SPÖ-Krise: Ab sofort ist Wahlkampf in der Partei - #532 - FALTER.at

SPÖ-Krise: Ab sofort ist Wahlkampf in der Partei - FALTER.morgen #532

Versendet am 16.03.2023

PRW oder HPD? Die Partei verschiebt die Entscheidung über ihre Führung auf den Frühsommer – bis dahin wird mobilisiert und intrigiert >> Heute vor drei Jahren trat in Österreich der erste Lockdown in Kraft: Ein Rückblick >> Der Fassadenleser überopulente Kaiserinnenverehrung in Gersthof

Wetterkritik: Der Mantelkragen bleibt oben, aber die Sonnenbrille muss hinauf – heute kühl und anfangs windig. Mehr als 10 Grad sind nicht drin, allerdings bei viel Sonne. Für März sehr o.k.


Guten Morgen!

Welch ein Zufall: Gestern, Mittwoch traf einander im Dachgeschoss des Parlaments im neuen, recht elegant geratenen Café Kelsen, eine illustre Runde ehemaliger Bruno-Kreisky-Sekretäre. Johannes Kunz, einst dessen Pressesprecher, Außenpolitikexperte Wolfgang Petritsch und die langjährige Kreisky-Büroleiterin Margit Schmidt saßen zusammen und machten lange Gesichter. „Bruno Kreisky würde in seinem Grab im Zentralfriedhof rotieren“, ärgerte sich der stets wortgewaltige Kunz, „wenn er sehen würde, wie weit es mit der Partei gekommen ist.“

Kurz danach, um 13 Uhr, trudelten die Mitglieder des SPÖ-Präsidiums in den Klubräumlichkeiten der SPÖ im Parlament ein. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner (PRW) hatte zur Krisenbewältigung geladen – in die höchsten Gremien der Partei: dem Parteipräsidium und dem Parteivorstand.

Es sollte alles nur kein Begräbnis werden. „Ich hoffe auf irgendetwas Vernünftiges, sofern überhaupt noch etwas Vernünftiges herauskommen kann“, murmelte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser sichtlich genervt in die Mikrofone und Kameras der wartenden Journalisten. Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (HPD) schaute schon recht entschlossen drein.

Ob auch etwas Vernünftiges herausgekommen ist, und was wohl Kreisky dazu gesagt hätte, das erzähle ich Ihnen gleich.

Außerdem im heutigen FALTER.morgen: Ein Rückblick auf den ersten Tag des ersten Lockdowns, der auf den Tag genau heute vor drei Jahren in Kraft trat. Und ein Fassadenleser-Ausflug in die neotheresianische Opulenz.

Einen schönen Tag wünscht

Barbara Tóth


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Ziemlich beste Parteifreunde

Die SPÖ verschiebt die Entscheidung im Machtkampf um die Führung auf den Frühsommer. Bis dahin herrscht parteiintern Wahlkampf.

Mediatoren und Berater wissen es: Aus einer Sackgasse kommt man am besten heraus, wenn man Prozess- und Sachebene trennt. Genau das hat die SPÖ nun gemacht. Sie hat die Frage, wer am Ende die Partei führen soll, zur Seite gestellt, und sich zuerst einmal darauf geeinigt, wie man diese Frage lösen möchte. Sie hat sich quasi eine rote Roadmap zurechtgelegt. Zuerst eine Mitgliederbefragung, dann ein Sonderparteitag. Damit hat sich das Team HPD (Hans-Peter Doskozil) durchgesetzt, denn er war es, der auf eine MItgliederbefragung gedrängt hat. Das Team Pamela Rendi-Wagner (PRW) wollte die Sache lieber gleich auf einem Sonder-Parteitag klären. Den gibt es jetzt auch. Aber entscheiden wird der Stimmungstest davor.

Treppab: Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil nach der Sitzung © APA/Roland Schlager

Jetzt drängt die Zeit. Der Sonderparteitag soll noch vor dem Sommer stattfinden, die Befragung Ende Mai/Anfang Juni, also erst nach der Salzburger Landtagswahl am 23. April. Jetzt geht's ans Werben und Mobilisieren innerhalb der Partei. Für HPD genauso wie für PRW - und allfällige dritte Kandidatinnen und Kandidaten.

