Corona-Untersuchungsausschuss – Hat Kanzler-Gattin Britta Ernst gelogen?
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Eklat im Landtag

Corona-Untersuchungsausschuss – Hat Kanzler-Gattin Britta Ernst gelogen?

Brandenburg / Lesedauer: 5 min

Zunahme häuslicher Gewalt gegen Kinder in der Corona-Zeit und Impf-Flyer ohne Stiko-Empfehlung: Die Ehefrau des Kanzlers verstrickt sich erneut in Widersprüche.
Veröffentlicht:19.11.2023, 05:56

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Die Frau von Bundeskanzler Olaf Scholz, Brandenburgs ehemalige Ministerin für Bildung, Jugend und Sport Britta Ernst, sorgte in der aktuellen Sitzung des Corona-Untersuchungsausschusses mit ihren Aussagen für Aufsehen. Ernst wurde stundenlang zu ihrer Rolle in der Corona-Zeit vernommen. Bei der Fragen nach der Verantwortung für eine Infobroschüre zum Thema Kinderimpfung widersprach sich die Ex-Ministerin wie auch schon bei ihrer ersten Zeugenvernehmung massiv.

Zuschauer mussten zeitweise den Saal verlassen

Der CDU-Abgeordneten Saskia Ludwig, die viele der Fragen stellte, wurde es schließlich zu bunt. Sie stellte mit Blick auf die Widersprüche klar: „Zeugen sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen.“ Der Ausschussvorsitzender Danny Eichelbaum (CDU) schloss die Öffentlichkeit daraufhin kurzfristig aus, alle Zuschauer und Pressevertreter mussten vorübergehend den Saal verlassen.

Ernsts Ministerium gab zweifelhaften Corona-Impfflyer für heraus

Bei der Befragung ging es um einen Impfflyer, der sich gezielt an Kinder und Jugendliche gerichtet hatte und der vom Ministerium für Bildung und Jugend unter der Verantwortung von Frau Ernst in Brandenburg verschickt wurde. In dem Flyer heißt es unter anderem: „Dass Nebenwirkungen erst lange Zeit später auftreten, gibt es kaum; der Impfstoff wird im Körper wieder abgebaut.“ 

Die Frage „Kann ein so schnell entwickelter Impfstoff sicher sein?“ wird in dem Flyer so beantwortet: „Ja. Fakt ist: Bei der Sicherheit werden keine Kompromisse gemacht.“ Zudem findet sich der explizite Hinweis: "Wenn Du nicht geimpft bist, hast Du ein größeres Risiko, Dich anzustecken".

"Aber es ist schon klar, dass der Zeuge verpflichtet ist, die Wahrheit zu sagen?"

Saskia Ludwig wollte mehrfach wissen, wer aus fachlich-medizinischer Sicht für den Inhalt des Flyers verantwortlich sein. Hier hatte Britta Ernst zunächst geantwortet, dass fachliche Fragen in die Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums gehört hätten. Im weiteren Verlauf des Untersuchungsausschusses sprach sie dann davon, dass sowohl Gesundheitsministerium als auch ihr Ministerium für Bildung und Jugend dafür verantwortlich gewesen seien. Als CDU-Frau Ludwig weiter nachfragte, um eine eindeutige Antwort zur Verantwortung des im Flyer verwendeten „fachlichen Inputs“ zu erhalten, schaltete sich der Ausschussvorsitzende Danny Eichelbaum ein und erklärte, die Frage sei bereits beantwortet worden.

Ludwig entgegnete daraufhin, dass es „zwei verschiedene Aussagen“ von Frau Ernst zu ein und derselben Frage gebe. Eichelbaum wiederum sagte, dass die Wertung „möglicherweise verschiedener“ Zeugenaussagen nicht Bestandteil der Befragung sei und das zu einem späteren Zeitpunkt stattfände. Woraufhin Ludwig ihren Parteikollegen direkt ansprach: „Herr Vorsitzender, aber es ist schon klar, dass der Zeuge verpflichtet ist, die Wahrheit zu sagen und wir die Situation haben, dass es unterschiedliche Aussagen gibt?“

"Wir haben keinen medizinischen Sachverstand im Ministerium"

Daraufhin mussten Zuschauer und Pressevertreter den Saal für einige Zeit verlassen. Die Begründung: Es müssten „nötige Verfahrensfragen“ geklärt werden. Details dazu wurden nach Wiedereinlass der Zuschauer nicht preisgegeben.

