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Film „Sophia, der Tod und ich“

Der Tod ist Hanseat und tanzt Flamenco

Dimitrij Schaad, Marc Hosemann, Anna Maria Mühe Dimitrij Schaad, Marc Hosemann, Anna Maria Mühe
Dimitrij Schaad, Marc Hosemann, Anna Maria Mühe
Quelle: Stephan Rabold/DCM
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Schauspieler Charly Hübner hat sein Regie-Debüt vorgelegt. Darin geht es um den Tod und was man macht, wenn er einen nicht mitnimmt, sondern zu Besuch bleibt. Ein Klamauk, nach dem man am Ende mit einer Erkenntnis und einer Hoffnung aus dem Kino geht.

Wer die Wahl hat, stirbt lieber sanft als gewaltvoll. Manche würden sogar am liebsten gar nicht sterben. Tech-Milliardäre wie Jeff Bezos forschen an Formeln für das ewige Leben. Doch bislang ist der Tod noch „unverhandelbar“, so heißt es in dem neuen Kinofilm „Sophia, der Tod und ich“. Das Drehbuch beruht auf dem gleichnamigen Roman von Thees Uhlmann. Die Regie führte der Schauspieler Charly Hübner, für den die Rolle hinter der Kamera ein Debüt war.

Es beginnt in Berlin in einem grauen Vorfrühling, der nach November aussieht. Auf einer Dachterrasse mit Blick auf Metallbrücken und Betonklötze trifft sich der Tod. Oder besser gesagt: die Tode. Es sind gleich mehrere, alle in schwarzem Mantel und sehr blass. Sie greifen nach den Lebensbüchern ihrer Opfer, die in einer Bude ausliegen, aus der man optisch gesehen auch Fischbrötchen verkaufen könnte. Morten, ein besonders dünner und langer Tod, bekommt die Aufgabe, Reiner zu holen. Als er das Büchlein öffnet, fragt er „So jung?“. Reiner ist etwa Mitte 30. Ein leicht schmuddeliger Altenpfleger, der einem lang entfremdeten Sohn, regelmäßig Postkarten schreibt, die er selbst zeichnet. Gespielt wird er von Dimitrij Schaad. Schaad ist geübt in der Darstellung leicht angeschmuddelter, alleinstehender Männer in ihren 30ern. Schon in den „Die Känguru-Chroniken“ spielte er den ledigen, lakonischen Künstlertyp.

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Wenig später steht Morten vor Reiners Tür: „Ich bin Ihr Tod, und Sie müssen jetzt mitkommen. Sie haben drei Minuten, um über alles nachzudenken.“ Morten ist ein sanfter Tod. Doch irgendwas funktioniert nicht mit dem Todeskuss, den Morten dem Zeichner sanft auf die Stirn drückt. Drei Minuten hat er, um Reiner mitzunehmen, doch der will einfach nicht sterben. Da sein Opfer ihm nicht rechtzeitig in die Welt des Todes folgt, bleibt nun Morten in der Welt der Lebenden hängen. Dann steht auch noch Reiners Ex-Freundin Sophia (gespielt von Anna Maria Mühe) vor der Tür, um Reiner zum Geburtstag seiner Mutter mitzunehmen. Der Tod kommt mit.

Schema Nora Tschirner

Ab hier wird der Film zu einem Roadmovie, der in eine Verfolgungsjagd ausartet. Denn Michaela (Lina Beckmann), die Wächterin der Tode, schickt einen neuen Todbringer hinterher, der den Job diesmal auch mit Gewalt, aber dafür effizient erledigen soll. Die vier – nun auch die Mutter – fliehen mit dem Ziel, dass Reiner noch einmal seinen Sohn sehen kann, zu dem er seit einem Sorgerechtsstreit keinen Kontakt mehr hat.

Fast ist man gewillt von einem Stück zu sprechen, so sehr merkt man dem Film an, dass er von Theaterleuten gemacht wurde. Sowohl Regisseur Charly Hübner – der in einer Nebenrolle als Gastwirt auftritt – als auch Dimitrij Schaad kommen in erster Linie vom Theater und erst in zweiter vom Film. Das sieht man an den Einstellungen, die in ihrer Simplizität an einen Kulissenaufbau erinnern. Da ist die Dachtrasse, auf der Michaela ihren Bücherstand aufbaut. Da ist das Zugabteil, in dem sie zur Mutter nach Norden fahren. Und da ist die Bank vor dem Wald, auf dem Reiner schließlich seinem Ende entgegenblickt.

Gott „G“ (Josef Ostendorf) und Erzengel Michaela (Lina Beckmann)
Gott „G“ (Josef Ostendorf) und Erzengel Michaela (Lina Beckmann)
Quelle: Stephan Rabold/DCM

Das Theater spürt man auch in den Dialogen, die in ihrer Schlagabtauschhaftigkeit gut auf eine Bühne gepasst hätten. Wenn etwa drei Zeuginnen Jehovas vor Reiners Tür stehen und mit ihm über Gott diskutieren. Sie fragen ihn, ob er denn auch mal bete. Er sagt, nur für seine Fußballmannschaft; fragt dann, ob das schon reicht. Sie sagen, das reiche nicht. Schade. Viele der Figuren wirken, wie hier, etwas schablonenhaft. Auch die der Ex-Freundin Sophia, gespielt von Anna Maria Mühe, hat man in deutschen Komödien schon zu oft gesehen. Typ: Taffe Berlinerin, die sich nichts sagen lässt und schluffige Männer mit schroffen Kommentaren antreibt, dabei clever, schlagfertig und auf eine derbe Art reizvoll. Schema Nora Tschirner. So stellen sich Deutsche Feminismus vor.

Gott trägt Trenchcoat

Charmanter ist der Tod, der über die kleinen Dinge das Leben liebgewinnt. Darin erinnert das Hübner-Debüt an eine komödiantische Variante von „Rendezvous mit Joe Black“. Hier gibt es eine Szene, in der der Tod – genial gut gespielt von Brad Pitt – gedankenlos an einem Löffel mit Erdnussbutter leckt. In der deutschen Variante betrinkt sich Morten mit Dosenbier, spuckt Kaffee wieder aus und verlangt direkt die nächste Tasse, als man ihm erklärt, dass dieses bittere Gebräu ein unverzichtbarer Teil der menschlichen Erfahrung sei. Selbst der Tod will sich mit Leben vollpumpen, solange er kann. Sein voller Name ist übrigens Morten de Sarg. Der Film ist also auch als Klamauk gedacht. Das wird noch deutlicher, wenn sich die beiden Todbringer im Garten eine Art Flamenco-Kampf-Tanz bieten.

So deutlich hätte es gar nicht sein müssen. Schon der hanseatische Akzent von Schauspieler Marc Hosemann – man kennt ihn aus der Serie „Die Discounter“ – macht den Tod angenehm leichtfüßig. Das Nordische verleiht ihm die „Kann man halt nichts machen, nech?“-Haltung, die er verdient. Zudem meint man durch den Tod auch den Autor der Romanvorlage sprechen zu hören. Thees Uhlmann, ebenfalls Hanseat, kennen Liebhaber des Deutschpops von der Band Tomte, aber auch als Solokünstler. „Sophia der Tod und ich“ war sein erstes Buch.

Der Film ist also das Ergebnis gleich zweier Debüts. Und das in für die Filmbranche schwierigen Zeiten. Auch hier wird gespart. Charly Hübner hatte nur 26 Drehtage, wie er in einem Interview erzählt. Was vielleicht auch die 98 Minuten Länge erklärt, die man in Zeiten immer länger werdender Blockbuster (Triangle of Sadness: 147 Minuten, Tár: 158 Minuten, Oppenheimer: 180 Minuten) kaum noch gewohnt ist.

Auch Gott, genannt „G“, taucht auf, hier gespielt von Josef Ostendorf. Mit einem Kranz aus weißem puffigen Resthaar, einem grauen Trenchcoat und Plastiktüten in den Händen, sieht Gott aus wie ein Flaschensammler. Über den Inhalt der Tüten kann man nur spekulieren. Vielleicht sind es die Werkzeuge, mit denen er die Ewigkeit zusammengezimmert hat. Natürlich ist es dann auch Gott, der am Ende die vierte Wand durchbricht und dem Zuschauer für ein paar Sekunden in die Augen blickt. So geht man mit einer Erkenntnis und einer Hoffnung aus dem Kinosaal. Man erkennt: Der Tod läuft immer mit. Und man hofft, dass er ein freundliches Gesicht hat.

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