Corona-Ausschuss in Potsdamer Landtag: Ehefrau von Olaf Scholz, Britta Ernst, kann sich nicht erinnern

Corona-Ausschuss: Ehefrau von Olaf Scholz kann sich nicht erinnern

Ein Untersuchungsausschuss in Brandenburg will die Corona-Politik aufarbeiten. Doch Lothar Wieler und Britta Ernst haben Erinnerungslücken.

Erinnerungslücken beim Corona-Untersuchungsausschuss in Potsdam: Britta Ernst ist im April 2023 als Brandenburger Bildungsministerin zurückgetreten.
Erinnerungslücken beim Corona-Untersuchungsausschuss in Potsdam: Britta Ernst ist im April 2023 als Brandenburger Bildungsministerin zurückgetreten.Martin Müller/imago

Über die Gattin des Bundeskanzlers ist wenig bekannt. Das liegt womöglich daran, dass sie weniger Schlagzeilen-trächtig daherkommt als so manche Frau vergleichsweise unbedeutenderer deutscher Politiker.

Stephanie Anna Charlotte Buhl-Freifrau von und zu Guttenberg etwa glänzte, als ihr Gatte Karl-Theodor (CSU) noch als heißer Kanzleramtsanwärter gehandelt wurde, so hell an der Seite ihres Mannes, dass sich nicht wenige Deutsche die beiden als Staatsoberhäupter gewünscht hätten, egal was er außer seiner Doktorarbeit noch alles gefälscht hätte. Die von und zu Guttenbergs galten der Boulevardpresse eben als Glamour-Paar – erst kürzlich wurde ihre Trennung bekannt.

Rudolf Scharping (SPD) galt auch einmal als Kanzlerkandidat, doch ein einziges Titelbild mit einer ihm damals nicht einmal angetrauten Dame – ebenfalls adeliger Herkunft – sorgte für sein politisches Ende: Während die Bundeswehr Militäreinsätze in Mazedonien absolvierte, ließ sich der damalige Verteidigungsminister und Parteivorsitzende Scharping mit der Frankfurter Gräfin Kristina Pilati auf dem Titel der Bunte abbilden – badend und liebkosend im Pool. Dass er sie später ehelichte, änderte auch nichts mehr an der Tatsache, dass er recht fix all seine Ämter verlor.

Manche geraten nie in die Schlagzeilen

Angela Merkel (CDU) hingegen verbrachte 16 Jahre Kanzlerschaft, ohne dass ihr Gatte Joachim Sauer weiter aufgefallen wäre. Und so ähnlich, oder sogar noch unauffälliger, verhält es sich auch mit der Gattin des amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), denn von ihr kennen viele nicht einmal den Namen: Britta Ernst, ebenfalls SPD. Sie ist aktives Parteimitglied seit 1978 und verheiratet mit Scholz seit 1998.

Die einen streben nun mal einfach nicht ins Rampenlicht, die anderen sind so unauffällig, dass selbst wenn es Schlagzeilen um sie gibt, diese nie wirklich bundesweit Aufmerksamkeit erregen. Dass Britta Ernst im April 2023 überraschend als Bildungsministerin Brandenburgs zurückgetreten ist, unter anderem weil in dem Bundesland bald 600 Lehrerstellen nicht besetzt werden können, war das niemandem eine überregionale Titelseite wert. Viele wussten nicht einmal, dass sie vorher überhaupt Bildungsministerin gewesen war. Und auch ihr jüngster Auftritt im Potsdamer Landtag wurde medial kaum beachtet.

Dabei hatte der es durchaus in sich, denn Britta Ernst konnte sich Mitte Oktober 2023 im Corona-Untersuchungsausschuss des brandenburgischen Landtages – ein bisschen wie ihr Ehemann etwa in der Cum-Ex-Affäre – an einiges nicht mehr so recht erinnern.

Ernst war 2021, auf dem Höhepunkt der Corona-Krise, Präsidentin der Kultusministerkonferenz gewesen und damit unter anderem auch zuständig für die Schließungen von Schulen. Daran wiederum können sich die meisten Wähler wohl nicht erinnern; das Nicht-Erinnern beruht also auf Gegenseitigkeit. Dass ihre Nachfolgerin in diesem Amt von 2022, Karin Prien (CDU), dem Wahlvolk viel eher in Erinnerung geblieben ist, liegt auch daran, dass letztere deutlich öfter im Fernsehen aufgetreten ist als die Frau von Olaf Scholz, unter anderem des Öfteren bei Markus Lanz im ZDF. Britta Ernst wiederum kennt man eher von Fotos, die sie auf dem Hamburger Fischmarkt an der Seite ihres Fischbrötchen essenden Gatten zeigen, zusammen mit dem französischen Präsidenten und dessen – wiederum sehr schlagzeilenträchtiger – Ehefrau.

Britta Ernst (M.) zusammen mit ihrem Gatten Olaf Scholz (v.r.) sowie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron (l.) und dessen Ehefrau Brigitte Macron (r.) beim Spaziergang durch das Treppenviertel in Blankenese, Hamburg, Anfang Oktober.
Britta Ernst (M.) zusammen mit ihrem Gatten Olaf Scholz (v.r.) sowie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron (l.) und dessen Ehefrau Brigitte Macron (r.) beim Spaziergang durch das Treppenviertel in Blankenese, Hamburg, Anfang Oktober.dpa

Sei es drum: Die Unbekanntheit von Britta Ernst kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich vor dem Corona-Ausschuss des Brandenburger Landtages in Widersprüche verstrickt haben soll. So berichtete zumindest der Nordkurier im Oktober ausführlich zu der Causa: Britta Ernst, die zu ihrer Zeit stark für die Impfung gegen Corona geworben und vor allem die Impfung für Kinder vorangetrieben haben soll, wurde nun in Potsdam dazu befragt, ob sie das mit dem heutigen Kenntnisstand über das Risiko von Nebenwirkungen wieder tun würde. Ernst hatte etwa im November 2021 gesagt, dass eine hohe Impfquote „für das Wohlergehen der Kinder entscheidend“ sei.

Auf die diesbezügliche Befragung durch die brandenburgische CDU-Abgeordnete Saskia Ludwig habe Britta Ernst nun in Potsdam zunächst geantwortet, so der Nordkurier, dass für sie damals die Empfehlung der Ständigen Impfkommission entscheidend gewesen sei.

Durch die Stiko werde „der Maßstab gesetzt“, zudem habe sie „keinen Zweifel an der Arbeit der Stiko“, deshalb habe sie sich „die Erkenntnisse, die dort auf wissenschaftlicher Basis getroffen werden, selbstverständlich zu eigen gemacht“, so Ernst laut der Zeitung. Zu ihrer Aussage vom November 2021 habe sie gesagt: „Ich vermute, dass sich dieses Zitat hinsichtlich der Impfquote vorwiegend auf die Erwachsenen bezog.“ Ernst soll weiter gesagt haben: „Darüber hinaus hat die Stiko auch die Impfung von Kindern und Jugendlichen empfohlen, und dem sind wir dann auch gefolgt.“

Britta Ernst glaubte an die Stiko, forderte aber Impfempfehlungen von ihr

Doch diese Aussagen passen nicht dazu, dass Britta Ernst 2021 gefordert hatte, Kinder und Jugendliche zu impfen, noch bevor die Stiko das empfohlen hat. Im Gegenteil: Ernst gehörte sogar zu denjenigen, die die Stiko damals öffentlich unter Druck gesetzt hatte, eine Impfempfehlung für gesunde Kinder und Jugendliche abzugeben. Bereits im Juli 2021 hatte sich Ernst im Inforadio des RBB für eine Impfung von Kindern ab zwölf Jahren eingesetzt. In dem Beitrag heißt es wörtlich: „Ernst forderte von der Stiko, eine klare Empfehlung für diese Impfungen auszusprechen.“ Eine entsprechende Stiko-Empfehlung gab es zu diesem Zeitpunkt also noch nicht, an die sich Britta Ernst, wie sie nun vor dem Brandenburger Landtag gesagt hatte, hätte anlehnen können.

Warum nicht gleich ihr Ehemann im Corona-Ausschuss in Sachen Corona-Aufarbeitung befragt wurde, der seit Dezember 2021 Bundeskanzler ist, oder auch seine Vorgängerin Angela Merkel sowie der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU), ist schnell erklärt: Weil dies vor Gericht ausgefochten und daraufhin abgelehnt wurde.

Brandenburg ist das einzige Bundesland, das mittlerweile schon den zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Corona abhält – und zwar auf Antrag der AfD-Fraktion, die dort besonders stark vertreten ist. Ein Landtag hat nach deutschem Recht die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, sobald ihn ein Fünftel seiner Mitglieder beantragt. Die AfD gewann bei der Landtagswahl 2019 23,5 Prozent der Stimmen und ist damit hinter der SPD (26,2 Prozent) zweitstärkste politische Kraft. Die nächste Landtagswahl findet 2024 statt.

Ein erster Untersuchungsausschuss in Potsdam hatte sich mit der Corona-Politik bis Herbst 2020 beschäftigt, er wurde vor kurzem beendet. Im nun zweiten Untersuchungsausschuss, der seit März läuft, soll es um die Frage gehen, wie zufriedenstellend es mit der Pandemie-Politik in Brandenburg seit September 2020 weiterging.

Nicht alle scheinen mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses glücklich zu sein. Die wenigen Medien, die bisher darüber berichtet haben, statuieren eine geringe Ausbeute der monatlichen Befragungen der geladenen Experten im Potsdamer Landtag. Liegt das daran, dass der Untersuchungsausschuss überflüssig ist und den Steuerzahler unnütz Geld kostet, während er nur dazu da ist, dass sich die Opposition (AfD) wichtig macht, indem sie die Regierung vorführen will, die während der Pandemie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat, wie es einige konstatieren?

Oder liegt es daran, dass dieser brandenburgische Ausschuss nur brandenburgische Themen beraten kann und deshalb die bundesweiten Corona-Themen ausklammern muss, weshalb auch Scholz, Merkel und Spahn dort nicht antreten müssen, und der Ausschuss-Vorsitzende Danny Eichelbaum (CDU) deshalb immer wieder Fragen als unzulässig zurückweisen muss, wie andere Medien berichten?

Oder aber liegt es daran, dass etwa zuletzt geladene Experten vom Robert-Koch-Institut (RKI) oder dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) laut Medienberichten sogenannte Aussagegenehmigungen von ihren ehemaligen Arbeitgebern mit auf den Weg bekommen haben, oder sogar vom Gesundheitsministerium, oder manchen gar ein sogenannter Aufpasser zur Seite gestellt wurde?

Lothar Wieler, der durch die Pandemie berühmt geworden und bis März 2023 Präsident des RKI gewesen war und in Potsdam am 1. September vor den Untersuchungsausschuss trat, legte jedenfalls eine drei Seiten lange Aussagegenehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vor. In dem Papier, das den Ausschussmitgliedern erst am Vorabend der Befragung zugegangen war, stand, wozu Wieler sich äußern dürfe und wozu nicht. Darüber hinaus wurde der Antrag der AfD zurückgewiesen, die Genehmigung öffentlich zu verlesen, um so transparent zu machen, worüber der Zeuge nicht reden darf.

Warum darf Wieler nicht frei sprechen?

Für Aufsehen sorgte weiter, dass Wieler in Begleitung des Leiters der Unterabteilung 61 (Gesundheitssicherheit) aus dem Gesundheitsministerium, Heiko Rottmann-Großner, erschien. Dieser kommunizierte während der Anhörung mit Wieler – und zwar so massiv, dass es zu einem Eklat kam: Als sich Ausschussmitglieder über die Einflussnahme des Mannes durch Zettel und Handzeichen auf den Zeugen Wieler beschwerten, forderte der Ausschussvorsitzende von der CDU Rottmann-Großner auf, sich von Wieler wegzusetzen. Er sei hier, um „auf die Richtigkeit der Aussagen zu achten“, sagte Rottmann-Großner. Doch der Ausschussvorsitzende wies ihn zurecht und sagte: „Sie dürfen hier nicht reden.“

Der Nordkurier berichtet, der Wieler-Aufpasser sei „seit Jahren im Ministerium verankert, diente auch unter Jens Spahn. Rottmann-Großner gilt als Strippenzieher strenger Lockdown-Maßnahmen wie Ausgangssperren und der Schließung des öffentlichen Lebens“, so die Zeitung.

Das klingt nun weniger nach Unergiebigkeit des Ausschusses als nach einem Krimi. Aber was hat Wieler denn nun eigentlich ausgesagt oder aussagen dürfen?

Einsehbare Protokolle gibt es von den Ausschusssitzungen nicht, deshalb muss man sich auf jene wenigen Medien verlassen, die von den Sitzungen berichten und dafür teils auf interne Unterlagen zurückgreifen, die ihnen offenbar von Ausschussmitgliedern zugespielt wurden, sofern sie nicht selbst bei den Sitzungen anwesend waren:

Demnach habe Wieler – wiederum laut Nordkurier – im September in Potsdam auf Nachfrage eingeräumt, dass ein PCR-Test nicht nachweisen könne, ob ein Mensch einen anderen Menschen anstecken könne, und dass das RKI nicht für eine zuverlässige Datenerfassung in Zusammenhang mit Corona und Impfungen hätte sorgen können. Der Impfstatus von 75 Prozent der Covid-19-Erkrankten bleibe somit ungeklärt.

Wörtlich überliefert ist aber auch sein Zitat: „2020 im Frühjahr hat der Lockdown das Infektionsgeschehen massiv reduziert. Das muss man doch sehen. Das Infektionsgeschehen ist massiv reduziert worden.“ An vielen Stellen habe sich der ehemalige Leiter des RKI, der zum 1. April aus dem Amt schied und an das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam wechselte, auf Erinnerungslücken berufen. Akten durfte er laut dem geheimen Schreiben des Gesundheitsministeriums nicht zur Befragung mitnehmen.

Das PEI war offenbar mit Nebenwirkungen überfordert

Eine ähnliche Aussagegenehmigung wie Wieler soll auch die ehemalige Chefin für Arzneimittelsicherheit am Paul-Ehrlich-Institut erhalten haben, Brigitte Keller-Stanislawski. Sie war ebenfalls im September und dann noch mal im Oktober vor dem Untersuchungsausschuss zu Gast. Sie sagte wörtlich laut berichtenden Journalisten im September: „Es hieß, der Impfstoff habe keine Nebenwirkungen. Da ist die Frage, wie man zu dieser Aussage kam.“ Und weiter auf die Frage: „Hat das PEI die Landesregierung darüber unterrichtet, dass der Impfstoff keinen Fremdschutz bietet?“ Antwort: „Dafür habe ich keine Aussagegenehmigung.“

Befragte die geladenen Zeugen im Corona-Untersuchungsausschuss eifrig: Saskia Ludwig (CDU) im Landtag  in Potsdam. 
Befragte die geladenen Zeugen im Corona-Untersuchungsausschuss eifrig: Saskia Ludwig (CDU) im Landtag in Potsdam. dpa

Überliefert ist ebenso ein Zitat von ihr über eine offenkundig massive Überforderung des PEI mit der Erfassung von Impfnebenwirkungen: „Es gab Leute, die haben sich nur um Todesfälle gekümmert, und Leute, die haben sich nur um Myokarditis gekümmert. Wir hatten ja viel mehr Arbeit als je zuvor, nur durch diesen Impfstoff.“ Und weiter: „Wir haben aus anderen Abteilungen Hilfe bekommen, weil wir zu wenig Leute für die Bearbeitung der Impfnebenwirkungen hatten.“

Die Ärztin ist seit September 2023 pensioniert und war zuvor am PEI unter anderem für die Erfassung von gemeldeten Nebenwirkungen und Impfschäden zuständig. Sie leitete seit 1996 die Pharmakovigilanzeinheit am PEI und von 2003 bis 2023 die dortige Abteilung „Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten“.

Ihr weiterer Auftritt beim letzten Ausschuss im Oktober wird von keinem Medium berichtet. Ihre Aussage sei vor dem Ausschuss im Hinblick auf den Brandenburg-Bezug so zerpflückt worden, dass es kaum berichtenswerte Zitate gegeben habe, heißt es.

Pressesprecher stört sich an Berichterstattung

Ein überregionaler Untersuchungsausschuss zu Corona im Bundestag, in dem dann auf Antrag auch etwa Lauterbach, Spahn, Merkel oder Scholz aussagen müssten, wurde von der Mehrheit der Parteien abgelehnt.

Der Pressestelle des Landtags in Potsdam scheint übrigens die Berichterstattung des Nordkurier zu missfallen, zumindest hat der dortige Pressesprecher der Chefredaktion des berichtenden Reporters eine Beschwerde-Mail geschickt, in der er die Arbeit des Nordkurier kritisiert – unter anderem, weil dieser aus vertraulichen Unterlagen berichtete. Der Nordkurier reagierte darauf mit der Veröffentlichung jenes Schreibens am gestrigen Mittwoch. Und schickte gleich noch eine öffentliche Antwort hinterher, in der er dem Pressesprecher rät, sich mit presserechtlichen Fragen einmal näher zu beschäftigen.

An diesem Freitag nun tagt der Untersuchungsausschuss 7/3 mit dem Titel „Untersuchung der Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 und der Erkrankung Covid-19 (UA Corona 2)“ erneut in Potsdam, ganztägig. Befragt werden sollen diesmal je ein Vertreter der Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Und auch noch einmal die Gattin des Bundeskanzlers: Britta Ernst.