NS-Zeit: Die Frau, die fünfmal beigesetzt wurde - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Panorama
  3. NS-Zeit: Die Frau, die fünfmal beigesetzt wurde

Panorama NS-Zeit

Die Frau, die fünfmal beigesetzt wurde

Leitender Redakteur Geschichte
Carin Görin, die 1931 verstorbene erste Ehefrau von Hermann Göring Carin Görin, die 1931 verstorbene erste Ehefrau von Hermann Göring
Carin Göring, die 1931 verstorbene erste Ehefrau von Hermann Göring
Quelle: pa/dpa
Die Totenruhe ist heilig. Carin Göring jedoch, die erste Ehefrau Hermann Görings, ist mindestens vier-, vielleicht fünfmal beigesetzt worden. Ein DNA-Test der Gebeine will das Rätsel nun gelöst haben.

Ein mysteriöser Fund und seine Analyse: Schwedische Gerichtsmediziner haben nun jene 26 Knochen untersucht, die seit zwei Jahrzehnten auf eine Identifikation warteten. Die Leichenteile waren 1991 gefunden worden, in einem Wald nahe den Ruinen von Hermann Görings Landsitz „Carinhall“ am Großdöllner See, etwa 75 Kilometer nördlich von Berlin.

Die Forscher der Stockholmer Universität und der nationalen Behörde für forensische Medizin haben laut „Daily Mail“ festgestellt, dass die Knochen eine Übereinstimmung mit Nachfahren von Carins Sohn aus erster Ehe aufweisen. Sie deuteten darauf hin, dass die DNA-Proben von seiner Mutter stammen müssten. Nach der Identifikation wurden die Knochen in Schweden beigesetzt – in aller Stille.

Die Diskretion dürfte nicht allein durch Carins Liebe zu Göring und ihrer oft dokumentierten Bewunderung für Hitler begründet sein. Noch viel peinlicher nämlich ist, dass es bereits seit Ende 1951 auf dem Friedhof von Lovö ein Grab für Carin Göring gibt, in dem ihre sterblichen Überreste bestattet sein sollen. Wenn die schwedischen Wissenschaftler recht haben, dann liegt dort die Asche irgendeines anderen Menschen.

Bewunderung für Adolf Hitler

Carin Göring wurde 1888 als Carin Freiin Fock geboren, Tochter eines nach Schweden ausgewanderten westfälischen Offiziers. Sie heiratete 1910 den ebenfalls deutschstämmigen Berufsoffizier Nils von Kantzow; den 1913 zur Welt gekommenen Sohn nannte das Ehepaar Thomas.

Sieben Jahre später lernte Carin den deutschen Piloten und Fliegerhelden Hermann Göring kennen, der nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg in Schweden flog. Die beiden verliebten sich und heirateten 1923. Zuvor hatte Nils von Kantzow seiner Frau im Gegenzug für das Sorgerecht für Thomas eine Abfindung gezahlt.

Carin lebte zunächst in München, flüchtete dann nach dem gescheiterten Hitler-Putsch mit dem steckbrieflich gesuchten Göring nach Schweden und kehrte 1928 zu ihrem Mann zurück, der inzwischen Reichstagsabgeordneter in Berlin war. Carin, die stets kränklich war, bewunderte den NSDAP-„Führer“ Adolf Hitler, der oft zu Gast war.

Tod durch Herzversagen

Den Aufstieg ihrer großen Liebe zum Präsidenten des Reichstags erlebte Carin Göring nicht mehr: Sie erlag 1931 einem Herzversagen, kurze Zeit nach dem Tod ihrer Mutter. Weil sie in Schweden starb, wurde sie auf dem Friedhof auf der Insel Lovö bei Stockholm beigesetzt – die erste Beerdigung.

Doch schwedische Nazi-Gegner entfernten 1933 ein Blumenbukett in Form eines Hakenkreuzes von ihrem Grab, das Göring hatte niederlegen lassen. Der zum „zweiten Mann des Dritten Reiches“ aufgestiegene Göring erwirkte daraufhin die Genehmigung, die sterblichen Überreste seiner Frau nach Deutschland überführen zu lassen.

Auf seinem ständig ausgebauten Landsitz, den er „Carinhall“ genannt hatte, wurde ein Mausoleum angelegt. Hitler war bei der pompösen Beisetzung am 20. Juni 1934 anwesend, bei der 20 Luftwaffen-Soldaten den massiven Sarkophag in das Mausoleum schleppten – die zweite Beerdigung.

Carin-Kult als Teil der NS-Propaganda

Anzeige

Der Kult um Carin gehörte zum festen Bestand der NS-Propaganda, wie die beiden Historiker Volker Knopf und Stefan Martens in ihrem hervorragenden Bildband „Görings Reich. Selbstinszenierungen in Carinhall“ beschreiben (6. Auflage, Ch. Links Verlag 2012, 208 S., 19,90 Euro), dem wohl besten Buch über den Luftwaffen-Chef. Dort ist auch die Gruft genau beschrieben und abgebildet, in der einst auch Hermann Göring bestattet werden wollte.

Dazu kam es nicht: Als sich Ende April 1945 sowjetische Soldaten dem Großdöllner See näherten, sprengten Luftwaffen-Soldaten den Landsitz.

Ob Carins Leichnam zuvor aus dem Mausoleum entfernt und in einem nahen Waldstück versteckt worden war oder ihre Gebeine von plündernden Rotarmisten vor dem Mausoleum verstreut wurden, ist unklar. 1947 jedenfalls wurden menschliche Knochen vor einem Findling mit ihrem Familienwappen beigesetzt. Dies oder das Versteck im Wald war die dritte Beerdigung von Carin.

Auf Wunsch der Familie

Auf Wunsch ihrer Familie ließ der Pfarrer der schwedischen Gemeinde in Berlin, Heribert Jansson, im Herbst 1951 die sterblichen Überreste erneut exhumieren, heimlich nach West-Berlin schaffen und im Krematorium Wilmersdorf unter falschem Namen einäschern.

Die Urne brachte Jansson nach Schweden, wo sie am 17. Oktober 1951 auf dem Friedhof von Lovö zur letzten Ruhe gebettet wurden – die vierte Beerdigung.

Nach den neuen Erkenntnissen könnte es sein, dass es sich dabei überhaupt nicht um ihre Knochen gehandelt hat. DNA-Untersuchungen an Asche sind nach mehr als 60 Jahren so gut wie aussichtslos.

Wenn es sich bei den jetzt untersuchten Überresten tatsächlich um Carin Göring handelte, dann ist sie jetzt zum fünften Mal beigesetzt worden.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant