Im ehemaligen Wohnzimmer sitzt die Straubinger Lokalredaktion

Haus mit Geschichte

Im ehemaligen Wohnzimmer sitzt die Straubinger Lokalredaktion

Das Haus am Ludwigsplatz ist eins, das besonders ist - dort wird nämlich seit vielen Jahrzehnten Zeitung gemacht. Welche Geschichte dahintersteckt und wie sich das Haus architektonisch darstellt, haben wir recherchiert.


Das Verlagsgebäude in Straubing am Ludwigsplatz ist ein Haus mit vielen Facetten.

Das Verlagsgebäude in Straubing am Ludwigsplatz ist ein Haus mit vielen Facetten.

Von Redaktion Straubing Stadt

Am 1. Juli 1860 erwarb Clemens Attenkofer die Lernosche Buchdruckerei an der Fürstenstraße in Straubing, die jedoch seinen Ansprüchen für ein aufstrebendes Verlags-, Druck- und Zeitungsgeschäft nicht genügte. Bereits 1861 kaufte er das Anwesen Flurlgasse 12, das nun zum Zentrum seines Betriebs wurde.

Seine Witwe Josephine eröffnete hier 1866 auch eine Buch- und Schreibwarenhandlung. Unter Verleger Georg Huber, den Josephine 1870 geheiratet hatte, wurde die Druckerei ausgebaut. Ihr gemeinsamer Sohn und Nachfolger Georg Huber legte besonderen Wert auf fortschrittliche Drucktechnik, er erweiterte 1901 das Anwesen und stellte als erster in Niederbayern und der Oberpfalz eine Zeilensetz- und Gießmaschine "Linotype" auf.

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Straubing, Flurlgasse 11: Blick in die Setzerei, um 1908

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Der alte Treppenaufgang

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Das Eulenrelief

Der Erfolg des Unternehmens erforderte aber mehr: Huber erwarb die Grundstücke Rosengasse 31 und 35 und Ludwigsplatz 32, um hier nach dem Abbruch der alten Gebäude ein repräsentatives und modernes Verlags- und Druckgebäude zu errichten. Im März 1929 war das Projekt fertig und ist bis heute Sitz und Heimat des Unternehmens "Cl. Attenkofer'sche Kunst- und Buchdruckerei" oder eben der "Mediengruppe Attenkofer".

Mit der Planung war die deutschlandweit bekannte Bau- und Immobilienfirma Heilmann & Littmann beauftragt, die unter anderem in München das Hofbräuhaus, das Prinzregententheater und - wohl für Huber mit ein Grund für die Auswahl dieser Firma - das Verlagsgebäude der "Münchner Nachrichten" in der Sendlinger Straße verantwortete. In Straubing war eine Besonderheit zu meistern: die Integration einer prächtigen barocken Hauskapelle, die ein früherer Besitzer, Bürgermeister Simon Höller, 1645 in sein Haus einbauen ließ und die heute zu Straubings großen Kunstschätzen zählt. Der neue Gebäudekomplex bestand aus dem Betriebsgebäude mit Druckerei und Buchbinderei an der Rosengasse und dem stattlichen Verlags- und Wohnbau direkt am Stadtplatz.

Die Architektur stieß auf kein Gefallen

Dessen Fassade wurde in dezenten Formen der Neorenaissance gestaltet mit einem sich über drei Stockwerke durchziehenden Mittelerker. In der Stadtverwaltung und im Landesamt für Denkmalpflege stieß die Architektur auf kein Gefallen, man trauerte dem abgebrochenen "kostbaren" Höller-Haus mit seiner Rokokofassade nach, fand "das Stadtbild in seinem Charakter grundlegend verändert".

Verleger Georg Huber verteidigte sein neues Gebäude: "… dessen äußere Erscheinung die Bedeutung der Presse in angemessener Weise betont, ohne dabei über den Rahmen des alten, behäbigen Barocks der Umgebung und der durch die heutige Wirtschaftsnot vorgeschriebenen, strengen Sachlichkeit und Sparsamkeit herauszufallen."

Im "architektonischen Schmuck" beschränkte man sich daher auf wenige Elemente, die in der Mittelachse der Fassade liegen - fast so, als hätte man das Motto des "Straubinger Tagblatts" aus seiner ersten Ausgabe vom 1. Oktober 1860 übernehmen wollen: "einfach und wahrheitsliebend, kurz und gut" zu berichten und die "Mittelstraße zu wandeln suchen". So thront hoch oben im Giebel, kaum erkennbar, als Schutzherrin von Haus und Unternehmen eine Marienfigur mit Jesuskind, eine "Patrona Bavariae"; sie soll laut Georg Huber eine bewusste Erinnerung an die berühmte Rosenstrauch-Madonna sein, die einst das Vorgängerhaus schmückte und nun im Bayerischen Nationalmuseum in München zu bewundern ist.

