch zur Gründung des Sahra-Wagenknecht-Bündnisses. Die Partei würde sowohl „verunsicherte Konservative“ als auch „bestimmte Gruppen von linksorientierten Menschen befriedigen“ – und eine „verhängnisvolle Überschneidung“ mit der AfD in Sachen „Elitenfeindlichkeit“ bieten. Genau deshalb werde die neue Partei aber „überall im Osten kräftig absahnen“, prophezeite Gauck.

Wie genau eine Politik à la Wagenknecht-Partei realistisch aussehen könne, darüber schien aber selbst Gauck ratlos: „Ich bedauere schon jetzt diejenigen, die mit einer Partei von Sahra Wagenknecht koalieren müssen“, sagte er. „Ich bin gespannt, wie es gelingen wird, ein gemeinsames Programm der doch ziemlich verschiedenen Frustrierten zu gestalten.“

Düzen Tekkal: Erdogan „zündelt” in Deutschland mit hamasfreundlichen Aussagen

In einer kleineren Runde war vor Gaucks Interview zum Stand des Israelkrieges diskutiert worden. Noch immer hat die angekündigte Bodenoffensive nicht begonnen – doch der Sicherheitsexperte Christian Möllinger verwies darauf, dass eine solche Offensive sich womöglich seit Kriegsausbruch als schwieriger erweist als gedacht: „Die ersten 48 Stunden, in denen die Offensive angekündigt wurde, müssen getrennt werden von dem, was folgt, wo das Militär einschätzt, was überhaupt machbar ist“, sagte er. Jeder Angriff müsse schließlich danach abgewogen werden, welche Bilder er produziere und ob er die Situation der über 200 Geiseln gefährde. „Man muss versuchen, die eigenen Verluste gering zu halten“, sagte Möllinger.

Das decke sich auch mit Netanjahus bisherigem Auftreten, sagte der ZDF-Journalist Christian Sievers: „Netanjahu ist eher der Vorsichtige, er ist keiner der sagt: ‚Jetzt gehen wir sofort rein.‘“ Auf dem Premierminister laste gerade aus seiner eigenen Bevölkerung viel Druck, so Sievers: „Auf der einen Seite muss er die Geiseln unverletzt frei bekommen und auf der anderen Seite die Hamas schlagen. Das sind zwei Ziele, die unglaublich schwer werden, gleichzeitig zu erreichen.“

Maybrit Illner mit ZDF-Journalist Christian Sievers, Außenpolitikexperte Christian Mölling und Journalistin Düzen Tekkal
Maybrit Illner mit ZDF-Journalist Christian Sievers, Außenpolitikexperte Christian Mölling und Journalistin Düzen Tekkal
Quelle: Jule Roehr/ZDF

Düzen Tekkal warnte, dass genau das die Strategie der Hamas sei: „Israel weiß, zu welchen Lasten die Bodenoffensive geht“, sagte die Journalistin. „Die Hamas profitiert von jedem Toten, auch ihren eigenen.“ Die zwei Millionen Palästinenser im Gazastreifen würden genauso wie die Geiseln als „Verhandlungsmasse missbraucht werden“, so Tekkal.

Dennoch – oder deshalb – sei es wichtig, für die Palästinenser im Gazastreifen humanitäre Hilfe bereitzustellen, sagte Tekkal. „Wir können nicht auf humanitäre Hilfe verzichten, nur weil der Terror davon profitiert. Dann trocknen wir nicht den Terror aus, sondern die Palästinenser – und die Hamas nährt sich davon, wenn wir den Schmerz der Palästinenser übersehen.“

Hierzulande müsse man vor allem darauf achten, dass „nicht die Extremisten das Zepter in die Hand nehmen“, sagte Tekkal in Bezug auf Unterstützer der Hamas. Darin schloss sie auch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ein, der von dem Hamas-Anschlag als „Befreiungskampf” gesprochen hatte. „Damit zündelt er“, sagte Tekkal. „Das weiß er auch. Hier leben so viele Menschen aus der Türkei. Was machen die, wenn sie so etwas von ihm hören?“ Dem fügte sie einen breit gefassten Appell hinzu: „Wann fangen wir endlich an, auch zu sagen: ‚Hört auf, mit Religion Politik zu machen! Lasst unsere Leute hier in Ruhe!‘“

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