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Brotherhood – Kritik

Zwei unterschiedliche Brüder werden in den Wirren des Koreakrieges zu Kontrahenten. Der technisch brillante Brotherhood ist wahrscheinlich einer der blutrünstigsten Kriegsfilme aller Zeiten.

Brotherhood

Der seit Jahren anhaltende Kinoboom in Korea sorgt sowohl dafür, dass das handwerkliche Können der Filmschaffenden inzwischen weltweit seinesgleichen sucht, als auch dafür, dass Prestigeproduktionen inzwischen mehr als ansehnliche Budgets zur Verfügung haben. Brotherhood (Taegukgi hwinalrimyeo) ist einer dieser koreanischen Blockbuster, die sich vor amerikanischen Großproduktionen in technischer Hinsicht nicht zu verstecken brauchen. Regisseur Kang Je-gyu zeigt bereits in der Rahmung der Handlung, dass er auch die erzählerischen Kniffe eines Steven Spielberg sicher beherrscht.

Massengräber werden ausgehoben. Viele Gefallene aus dem Koreakrieg in den Jahren zwischen 1950 und 53 sind bis heute nicht identifiziert. In einem dieser nie völlig vergessenen Gräber wird die Leiche eines Lee Jin-seok aufgefunden. Doch dieser Lee Jin-seok ist noch am Leben. Und er weiß, wer an seiner Stelle das Leben lassen musste.

Brotherhood

Diese Eröffnungssequenz erinnert an die ähnlichen Prologe der beiden Historienfilme Spielbergs aus den 90er Jahren, Schindlers Liste (Schindler’s List, 1993) und Der Soldat James Ryan (Saving Private Ryan, 1998). Die eigentliche Handlung des Films spielt sich während des Koreakrieges ab. Auch hier benutzt Brotherhood zunächst ähnliche Strategien wie viele der epischen Geschichtsstunden Hollywoods. Die komplexe historische Situation wird in einer simplen Familiengeschichte gespiegelt und dadurch zwangsläufig vereinfacht.

Der junge Lee Jin-seok (Won Bin) ist Student und die große Hoffnung seiner Familie. Sein Bruder Lee Jin-tae (Jang Dong-gun) hat die Schule verlassen und angefangen, als Schuhmacher zu arbeiten, um dessen Ausbildung zu finanzieren. Auch die Mutter der Brüder und Lee Jin-taes Verlobte Young-shin (Lee Eun-ju) nehmen für Lee Jin-seok gerne alle Mühen auf sich. Doch der Beginn der Kampfhandlungen am 25.06.1950 droht, alle Bemühungen der am Existenzminimum lebenden Familie zu zerstören. Beide Söhne werden von der südkoreanischen Armee zwangsverpflichtet.

Brotherhood

Ein harter Schnitt befördert den Zuschauer aus der Familiengeschichte ins Kampfgeschehen – und scheinbar in einen anderen Film. Die Bilder der sich in einem Truppentransport entfernenden Brüder und der weinenden Frauen werden von blutüberströmten Verwundeten auf einer Bare abgelöst. Bereits die ersten Einstellungen der Front zeigen, dass Brotherhood vor allem eines sein möchte: ein kompromissloser Kriegsfilm, je härter, desto besser. Verbrennende Gesichtshaut, Wunden in Nahaufnahme und - immer und immer wieder - in der Luft zerfetzende Körper prägen die ausgedehnten, oft minutenlang ohne Atempause inszenierten Schlachtengemälde. Auch hier wird deutlich, dass Kang Je-gyu sein Handwerk versteht. Brotherhood erhöht die Intensität der Bilder durch dezenten Musikeinsatz, der die dargestellten Kampfhandlungen zusätzlich emotional auflädt, jedoch nie zu sehr in den Vordergrund rückt und deshalb keine Möglichkeit bietet, Distanz zu der blutigen Leinwand aufzubauen. Eine ähnliche Wirkung hat die Kameraführung, die durch ständige Fahrten, Schwenks und Zooms das Geschehen bis zum Bewegungsmaximum mobilisiert und dennoch die Hauptfiguren nie aus dem Blickfeld verliert, dem Zuschauer immer eine privilegierte Perspektive ermöglicht.

Brotherhood ist, abgesehen vom melodramatischen Beginn, Bewegungskino fast in Reinform. Wenig Interesse zeigt der Film angesichts der kinetischen – und viszeralen – Exzesse an vielen Elementen, die den amerikanischen Kriegsfilm entscheidend prägen. Militärische Taktik spielt in der Filmhandlung ebenso wenig eine Rolle wie Befehlsstrukturen und Hierarchien, die in der Einheit, in die es die Brüder verschlagen hat, höchstens rudimentär vorhanden zu sein scheinen. So kann sich Lee Jin-tae mit Leichtigkeit über die Anweisungen seiner Vorgesetzten hinwegsetzen und entwickelt sich bald zum Kriegsheld. Anfangs besteht seine Motivation darin, seinen Bruder durch eigene Heldentaten aus der Schusslinie zu halten, doch bald verfällt er der Propaganda der Militaristen, lässt sich vom fanatischen Kommunistenhass seiner Mitstreiter anstecken und quält Kriegsgefangene und Zivilisten in barbarischer Weise. Lee Jin-seok dagegen behält auch zwischen Leichenbergen seine humanistischen Ideale und entfremdet sich immer mehr von seinem Bruder, was in einem unerwarteten Finale gipfelt.