Weitere Monate der Selbstbeschäftigung, stöhnen die einen. Vielleicht eine Chance, Mitglieder und Sympathisanten für die SPÖ und ihre Anliegen zu interessieren, hoffen die anderen.

Die Fronten im roten Wahlkampf zeichnen sich schon ab. Rendi-Wagner versuchte bereits bei der Wiener Klubklausur am Dienstag in Frauenkirchen, Doskozil als Rechtsverbinder hinzustellen. Im Vorstand kam das wieder zur Sprache. Vor allem die Gewerkschafter verlangten vom Burgenländer eine Festlegung. Er wolle stark genug werden, um mit Grünen und Neos eine Koalition links der Mitte zu bilden, beteuerte Doskozil. Und dass die FPÖ unter Herbert Kickl für ihn keine Option sei. Und was, wenn er bei der Mitgliederbefragung unterliegt? Dann werde er das Ergebnis akzeptieren und Ruhe geben, versprach Doskozil.

Das Rennen um den oder die Oberrote wird auch eine Abstimmung über, wenn nicht eine Abrechnung mit dem Partei-Establishment werden. Viele, die mit Rendi-Wagner und der alten Seilschaft, die sie stützt, unzufrieden sind, haben sich bereits hinter Doskozil versammelt: die Parteijugend, die Parteibasis aus Salzburg, Oberösterreich, Steiermark und Niederösterreich und dem Burgenland sowieso. Parteirebellen wie der Steirer Max Lercher hat Doskozil genauso in seinem Team wie Ex-Kanzler Christian Kern. Doskozil gilt als geringeres Übel, der zumindest Aufbruch und Veränderung verspricht.

Die Stimmung in der SPÖ könnte trotzdem schlechter sein. Als aufgekratzt, aber gleichzeitig gelöst, weil die Fronten nun geklärt sind, und überraschend diszipliniert wird das gestrige Sitzungsklima beschrieben. Dafür ist paradoxerweise auch Doskozils Stimmbandleiden verantwortlich. Er kann ja nur leise sprechen, ohne Hilfe seines Mikrofons war er im großen Sitzungssaal nicht zu hören. Das führte dazu, dass alle einander ausreden lassen mussten - und genau zuhören. Das hätte Kreisky ganz sicher gefallen.


Stadtnachrichten

Soraya Pechtl

Anschlagsgefahr gegenüber Kirchen“, twitterte die Polizei Wien gestern Vormittag. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) habe Hinweise erhalten, „dass ein islamistisch motivierter Anschlag in Wien geplant ist”.

© APA/Tobias Steinmaurer

In Wien waren deshalb gestern zahlreich Polizisten mit schusssicheren Westen und Sturmgewehren unterwegs, um „neuralgische Punkte” in der Stadt zu überwachen. Zusätzlich wurde die Polizeipräsenz im Umfeld von „christlichen Kirchen, Gebetshäusern und Einrichtungen verschiedener Konfessionen” erhöht. Grund zur Panik gebe es aber nicht, hieß es von der Polizei. 

Weitere Informationen und Hintergründe waren vorerst nicht bekannt.


Timing ist alles oder Timing is a bitch, wie man's nimmt. Unmittelbar vor der heutigen Befragung von Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) in der Untersuchungskommission zur Causa Wien Energie sorgt ein Gutachten für Aufregung. 

Die Zmuegg Vermögensverwaltungs GmbH hat einen gerichtlichen Sachverständigen beauftragt, die Preisgestaltung der Wien Energie mit jener der Salzburg AG zu vergleichen. Und der Befund fällt für die Wiener ziemlich kritisch aus. Das städtische Unternehmen hat den Strompreis nämlich früher und stärker erhöht als die Salzburger, wie die ZiB 2 bereits am Mittwoch berichtete. Warum?

Das Gutachten liegt auch dem FALTER.morgen vor. Es kommt zum Ergebnis, dass die Wien Energie eine riskante Börsenstrategie verfolgt habe als die Salzburg AG (die ist zwar kleiner, hat laut dem Energieexperten Wolfgang Anzengruber aber eine ähnliche Struktur - wenn auch mit mehr Wasserkraft und weniger Gas - wie die Wien Energie).

