Jelzins Vize rechnet brutal mit Putin ab – und malt düstere Zukunft für Russland
Ein Vertrauter von Wladimir Putins Förderer Boris Jelzin zerreißt die Kriegstreiberei des russischen Präsidenten in der Ukraine. Einen Sieg Russlands hält er für ausgeschlossen.
München/Moskau - Es ist eine deutliche Botschaft an Moskau. Sie kommt aus der Bundesrepublik. Einer der größten Kritiker Wladimir Putins aus russischer Perspektive lebt heute in Deutschland und hat mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Die Rede ist von Alfred Reingoldowitsch Koch, dem ehemaligen russischen Vize-Ministerpräsidenten.
Ukraine-Krieg: Jelzin-Vertrauter nimmt Politik von Wladimir Putin auseinander
In einer regelrechten Wutrede hat der Ökonom und Politiker, der als einer der Chef-Architekten der Privatisierung in Russland unter Ex-Präsident Boris Jelzin gilt, den Ukraine-Krieg verurteilt und der Russischen Föderation eine düstere Zukunft in der Weltgesellschaft prophezeit.
„Ein Jahr und fünfzehn Tage des Krieges sind vergangen. In den letzten vierundzwanzig Stunden ist an der Front nichts Neues passiert. Nichts. Außer, dass die russischen Invasoren in ein fremdes Land gekommen sind und sich nun an etwas klammern, das ihnen nicht gehört“, schrieb Koch am Sonntag (12. März) in einem Posting bei Facebook: „Und sie wollen noch mehr an sich reißen.“ Dabei sei ein militärischer Sieg der russischen Armee in der Ukraine nach Meinung von Koch ausgeschlossen.
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Der Sohn eines deutschen Vaters und einer russischen Mutter, der im heutigen Kasachstan geboren wurde, verurteilt in dem Schreiben, das Züge einer Schmähschrift hat, nicht nur den Krieg an sich, sondern auch die mutmaßlichen Vergehen der russischen Invasionsarmee in der Ukraine. „Es gibt kein Verbrechen, das sie nicht schon begangen haben. Sie haben viel Geld ausgegeben und Hunderttausende ihrer eigenen Leute und anderer Leute getötet. Sie haben die Zukunft ihres Landes und den Ruf ihres Volkes zerstört“, meint Koch und fragt: „Und was haben sie im Gegenzug erreicht? Nichts. Nichts als den Hass und die Verachtung der Menschheit.“
Ukraine-Krieg: Putin-Gegner bescheinigt Russland „lächerliche territoriale Gewinne“
Die lächerlichen territorialen Gewinne, mit denen sie ihre Bürger trösten würden, „können nicht einmal einen klinischen Idioten beeindrucken. Sie sind totale Ruinen, Haufen von kaputtem Kriegsgerät und endlose Minenfelder, deren Räumung nun Jahrzehnte dauern wird“, schreibt der langjährige Vertraute des ersten Präsidenten der Russischen Föderation, Boris Jelzin (1991 bis 1999), weiter: „Niemand auf der Welt erkennt ihr Recht auf diese Ländereien an.“ Markant: Just Jelzin hatte Putin im Dezember 1999 zu seinem Nachfolger und damit erstmals zum Präsidenten ernannt.
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Den Russen sei „nun allen klar, dass sie jahrzehntelange Isolation und Verachtung erleben werden. Das Leben einer ganzen Generation von Russen wurde die Toilette hinuntergespült und wird sich nun in erbärmliches Überleben und ohnmächtigen Neid auf den Rest der Menschheit verwandeln“, meint Koch harsch und prophezeit, „dass sie in vollem Umfang für ihre Arroganz und wilde Überheblichkeit bezahlen müssen, mit denen sie sich all die Jahre zuvor köstlich vergnügt haben“. An verschiedenen Stellen vermittelt der Text den Eindruck, dass der Wirtschaftswissenschaftler mit seinen Zeilen den innersten Zirkel des Kreml verurteilt.
An einen Sieg denken sie nicht mehr. Sie suchen fieberhaft nach Möglichkeiten, den Status quo zu erhalten.
Alfred Koch: Vertrauter von Boris Jelzin glaubt nicht an militärischen Sieg Russlands
Zum Beispiel: „An einen Sieg denken sie nicht mehr. Sie suchen fieberhaft nach Möglichkeiten, den Status quo zu erhalten. Sie müssen sich zumindest mit einem Unentschieden trösten“, erklärt er seine Ansicht etwa zur militärischen Situation im Donbass, wo Bachmut weiter schwer umkämpft ist. „Ihre Psyche kann eine Niederlage nicht verkraften. Aber sie werden den bitteren Kelch der Niederlage bis zum Ende trinken müssen“, erklärt er: „Und sie werden Konsequenzen aus dem ziehen müssen, was sie getan haben.“
Koch fragt: „Russland, Russland, was habt ihr euch angetan? Mein Gott, wie werdet ihr, meine ehemaligen Mitbürger, die Last all eurer Verbrechen tragen, wenn die Tragweite des Bösen, das ihr begangen habt, euch endlich bewusst wird? Ihr habt alles verkackt. Euer Leben, das Leben eurer Kinder. Den Respekt des Rests der Welt. Eure Zukunft.“
Gegner von Wladimir Putin: Alfred Koch wendet sich bei Facebook an russisches Volk
Der einstige Vize-Ministerpräsident Jelzins und des Wirtschafts-Reformers Anatoli Tschubais sieht Russland weltpolitisch nun in die Abhängigkeit von China gleiten. „Die traurige Wahrheit ist, dass ihr euch durch die Abwendung vom Westen in die Fänge von China begeben habt. Und ihr müsst erst noch herausfinden, wie es ist, in den Fängen Chinas gefangen zu sein“, meint er in seinem Facebook-Posting.
Er wolle „euch Russen sagen, dass ich euch noch immer liebe. Und ich habe Mitleid mit euch“, erklärt er: „Und ich bitte euch: Hört auf mich, nicht auf Putin.“ Koch schließt seinen mutmaßlichen Aufruf für ein Ende des Krieges mit den pathetischen Worten: „Slava Ukraine!“ Zu Deutsch: „Ruhm der Ukraine!“(pm)