Brotherhood

Die bedingungslose emotionale Einbeziehung des Publikums durch extrem körperliche Schockbilder einerseits und die Opposition zweier unterschiedlicher, stark konturierter Charaktere andererseits, entfernen den Film von amerikanischen Genrebeiträgen und rücken Brotherhood in die Nähe von John Woos Meisterwerk Bullet in the Head (Die xue jie tou, 1990), das ebenfalls den historischen Hintergrund, in diesem Fall den Vietnamkrieg, vor allem als Hintergrund eines moralischen Konflikts zweier Charaktere nutzt.

Als Ganzes kann der Film allerdings nicht immer überzeugen, was vor allem damit zu tun hat, dass er nicht die inhaltliche und formale Geschlossenheit von Bullet in the Head erreicht. Kang Je-gyu beschränkt sich nicht auf das gut ausgearbeitete Brüderdrama, sondern versucht zusätzlich, den Koreakrieg historiografisch aufzuarbeiten. Inwieweit der Unterhaltungsfilm für diese Aufgabe grundsätzlich geeignet sein kann, sei dahingestellt, doch Brotherhood bietet zumindest genügend Argumente gegen solche Unterfangen. Der reale Hintergrund des Konflikts dringt sporadisch ein in die Ströme aus Blut und Berge zerfetzer Gliedmaßen, doch die Verweise auf den amerikanischen General MacArthur oder die Versuche, ein Bild der hysterischen Kommunistenjagd im Süden Koreas darzustellen, gehen in den Kampfeswirren gnadenlos unter, verbleiben blasse Fußnoten. Dem Werk gelingt es nie, eine koreanische Perspektive auf diesen Krieg zu etablieren, die mit der amerikanischen aus Sam Fullers The Steel Helmet (1951) konkurrieren könnte. Kang Je-gyu beschränkt sich darauf, das Publikum in einen 148 Minuten lang anhaltenden emotionalen und körperlichen Ausnahmezustand zu versetzen. Brotherhood ist in mancher Hinsicht mehr Hollywood als Hollywood. Jarhead (2005) beispielsweise, der letzte große amerikanische Kriegsfilm, macht im Vergleich mit dem koreanischen Beitrag einen äußerst biederen, altmodischen Eindruck.

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Kommentare


Wonni

Ich kann es absolut nicht verstehen, was der Reporter da schriebt. In diesem Film geht es doch genau um den Koreakrieg und um die Teilung und mit dem verbundenen Schmerz! Die Kriegszenen werden fast zur Nebensache. Dieser Film vermittelt eher Moral und die Grausamkeit eines Krieges. Für mich ist dieser Film einer der Besten Filme überhaupt!!


Veritas

Richtig! Der Film ist der beste Kriegsfilm aller Zeiten! Neutrale Sichtweise, und er zeigt die Schmerzen des Krieges auf. Ein muss für alle! Ich gebe ihm 11 von 10 Sternen!


RGB

Dito!!


tomblue

Ein beeindruckender, emotionaler und wichtiger Film. Erstaunlich wie ein koreanischer Regisseur mit einem verhältnismässig geringen Budget (ca. 15 Mio) dieses Werk realisieren konnte. Besonders hervorzuheben ist das der Film weder dem Süden noch dem Norden eine Heldenrolle zuweist - Massaker und Kriegsverbrechen finden auf beiden Seiten statt. Somit ist der Film meilenweit vom Patriotismus amerikanischer Kriegsfilme entfernt was für zusätzliche Glaubwürdigkeit sorgt. Ganz grosses Kino wo alles stimmt: sehr gute Darsteller, ein spitzen Soundtrack, eine mitreissende Story und hervorragende Kamera - teilweise fühlt man sich fast live im Kriegsgeschehen dabei. Einer der besten Kriesgfilme überhaupt.


Nikolas

Hatte den Film leider im Kino verpasst und mir jetzt die DVD gekauft. Schliesse mich allen "Vorpostern" an:

Der Film ist einfach nur WOW!!!

Ein sehr sehr guter und emotionaler Kriegsfilm mit Gänsehautgarantie. Tolle Aufnahmen und die Schlachtszenen sind ebenfalls sehr eindrucksvoll umgesetzt. Das innige Verhältnis der Brüder ist absolut genial in Szene gesetzt und realistisch.

Fazit: Ein absoluter Pflichtkauf für die Sammlung


Yamamoto

Schließe mich den Kommentaren hier an. Meilenweit vom Patriotismus der Amis entfernt. Keine Helden sondern nur arme Teufel. Exellente Darsteller, klasse Story, toller Soundtrack der nicht megalaut wie bei den Amis ist und ein gnadenlos guter Ton. Ein Anti-Kriegsdrama mit Note 1.






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