Zur Erinnerung: Das Wiener Unternehmen schließt an der Börse Termingeschäfte ab. Das heißt, es bietet für einen zukünftigen Zeitpunkt Strom zu einem vorher festgelegten Preis an (stellen Sie sich vor, ich würde Ihnen in einem Jahr Erdäpfel für zehn Euro verkaufen). Dabei sei es, so das Gutachten, das vorrangige Ziel von Wien Energie gewesen, künftige Gewinne abzusichern – und nicht, die Preise für Kunden stabil zu halten. 

Die Salzburg AG hat dagegen Strom eingekauft. Konkret hatte sie 2021 „den Bedarf an Strom und Gas für das Jahr 2022 bereits weitgehend gedeckt“, so die Preise für ihre Kunden langfristig abgesichert und „zukünftige Preisschwankungen vermieden”, heißt es. 

Die unterschiedlichen Strategien hätten dazu geführt, dass die Strompreise, die bis 2021 bei beiden Unternehmen „weitgehend ident” gewesen seien, bei den Wienern Anfang 2022 um 170 Prozent stiegen. In Salzburg stiegen sie erst im Juni 2022 und „weniger stark”. 

Die Wien Energie weist das Gutachten „als völlig falsch und irreführend” zurück und droht mit „rechtlichen Schritten gegen die weitere Verbreitung dieser Falschinformationen”. In dem Papier würden „Zusammenhänge hergestellt, wo es faktisch keine gibt und Informationen grundsätzlich falsch, verkürzt und unvollständig zusammengeführt”. Denn es würden beinahe wahllos Neukundenangebote unterschiedlicher Tariftypen angeführt. Die Preisanpassungen bei der größeren Gruppe der Bestandskunden sei dagegen nicht berücksichtigt worden.


Ab nächsten Freitag kommt es auf der Linie S80 zwischen Hauptbahnhof und Aspern Nord zu Fahrplanänderungen. Vom 24. März bis 11. April werden auf dieser Strecke nämlich die Gleise und zwei Brücken erneuert.  

Vom 24. März (ab 07:00 Uhr) bis 28. März (bis 04:00 Uhr) und vom 7. April bis 11. April fallen die Züge der Linie S80 zwischen Wien Hauptbahnhof und Aspern Nord aus. 

Vom 1. April (ab 01:00 Uhr) bis 10. April (bis 18:30 Uhr) fährt die S80 nicht zwischen Wien Hütteldorf und Wien Hauptbahnhof. 

Alternative Routen finden Sie hier


Zur Abwechslung mal eine Grätzel-Nachricht: Der Bauernmarkt am Floridsdorfer Markt, vulgo Schlingermarkt, hat ab sofort nicht nur an Freitagen und Samstagen geöffnet, sondern auch donnerstags (von 15 bis 18 Uhr).


Falter-Radio

Der falsche Terrorvorwurf einer Razzia

Güngör, Löw, Kreissl, Zerbes (nicht im Bild: Hafez, Schmidinger) © FALTER

Wie Islamfeindlichkeit der Politik und Irrtümer der Staatsanwaltschaft bei der Operation Luxor in einen Justizskandal münden, der nur schwer zu applanieren ist. In der aktuellen Folge hören Sie bei Raimund Löw den Politikwissenschaftler Farid Hafez (Boston), der betroffen war, die Juristin Ingeborg Zerbes (Universität Wien), den Nahost-Kenner Thomas Schmidinger (Erbil), den Soziologe Reinhard Kreissl und den Integrationsexperten Kenan Güngör.


Drei Jahre Corona

Stille Stadt

Heute vor drei Jahren trat der erste landesweite Lockdown in Kraft. Peter Payer und Christopher Mavrič haben im Falter-Verlag ein Buch über diese Zeit gemacht – ein Rückblick auf den Tag, an dem alles begann.