An zentraler Stelle, ein Stockwerk über dem Haupttor, ist ein Relief aus gegossenem Kunststein angebracht. Es weist eindeutig auf die Funktion des Gebäudes hin und bildet somit ein liebenswertes "Markenzeichen": Zwei Engel, in Form barocker Putti als nackte Knaben gestaltet, halten eine Art Girlande um eine gestrenge Eule. Diese hält in ihren Fängen zwei sogenannte Druckerballen - mit ihnen, eine Art lederbezogene Schlegel, wurde die Farbe gleichmäßig auf die Druckformen gestrichen. Der Raubvogel Eule galt seit der Antike wegen seiner scharfen Augen, seines nächtlichen Herumschweifens, des Aufenthalts an stillen Orten als Symbol für Weisheit und Klugheit. Und er taucht als Begleiter der "scharf- und weitblickenden" griechischen Göttin Athene auf. Sie und ihre römische Nachfolgerin Minerva verkörpern Tugend und Weisheit, Kunst und Wissenschaft, wurden zu Schutzherrinnen unter anderem der Lehrer, Philosophen und Handwerker.

Und bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts ist Minerva als Patronin der Buchdrucker bekannt, zahlreiche berühmte Drucker verwendeten ihr Bild samt Eule als Druckermarke. So erschließt sich wohl auch die Bedeutung des geheimnisvollen Frauenkopfes ein Stockwerk über dem Relief: Die Göttin Minerva wacht, so wie die Gottesmutter Maria, über die Druckerei und ihre Mitarbeiter - eine doppelte Absicherung! Geschmückt ist sie mit einem Diadem, das die Buchstaben St und T enthält, in der gleichen gotischen Frakturschrift, die seit der Gründung der Zeitung 1860 bis heute den Titel des "Straubinger Tagblatts" prägt.

Abgerundet wird das Bildprogramm durch reichhaltige Fruchtgirlanden, die vom Eulenrelief aus auf den Schriftzug "Cl. Attenkofer'sche Buch- u. Kunstdruckerei. Verlagsbuchhandlung" herabfallen. Sie sind durchaus als die vielfältigen Produkte dieses Unternehmens zu deuten und heben zugleich einen besonderen Raum hervor: 1928 lag dahinter das Wohnzimmer der Verlegerfamilie Georg Huber, heute ist dort die Lokalredaktion.

Vielzahl von inneren Umbauten im Gebäude

Denn das Gebäude erlebte im Lauf der Jahrzehnte eine Vielzahl an inneren Umbauten und Umstrukturierungen, den Anforderungen eines wachsenden Medienbetriebs entsprechend. Es wurden immer mehr Büro- und Redaktionsräume benötigt, Drucktechniken änderten sich gravierend. 1991 schließlich wurde unter der Verlegerschaft von Christa und Dr. Hermann Balle am Aster Weg 41 ein von Architekt Peter Prellwitz entworfenes Druckzentrum für die Zeitungen eingeweiht, das 2010 einen Erweiterungsbau erhielt.

2010 verlagerte man auch die Akzidenzdruckerei dorthin. Und auf dem Gelände am Aster Weg wurde Anfang März 2024 der Grundstein gelegt für die "Attenkofer Medienakademie", eine Herzensangelegenheit des Verlegers Dr. Martin Balle: Hier soll künftig vor allem jungen Menschen nicht nur Zeitungsgeschichte, sondern die Bedeutung der Medien und der Wert von Presse- und Meinungsfreiheit vermittelt werden. Mit der Errichtung in Holzbauweise und einer transparenten Optik, geplant vom Architekturbüro Brückner, ergänzt die Akademie die architektonische Vielfalt der Gebäude der Mediengruppe Attenkofer und ist zugleich - so wie jede Zeitungsausgabe - ein Dokument ihrer Zeit.

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Quellen- und Literaturhinweis:

Hausakt Ludwigsplatz 30; "Im neuen Heim", Festzeitung v. 9.3.1929; in: Firmen Verlag Attenkofer 7/2, Stadtarchiv Straubing; Stefan Maier, Das "Straubinger Tagblatt" und sein Gebäude, in: Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei von 1860 bis 2010. 150 Jahre Straubinger Tagblatt, Straubing 2010, S. 177-197.


Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Beilage "175 Jahre Mediengruppe Attenkofer".