Chris Taylor schrieb Gaming-Geschichte - mit Total Annihilation, Dungeon Siege und Supreme Commander. Wir blicken auf seine bewegte Laufbahn, analysieren nie veröffentlichte Spiele wie Kings and Castles und verraten euch, was Taylor heute macht.
Bereits im Januar 1996 heuert der Design- und Programmier-Veteran bei Cavedog Entertainment an - einer ein Jahr zuvor von Lucasarts-Adventure-Legende Ron Gilbert und seiner Producer-Kollegin Shelley Day gegründeten Unterabteilung von Humongous Entertainment.
Anders als beim Mutterhaus, das mit Marken wie Putt-Putt, Freddi Fish oder Fatty Bear Popularität erlangte, sollen hier aber keine Kinderspiele, sondern Games für den typischen Mainstream-Konsumenten entstehen. Taylor fühlt sich schnell wohl bei Cavedog Entertainment und wird schon bald zum Projektleiter eines neuen Echtzeitstrategiespiels namens Total Annihilation ernannt.
Taylors totale Vernichtung
Das Grundkonzept des Spiels stammt von Taylor und stellt gewaltige Echtzeitschlachten in den Mittelpunkt, die allein im Hinblick auf die Zahl der kämpfenden Einheiten weit über das hinausgehen, was Genre-Fans bisher von Titeln wie Dune 2 (1992) oder Command & Conquer (1995) kennen.
Um den beiden Publikumslieblingen des Westwood Studios Paroli zu bieten, trumpft Total Annihilation außerdem mit einer ganzen Reihe an innovativen Features auf, die virtuellen Generälen das Leben erleichtern. Hierzu zählt unter anderem die Möglichkeit, unterschiedliche Einheitenverbände anzulegen und diesen eine Abfolge von Befehlen zu erteilten - Elemente, die später allesamt zum Standard im Genre werden.
Weitere Innovationen umfassen Höhenunterschiede im Terrain, die sich vielfältig aufs Gameplay auswirken. So können die komplett dreidimensional modellierten und texturierten Einheiten steile Hänge beispielsweise nur langsam emporfahren, sich aber über einen Tempo-Boost freuen, wenn es in die entgegengesetzte Richtung geht.
Quelle: Moby Games Projektile wiederum verhalten sich je nach Geschwindigkeit und Flugbahn unterschiedlich und zerschellen zum Beispiel an hohen Bergwipfeln, während Fahrzeuge auf höher gelegenen Kartenpositionen eine bessere Weitsicht genießen.
Nicht minder spannend ist der Soundtrack aus der Feder von Jeremy Soule, der sich dynamisch der jeweiligen Spielsituation anpasst und zum Beispiel schneller wird, wenn eine Schlacht entbrennt und zu ruhigeren Klängen wechselt, wenn gerade nicht gekämpft wird und man seine Basis aufbaut oder Einheiten repariert.
Die Entwicklung von Total Annihilation dauert knapp 20 Monate, verschlingt Kosten von 1,1 Millionen Dollar und resultiert in einem wahrlich beeindruckenden Echtzeitstrategiespiel, das zum Release am 27. September 1997 Kritiker und Genreliebhaber rund um Globus begeistert.
Das US-Portal Gamespot zückt später sogar die begehrte "Spiel des Jahres"-Auszeichnung, und auch an der Ladentheke kommt Taylors Director-Debüt gut an.
Zwar kann es dem nur knapp eineinhalb Wochen später veröffentlichten Age of Empires der Ensemble Studios nicht ganz das Wasser reichen, mit knapp einer Viertelmillion weltweit ausgelieferten Einheiten binnen der ersten Wochen steht Publisher GT Interactive Ende 1997 dennoch sehr gut da.
Dass dieser Erfolg auch in den Monaten danach anhält, liegt in erster Linie daran, dass Chris und sein Team sich hingebungsvoll um die wachsende Fan-Gemeinde kümmern. Online-Foren werden eröffnet, ein Newsletter mit Tipps und Tricks wird eingerichtet und in regelmäßigen Abständen erscheinen coole neue Einheiten, beispielsweise ein sich tarnendes Fusionskraftwerk.