Tag eins im Lockdown. Ab heute gelten massive Ausgangsbeschränkungen. Schulen bleiben geschlossen, ebenso Sport- und Spielplätze, Restaurants und Geschäfte ab 15 Uhr. Offen bleiben nur Supermärkte, Apotheken, Drogerien, Banken, Trafiken, Tierfuttergeschäfte und Tankstellen. Die Bevölkerung ist angehalten, zuhause zu bleiben. Arbeitgeber verordnen Homework.

Wiens Innenstadt, sonst voll von Touristenmassen und hektischer Betriebsamkeit, ist wie ausgestorben. Am Stephansplatz lässt sich staunend das Ritual zweier Freunde für das nun auch bei uns verordnete Distanzhalten beobachten: Ellbogenbegrüßung statt Händeschütteln und Umarmung. Die Stadt beginnt den Kampf gegen das Virus. Im öffentlichen Raum ist es nur mehr gestattet, sich einzeln oder mit Mitbewohnerinnen und -bewohnern aufzuhalten.

Während des ersten Lockdowns waren in Wien die Spielplätze teilweise gesperrt. Hier am Neubaugürtel © CHRISTOPHER MAVRIČ

Die Polizeipräsenz auf der Straße nimmt sichtbar zu. Die Menschen gehen stumm und eilig, wirken ernst und gefasst. Einige tragen Gesichtsmasken. U-Bahn und Straßenbahn sind selbst in der abendlichen Stoßzeit nur spärlich besetzt. Eine Ahnung von der Bedeutung und Tragweite all dessen, was da noch kommen wird, macht sich breit.

Journalistinnen – und auch immer mehr Fotografen – schwärmen aus und versuchen die ungewohnte Stimmung einzufangen. In ihren Reportagen werden sie vom „Beginn der neuen (Zwischen-)Zeit“ sprechen. Vom Staunen über die „Menschenleere“ und die „gespenstisch stillen“ Straßen, von der für einen Wochentag so völlig veränderten Atmosphäre des öffentlichen Raums. Vergleiche mit Wien an einem Sonntagmorgen werden gezogen. Gesprächsthema Nummer eins: Die Stadt und ihre Leere.

Für Christian Nusser, Chefredakteur der Gratiszeitung heute und als Autor des Polit-Blogs „Kopfnüsse“ ironischer Zeitkritiker, ein Anlass, mit spitzer Feder auf das spezifisch austriakische Kompetenzwirrwarr hinzuweisen: „Wien erklärte, alle Parks offen zu lassen, allerdings die Spielplätze zu sperren. Wir haben also Bundesgärten, die geschlossen sind, mit Spielplätzen drin, die offen sind. Wir haben andererseits 1.000 Parkanlagen der Stadt Wien, die offen sind, manche haben Spielplätze drin, die allerdings geschlossen sind.“

Das Buch „Stille Stadt – Wien und die Corona-Krise" von Peter Payer und Christopher Mavrič erhalten Sie im faltershop.at.


Lokaltipp

Café Schillwasser

Die sogenannte „Kleine Stadtfarm“ ist das Ergebnis eines 2014 gegründeten Vereins, in dem sich 20 Initiativen mit etwa 500 Beteiligten versammeln, von Künstlern über Tiertherapien, soziale Initiativen bis zu afghanischen Pflanzgemeinschaften. Das Vereinslokal wurde voriges Jahr aufgelassen, es dauerte allerdings nicht lange, bis sich neue Interessenten für das Projekt fanden. Mit saisonalen Produkten womöglich aus eigenem Anbau zu arbeiten, lag auf der Hand, vegetarische und vegane Küche ebenfalls.

Die Karte im neuen Lokal ist klein und wechselt wöchentlich, die Seitlinge von Hut & Stiel, die in einer Halle auf der Farm auf Bio-Kaffeesatz gedeihen, spielen eine wichtige Rolle, es gibt das großartige Neufeldner Bio-Bier, Kaffee von der Meidlinger Kaffeefabrik, für die Weinauswahl sorgt Wiens bester Natural-Wine-Händler Weinskandal.

Sagen wir so, das Café Schillwasser wäre selbst mit schlechtem Essen großartig. Aber das Schwammerlgulasch war definitiv das beste Schwammerlgulasch, das ich je hatte, obwohl „nur“ mit Champignons gemacht.

