Zum 85sten Geburtstag von Boris Spassky | ChessBase

Zum 85sten Geburtstag von Boris Spassky

von André Schulz
30.01.2022 – Boris Spassky, der 10. Weltmeister der Schachgeschichte, gewann den Titel im zweiten Anlauf 1969 durch seinen Sieg über Tigran Petrosian. 1972 unterlag er Bobby Fischer im legendären Weltmeisterschaftskampf in Reykjavik. 50 Jahre später ist Boris Spassky der älteste noch lebende Schachweltmeister. Heute feiert er seinen 85sten Geburtstag. | Fotos: Legion-media.ru/Itar-Tass

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Boris Spassky kam am 30. Januar 1937 in Leningrad zur Welt. Vor der anrückenden deutschen Wehrmacht wurde Boris Spassky aus Leningrad evakuiert und verbrachte die Kriegszeit in einem Kinderheim.

Als Neunjähriger besuchte er erstmals die Schachabteilung des Pionierpalasts von Leningrad und offenbarte schon frühe seine große Begabung. Er wurde bald staatlich mit einem Stipendium unterstützt und durfte an Turnieren im Ausland teilnehmen. Mit 16 Jahren wurde Spassky schon zum Internationalen Meister ernannt. Zwei Jahre später erhielt er den Großmeistertitel. 

Der junge Spassky

1955 nahm Spassy erstmals am Finale der UdSSR-Meisterschat teil, qualifizierte sich für das Interzonenturnier und in diesem für das Kandidatenturnier ein Jahr später. 1955 gewann Spassky zudem die U20-Weltmeisterschaft. 1956 teilte er mit Averbakh und Taimanov den ersten Platz bei der UdSSR-Meisterschaft.

 

1961 gewann er die UdSSR-Meisterschaft erneut.

1965 qualifizierte sich Spassky für die Kandidatenkämpfe und wurde durch Siege über Keres, Geller und Tal der Herausforderer von Weltmeister Petrosian. Den Weltmeisterschaftskampf verlor er jedoch knapp 11,5:12,5.

Im zweiten Anlauf schlug Spassky in den Kandidatenkämpfen Geller, Larsen und Kortschnoj und dann im WM-Kampf 1969 auch Tigran Petrosian mit 12,5:10,5.

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Petrosian-Spssky, Match 1969 | Foto via Douglas Griffith

 

 

Boris Spassky in Moskau, 1969 | Foto via Douglas Griffith

1970 spielte Boris Spassky am ersten Brett der UdSSR-Auswahl gegen den "Rest der Welt" und gewann bei der Schacholympiade in Siegen die Goldmedaille am ersten Brett. 

 

 

 

 

Im legendären WM-Kampf gegen Bobby Fischer 1972 in Reykjavik unterlag Boris Spassky mit  8,5:12,5 und verlor seinen Weltmeistertitel. Aber nur dank der Nachsichtigkeit von Spassky konnte der WM-Kampf trotz der Eskapaden von Fischer überhaupt ordnungsgemäß zu Ende gebracht werden. 

 

 

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Fischer- Spassky 1972

 

1973 gewann Boris Spassky erneut die UdSSR-Meisterschaft. In den Kandidatenkämpfen unterlag er 1974 Anatoly Karpov und 1977 im Kandidatenfinale Viktor Kortschnoj.

Boris Spassky spielte zwischen 1962 und 1978 bei sieben Schacholympiaden für die UdSSR. 1976 übersiedelte er nach Frankreich, wurde französischer Staatsbürger und spielte 1984, 1986 und 1988 für sein neues Heimatland.

Von 1980 bis 1990 spielte Boris Spassky auch in der deutschen Bundesliga, für die Solinger SG, und gewann 1981, 1987 und 1988 mit seinem Team die deutsche Mannschaftsmeisterschaft.