Ergänzend dazu passt man das Balancing auf Basis des Nutzer-Feedbacks kontinuierlich an, optimiert das Gesamterlebnis mithilfe von Patches immer weiter und kredenzt einen Missions- und Karten-Editor in Beta-Form, der riesigen Anklang findet.
Die Folge sind eine stetig wachsende Liste an Fan-Seiten und eine Community, die nach immer mehr Inhalten lechzt. Und genau die liefert Cavedog auch. Los geht's am 29. April 1998 mit Total Annihilation: The Core Contingency, dicht gefolgt von der Erweiterung Battle Tactics, die am 30. Juni 1998 erscheint.
Die Gründung von Gas Powered Games
Doch zurück zu Chris Taylor: Der hat zunächst einmal genug vom RTS-Genre, verlässt Cavedog nach nur zwei Jahren und drei Monaten im März 1998 wieder und gründet im Mai 1998 mit vier anderen Ex-Cavedog-Entwicklern Gas Powered Games.
"Eines Nachts lag ich einfach im Bett und schrieb jeden Namen auf, der mir in den Sinn kam. Irgendwann gefiel mir der Name Apocalyptic Entertainment wirklich gut, aber es stellte sich heraus, dass zu viele Unternehmen etwas Ähnliches registriert hatten. Also suchte ich weiter und fand Gas Powered Games wirklich toll", fasst Taylor die Namensfindung später gegenüber Gamespy.com zusammen.
Das Team experimentiert zunächst ein bisschen mit verschiedenen Gamedesign-Ideen, kommt dann aber schnell zu dem Schluss, dass das Debütprojekt im Bereich der Action-Rollenspiele verortet sein soll. Hauptinspirationsquelle ist dabei der im Januar 1997 erschienene Dauerbrenner Diablo - ergänzt um Einflüsse aus Baldur's Gate und Ultima.
Im Gegensatz zur Blizzard-Produktion soll Dungeon Siege jedoch in einer nahtlos erkundbaren Welt ganz ohne Ladezeiten spielen und wesentlich zugänglicher sein. Um Letzteres zu erreichen, verabschieden sich die Macher primär von der für Diablo typischen Charakterauswahl zu Beginn der Kampagne und ersetzen sie durch ein System, das Heldenfähigkeiten basierend auf der Häufigkeit ihrer Nutzung verbessert.
Quelle: Gas Powered Games Des Weiteren konzipiert man eine ganze Reihe nützlicher Komfortfunktionen. Hierzu zählt unter anderem ein Packesel, der den Heldentrupp kontinuierlich begleitet und dessen Taschen über jede Menge Stauraum verfügen. Clever, denn so wird vermieden, dass Spieler regelmäßig Backtracing-Ausflüge zu Händlern unternehmen müssen, um Platz im eigenen Inventar zu schaffen.
Ursprünglich ist der Plan, Dungeon Siege in nur zwei Jahren fertigzustellen. Aufgrund der hohen Ambitionen des Teams und immer neuer Feature-Experimente schießt man allerdings weit über dieses Ziel hinaus. All das mündet schließlich einer nicht enden wollenden Crunchtime-Periode, die sich über zwei Jahre hinzieht, teils sieben Tage die Woche, mit Arbeitszeiten von zwölf bis 14 Stunden pro Tag.
"Unser Ehrgeiz war so groß, dass wir unsere Körper, unsere Beziehungen und unser spirituelles Wohlbefinden vernachlässigten. Ich weiß, dass viele von uns dies über einen Punkt hinaus getan haben, den die meisten Fachleute für gesund, vernünftig oder möglicherweise ethisch halten würden. Der Grad der Konzentration auf unsere Arbeit war einfach erstaunlich, aber die schiere Selbstvernachlässigung, die dadurch gefördert wurde, war einfach unverantwortlich", erinnert sich Bartosz Kijanka, damals technischer Leiter des Spiels, in einem überaus lesenswerten Postmortem-Artikel von Gamedeveloper.com.
DAs war echt toll!! Supreme Commander hat mich interessiert, habe ich aber (leider) kaum gespielt. War mir zu kompliziert der Einstieg.