Die gesamte Lokalkritik von Florian Holzer lesen Sie hier.

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Wien im Ausnahmezustand

2020 bedeutete auch für Wien eine der gewaltigsten Zäsuren der jüngeren Stadtgeschichte. Die Stadt wurde durch den Lokdown in den Tiefschlaf und durch den Terroranschlag in Panik versetzt. Stadtforscher Peter Payer und Fotograf Christopher Mavrič, beide leidenschaftliche Flaneure, erkundeten den Ausbruch und Verlauf der Krise und hielten die urbanen Veränderungen in dem Buch Stille Stadt fest.

Erhältlich auf faltershop.at


Frage des Tages

Was zeigt unser heutiges Satellitenbild?

© Geoland

Auflösung von gestern: Rechnet man die Strecke zusammen, die alle Wiener Öffis täglich zurücklegen, dann fahren sie fünfmal um die ganze Welt (und nicht einmal von Lissabon nach Wladiwostok oder achtmal von London nach San Francisco).


Event des Tages

Lisa Kiss

Literatur

Beim Schwerpunkt Hör!Spiel! stellt die Alte Schmiede bis 16. März Lautpoesie und Hörspiele in die Auslage. Zwei Abende widmen sich dem Werk von Ror Wolf. Und am Ende steht der Wiener Helmut Peschina im Mittelpunkt. Für seine radiophonen Dramen wurde er oft ausgezeichnet. An diesem Abend wird ein Querschnitt präsentiert – mittels Hörproben und im Gespräch mit Andreas Jungwirth. (Sebastian Fasthuber)

Alte Schmiede, 19.00


Buch

Piet Meyer: Franz Meyer, der Museumsmann

Die sozialen Medien würden einen wie Piet Meyer ein Nepo-Baby nennen. So heißen die Kinder berühmter Eltern, die durch nepotistische Privilegien bekannt werden. Meyer ist der Enkel des Malers Marc Chagall (1887-1985) und der Sohn eines in der Schweiz legendären Museumsdirektors, dem er nun das Buch „Franz Meyer, der Museumsmann" widmet. Für den heute knapp 70-Jährigen war die vornehme Herkunft mehr Fluch als Segen: „Ich wurde im Olymp geboren und landete in der Scheiße." (Matthias Dusini)

Die gesamte Rezension und mehr über das Buch unter faltershop.at


Der Fassadenleser #105

Klaus-Jürgen Bauer

Die neotheresianische Opulenz

Maria Theresias Interessen waren Verwaltung, Kindererziehung und Kriegsführung. Ein besonderer Hang zur Architektur kann ihr – im Gegensatz zu ihrem Vater – eigentlich nicht nachgesagt werden. Selbst Schönbrunn ist nur ein müder Abklatsch des epochalen Entwurfes, den Fischer von Erlach im Jahr 1688 für ihren Großvater gemacht hatte: einer der bedeutendsten Palastentwürfe der Architekturgeschichte.

Alles baucht sich, alles ist in Bewegung © Klaus-Jürgen Bauer

Die Kaiserin veranlasste mit ihren Staatsbauten außerdem einen Paradigmenwechsel: Österreich orientierte sich architektonisch nicht mehr länger an Italien, sondern am strengen Frankreich. Während ihr Erbfeind in Preussen das Rokoko zu einer Staatskunst entwickelte, war das mariatheresianische Bauen durch Sparsamkeit und Nüchternheit geprägt: Die Höhepunkte ihrer Epoche sind Innenräume.

Umso erstaunlicher ist es, welche Opulenz habsburgbegeisterte Wiener Bauherren um 1900 in der Verehrung der Kaiserin an den Tag legten. Bei diesem Haus in der Gersthofer Straße quillt es geradezu aus allen Ecken heraus. Alles baucht sich, alles ist in Bewegung. Echte mariatheresinanische Vorbilder für solche Verehrungsarchitekturen lassen sich schwerlich finden. Ähnliche Gestaltungselemente gibt es am ehesten noch im barocken Möbelbau. Was aber um 1900 gar nicht möglich gewesen wäre: eine mariatheresianisch-neobarocke Fassade, die nicht habsburgergelb, sondern polarblau gefärbelt war.


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