1992 trafen sich Spassky und Fischer in Jugoslawien zu einem inoffiziellen WM-Revanchewettkampf, der von einem serbischen Bankier finanziert wurde. Spassky unterlag mit 12,5:17,5. Als die US-Behörden Bobby Fischer in Japan festnehmen ließen, setzte sich Boris Spassky für die Freilassung von Fischer ein.

2009 spielte Boris Spassky in Elista noch einen Wettkampf gegen Viktor Kortschnoj, der 4:4 endete.

Nach zwei Schlaganfällen ist Boris Spassky gesundheitlich angeschlagen. Er lebt nun seit einigen Jahren wieder in Moskau. Seine Schwester Iraida Spasskay, mehrfache sowjetische Meisterin im Damespiel, erzählte in einem Interview für eine russische Sportseite von ihrem berühmten Bruder. 

Boris Spassky und seine Schwester scheinen aber über verschiedene Vorgänge ein ganz unterschiedliche Sichtweise zu haben. 

Boris Spasskys Schwester Iraida Spasskaya spricht über ihren Bruder

Boris Spassky ist nach dem Tod von Wassily Smyslow im Jahr 2010 der älteste noch lebende Schachweltmeister. 1976 verließ Spassky die Sowjetunion und ging mit seiner dritten Frau nach Frankreich. Nach zwei Schlaganfällen kehrte der 10. Schachweltmeister wieder nach Russland zurück und lebt, inzwischen 84 Jahre alt, in Moskau.

Die russische Journalistin Yana Gordeeva sprach für Express-Gazeta mit Spasskys jüngerer Schwester Iraida (76 Jahre) über das Leben von Boris Spassky.

Hier sind einige Auszüge aus dem Interview.

"Alle in unserer Familie liebten das Schach, unser älterer Bruder Georgy, der kürzlich verstorben ist, Boris und ich“, sagt Iraida Spasskaya.

Iraida Spasskaya hat im Damesport große Erfolge erzielt. Foto: Brazaitis A. (ITAR-TASS)

"Später wandte ich mich zur Überraschung von Borís mehr dem Damespiel zu und wurde mit 21 Jahren UdSSR-Meisterin im Damespiel. Unsere Mutter hatte mir das Damespiel beigebracht und später trainierte mich mein Mann Yevgeny Lysenko. Wir sind inzwischen schon lange geschieden und hatten leider keine Kinder.

Boris ist acht Jahre älter als ich und war für mich wie ein Vater. Er hat mich großgezogen und war mein Kindermädchen, nachdem ich in der Evakuierung geboren wurde. Boris war immer mein Vorbild.

Unser Vater hat die Familie verlassen, als unsere Mutter mit mir schwanger war. Zu der Zeit tobte der Große Vaterländische Krieg. Es gab wenig Männer im Hinterland, nicht genug für alle Frauen. Eine Nachbarin, die ihren Verlobten im Krieg verloren hatte, verführte unseren Vater. Er heiratete sie und ging mit ihr fort. Sogar die Familie unserer Nachbarin fand das unethisch und sprach nicht mehr mit ihr.

Mein Vater starb unter ungeklärten Umständen, nur wenige Monate, nachdem Boris die Sowjetunion in Richtung Frankreich verlassen hatte. Boris kehrte 1976 von einem Turnier im Westen nicht zurück.

Unser Vater befand sich in einer Pension und wurde dort getötet. Viele glauben, dass dies geschah, weil er seinem Sohn Boris damals seine Zustimmung gegeben hatte, die Sowjetunion zu verlassen.

Unsere Mutter wurde 90 Jahr alt. Aber nachdem unser Vater sie verlassen hatte, fand sie keinen neuen Mann. Sie starb in meinen Armen. Boris rief mich oft an, als unserer Mutter im Sterben lag und meinte schließlich traurig: "Iraida, das Leben geht weiter. Sie war erschöpft."

Als Boris jung war, hat er mich immer gebeten, ihm meine Freundinnen vorzustellen. Boris hatte großes Talent Beziehungen aufzubauen. Er war dreimal verheiratet. Ich habe zu allen seinen Frauen noch Verbindung. 

Seine erste Frau war Nadya Latyntseva. Sie begann ihr Leben mit Boris merkwürdigerweise mit einer Lüge. Sie behauptete, in einem Waisenhaus aufgewachsen zu sein, was nicht stimmte. Vielleicht wollte sie unsere Mutter, die wirklich aus dem Waisenhaus stammt, für sich gewinnen. Irgendwann kam die Wahrheit ans Licht. Boris und Nadya ließen sich scheiden. Was bleibt ist die gemeinsame Tochter Tanya. Sie ist jetzt 60 Jahre alt, hat eine Tochter und Enkelkinder.

Boris heiratete ein zweites Mal, Larisa Solovieva. Ich dachte damals, die beiden würden ewig zusammenbleiben. Sie haben einen wunderbaren Sohn Wassili Solojew-Spasski. Er ist heute ein bekannte Musikjournalist und Kritiker und schenkte seinem Vater ein Enkelkind, Masha.

Auch diese Ehe ging in die Brüche. Einige Jahre später traf Boris Marina Shcherbacheva, die seine dritte Frau wurde. Sie ist Französin mit russischen Wurzeln, die Enkelin des Weißgardisten-Generals Dmitry Shcherbatschow. Sie arbeitete in der französischen Botschaft in Moskau. Sei bereitete Boris Emigration nach Frankreich vor. Mit ihr hatte Boris einen Sohn, Boris-Alexander-Georges. Er ist jetzt 41 Jahre alt, Geschäftsmann und lebt in Frankreich. Seine Frau ist Französin und spricht kaum Russisch. Sie haben drei Söhne. 

Spasskys französische Frau Marina. Foto: Legion-media.ru

Boris wählte für seinen Sohn St. Petersburg als Studienort. Boris-Alexandre lebte dort in einer Wohnung seines Vaters. 

Als mein Bruder seinen ersten Schlaganfall hatte, kümmerte sich Marina sehr um ihn. Die Medizin ist gut in Frankreich und mein Bruder konnte den Rollstuhl wieder verlassen. 

Boris und Marina lebten sehr ruhig in Frankreich bis die Journalistin Valentina Kuznetsova auftauchte. Sie arbeitete als Redakteurin für ein Modemagazin. Nachdem sie und Boris sich einmal getroffen hatten, begann sie meinem Bruder als Agentin bei Geschäften in Moskau zu helfen. Zu dieser Zeit kam er oft wieder ins eine Heimat.

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Dann kam es zur "Entführung", so nennen ich und Marina diese Vorgänge. Valentina Kuznetsova bereitete die plötzliche Abreise von Boris nach Russland mit ein paar russischen Freunden vor. Sie warf Marina vor, sich nicht richtig um Boris zu kümmern. Nach einem weiteren Schlaganfall war er kein freier Mensch mehr. Boris kam in Russland ins Burdenko-Krankenhaus. Sein Freund Zhores Alferov unterstützte ihn. Dann ließ er sich von Marina scheiden.

Wegen Valentina Kuznetsova hat mein Bruder Frankreich verlassen, wo er medizinisch gut versorgt wurde und ein Haus mit Garten hatte. Ich stehe in Verbindung mit Marina und bin auf ihrer Seite. Die Beziehung zu Boris ist etwas kompliziert geworden. Ich hoffe, Valentina kümmert sich gut um ihn. Sie leben zusammen in ihrer bescheidenen Moskauer Wohnung am Rjasanski-Prospekt. Boris ist kein armer Mensch, aber das Geld auf seinem Konto ist eine relative Sache. das wichtigste ist, dass es ihm gut geht. Ich bete für seine Gesundheit."

Vor zehn Jahren gab Boris Spassky ein Videointerview, in dem er den Ansichten seiner Schwester zum Teil widersprach.

Originalbeitrag in russischer Sprache...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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