Die AfD-Abegordnete Daniela Oeynhausen stellte im weiteren Verlauf der Befragung auch Nachfragen zur Entstehung des besagten Flyers und wollte ebenfalls wissen, wer welche Verantwortung trug. Hier antwortete Britta Ernst so: „Die Erstellung des Flyers ist zwischen den Ministerin gemeinsam gemacht worden und das Gesundheitsministerium hat den medizinischen Teil selbstverständlich verantwortet.“ Ernst sagte weiter: „Wir haben keinen medizinischen Sachverstand im Ministerium, deshalb können wir dazu gar nichts sagen.“

Am Nachmittag widersprach sich Britta Ernst dann erneut, als es um den bereits im Frühjahr 2020 zu Beginn der Corona-Zeit nachgewiesenen Anstieg häuslicher Gewalt in der Folge der Lockdowns und der Schulschliessungen ging. Auf Fragen des AfD-Abgeordneten Lars Hünich dazu sagte die Frau des Bundeskanzlers, natürlich sei zwar jeder davon ausgegangen, dass die „Einschränkungen psychosoziale Folgen für Kinder und Jugendliche haben“.

Massive Zunahme häuslicher Gewalt gegen Kinder

Aber Ernst sagte weiter: „Die Befragungen, Analysen und Studien dazu kamen erst so ab Ende 2020, so dass das, was wir mit gesundem Menschenverstand angenommen haben, dann auch wissenschaftlich belegt wurde.“

Saskia Ludwig hakte hier kurz darauf nach und verwies auf eine Studie der Gewaltschutzambulanz der Charité und der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, die bereits am 2. Juli 2020 veröffentlicht wurde - also lange vor dem von Frau Ernst mit „Ende 2020“ etwas ungenau bezifferten Zeitpunkt. In der Studie „Anstieg häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung im Zuge der Corona-Pandemie“ heißt es etwa: „Die Gewaltschutzambulanz verzeichnet im ersten Halbjahr 2020 einen Anstieg von 8 Prozent auf 783 Fälle (2019: 727 Fälle) bzw. von 11 Prozent im Vergleich zu 2018 (703 Fälle).“ Zudem seien „die Fälle von Kindesmisshandlungen 2020 im ersten Halbjahr um 23 Prozent gestiegen im Vergleich zu 2019“.

Ludwig fragte Ernst, ob und ab wann diese Studie im Ministerium auch mit Blick auf die folgenden Maßnahmen wie etwa Schulschließungen bekannt gewesen seien. Die Ex-Ministerin antwortete: „Ich weiß, dass wir zu Beginn der Pandemie, also März, April (2020, Anm. d. Red) keine Daten hatten, aber dass dann erfreulicherweise irgendwann Studien kamen.“ Sie könnte aber „den Monat nicht mehr benennen“ und auch nicht mehr sagen, ob sie im Juli 2020 „genau diese Studie wahrgenommen“ habe.

"Haben uns ein bisschen als Lobby für Kinder und Jugendliche verstanden"

Auch mögliche andere Studien zum Maßnahmen-bedingten Anstieg der häuslichen Gewalt gegen Kinder konnte Ernst am Freitag nicht konkret benennen. Allerdings seien die Probleme grundsätzlich bekannt gewesen, ohnehin habe man sich „ein bisschen als Lobby für Kinder und Jugendliche verstanden“.

Im August 2020 wurde in Brandenburg die Maskenpflicht an Schulen „im Schulgebäude, auf den Fluren, in der Mensa und ähnlichen Räumen“ eingeführt. Ab 1. Dezember 2020 galt die Pflicht zum Tragen einer Maske mit wenigen Ausnahmen dann auch „im Unterricht, in den Fluren und auf dem Pausenhof“. Ab Mitte Dezember 2020 durfte im Musikunterricht nicht mehr gesungen werden.

Eine Chronologie der Corona-Maßnahmen an Schulen und Kitas in Brandenburg finden Sie hier auf der Seite des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport.