Nach gefühlt ewiger Zeit nun endlich am richtigen Ort
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Nach ewiger Zeit am richtigen Ort

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Umbettung des gefallenen Weltkriegspiloten Willi Hildebrand auf dem Friedhof in Leeste, links Joachim Kozlowski, rechts Volker Kammann.
Umbettung des gefallenen Weltkriegspiloten Willi Hildebrand auf dem Friedhof in Leeste, links Joachim Kozlowski, rechts Volker Kammann. © Anke Seidel

Es war ein tragischer Tod und eine scheinbar unendliche Reise: Die sterblichen Überreste des Piloten Willi Hildebrandt sind in Weyhe-Leeste beigesetzt

Weyhe/Süstedt – 79 Jahre nach seinem Tod, nach einer gefühlten Ewigkeit, hat der Pilot Willi Hildebrandt seine letzte Ruhestätte gefunden. Am Mittwoch senkten Joachim Kozlowski (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) und Volker Kammann (Fachbereichsleiter der Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen) die sterblichen Überreste des Soldaten in die Erde der Kriegsgräberstätte in Weyhe-Leeste. Es war eine Umbettung, denn fast ein Vierteljahrhundert lang hatten die Gebeine des Toten in einem Grab am Kriegerdenkmal in Süstedt geruht – unter falschem Namen.

Dass eines der millionenfachen tödlichen Schicksale im Inferno des Zweiten Weltkriegs aufgeklärt werden konnte, ist der akribischen Spurensuche von Werner Oeltjebruns und Harald Koppenberg vom Verein „Flieger – Flugzeuge – Schicksale“ zu verdanken. Sie waren es, die am Ende mit einer DNA-Probe von Großneffen des Piloten die Identität von Willi Hildebrandt zweifelsfrei nachweisen konnten. Am Mittwochmorgen öffneten sie das Grab in Süstedt und betteten den Inhalt in eine vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bereitgestellte Urne, um sie zur Kriegsgräberstätte in Leeste zu bringen.

Glocken läuten

Die Glocken der Marienkirche läuteten, als sich Punkt zwölf Uhr 16 Trauergäste am Grab versammelten. Gemeindearchivar Hermann Greve erinnerte daran, dass es das 107. auf der Kriegsgräberstätte ist. Bestattet sind dort Männer, Frauen und Kinder, die während des Zweiten Weltkrieges im damaligen Kreis Grafschaft Hoya, aber auch im Kreis Grafschaft Diepholz ums Leben gekommen waren. Zwischen 1955 und 1961 erfolgten Zubettungen von Opfern des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in der Region so Greve, Soldaten, russische „Hilfswillige“, Zwangsarbeiter, Unbekannte...

Tragisches Ende eines Kriegsopfers

Niemand weiß, dass derweil im Süstedter Bruch ein weiteres Kriegsopfer liegt, dessen tragische Geschichte, wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, Volker Kammann rückblickend so zusammenfasst: „Ein einmotoriges Flugzeug stürzt nach einem Luftkampf schwer getroffen in die Tiefe und verschwindet fast vollständig in der feuchten Niederung. Was bleibt, ist nur ein kleiner Krater mit ein paar wenigen Blechfetzen darum herum. Niemand ahnt, dass der junge Flugzeugführer mit seinem Flugzeug den Tod gefunden hat. Auch mehrere Jahrzehnte nach Kriegsende ändert sich an diesem Zustand nichts.“

Erst Anfang der 1970er-Jahre werden bei Flurbereinigungsarbeiten Trümmerteile und Lederstücke entdeckt. Darüber wird die Polizei informiert, aber der Fall bleibt unklar. Das Technische Hilfswerk Hoya will der Sache auf den Grund gehen, scheitert aber am Grundwasserspiegel.

Als Werner Oeltjebruns Mitte der 1980er-Jahre Fotos von der Aktion und den gefundenen Überresten erhält, ist dem erfahrenen Hobbyforscher schnell klar: Hier ist eine Focke-Wulf Fw-190 A-8 der deutschen Luftwaffe mit ihrem Piloten an Bord abgestürzt. „Die bruchstückhaften Informationen führen zunächst zu einer falschen Zuordnung. Die wenigen Überbleibsel der Person werden mit falschem Namen in Süstedt auf dem Ehrenhain des Kriegerdenkmals unter Beteiligung der Öffentlichkeit beigesetzt. Der Irrtum zur Person bleibt lange unbemerkt“, berichtet Volker Kammann.

Schicksalhafte Fügung

Es scheint wie eine schicksalhafte Fügung, dass Werner Oeltjebruns über Umwege Dokumente erhält, die den Absturz des Flugzeuges im Süstedter Bruch genauer dokumentieren: Der ehemaligen Revier-Oberwachtmeister Otto Meierdirks hat in einem kleinen Notizbuch Flugzeugabstürze akribisch festgehalten – auch den am 12. Oktober 1944, 11.45 Uhr.

Doch zu viele Unterlagen der Luftwaffe sind verschollen, zu viele Fragen ungeklärt. Wieder erscheint es als schicksalhafte Fügung, dass bei einer Grabung 2018 wegen des hohen Grundwasserstands nur ein Teil eines Gürtels an der Absturzstelle gefunden wird: Die darin erhaltene Inschrift weist auf einen Hersteller in Vlotho an der Weser hin. Eine enorm wichtige Spur, weil auch einer der vermissten Piloten aus Vlotho stammt.

Werner Oeltjebruns spricht Verwandte des Verschollenen an, schlägt eine DNA-Probe vor: Die der Großneffen von Willi Hildebrandt stimmen zu 99,9 Prozent mit den in Süstedt gefundenen DNA-Proben überein!

Es ist eine Geschichte, die Manfred Streich als Weyher Vertreter des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge zutiefst beeindruckt. Für ihn ist die letzte Ruhestätte von Willi Hildebrandt das Symbol „für alle Soldaten, die im Augenblick auf der ganzen Welt ihr Leben lassen müssen“. Ein Fanal für das Ende aller Kriege in der Welt also. Dass ein Opfer der Gewalt wie der lange verschollene Pilot endlich seine letzte Ruhe und damit Frieden findet, ist die Hoffnung von Pastor Stephan Knapmeyer. Ein Symbol dafür ist das Blumen-Gesteck, das Astrid Schlegel als Weyher Ratsvorsitzende schweigend vor das Grab legt.

Mehr als 23 Jahre lang lagen die sterblichen Überreste von Willi Hildebrandt unter falschem Namen in einem Grab am Kriegerdenkmal in Süstedt.
Mehr als 23 Jahre lang lagen die sterblichen Überreste von Willi Hildebrandt unter falschem Namen in einem Grab am Kriegerdenkmal in Süstedt. © Oliver Siedenberg
„Unbekannter Soldat 1933-45, beerdigt 6.1.2001“ steht auf der Plakette, die Umbetter Joachim Kozlowski in Süstedt in der Hand hält.
„Unbekannter Soldat 1933-45, beerdigt 6.1.2001“ steht auf der Plakette, die Umbetter Joachim Kozlowski in Süstedt in der Hand hält. © Oliver Siedenberg

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