Bettina von Arnim: Ikone der Romantik und ihr 22-jähriger Liebhaber - WELT
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Geschichte Bettina von Arnim

Die Ikone der Romantik und ihr 22-jähriger Liebhaber

Bettina von Arnim gilt als Ikone der deutschen Romantik. Sie förderte junge Talente – einem kam sie als Witwe sehr nahe, wie die Edition ihres Briefwechsels belegt, der 180 Jahre unter Verschluss lag.
Bettina von Arnim Bettina von Arnim
Bettina (oder Bettine) von Arnim (1785-1859), Autorin, Vorbild, Mäzenin der Romantik
Quelle: Wikipedia/Public Domain

Ein ekstatisches Buch über Johann Wolfgang von Goethe machte Bettine von Arnim (1785–1859) schlagartig berühmt. In den Jahren 1807 bis 1811 führte sie einen Briefwechsel mit Deutschlands Dichterfürst. „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ nannte sie ihre 1835 veröffentlichte Schwärmerei. Dabei war sie beim Austausch mit dem damals etwa 60-jährigen Goethe selbst schon Anfang 20.

Die Schriftstellerin Bettine (auch Bettina), Tochter der reichen Kaufmannsfamilie Brentano, wuchs wie Goethe in Frankfurt am Main auf. Später siedelte sie mit ihrem Mann, dem Dichter Achim von Arnim, nach Berlin um. Ihr Mann, mit dem sie sieben Kinder hatte, starb früh. Die 46-jährige Witwe, die sich auch sozial und politisch engagierte, machte dann ihre Unter den Linden gelegene Wohnung zum Treffpunkt für die literarische und intellektuelle Szene.

Bettina von Arnim (1785 - 1859), Friend of Goethe. (Photo by: Carl Simon/United Archives/UIG via Getty Images)
Mit 20 Jahren korrespondierte Bettine von Arnim mit Goethe
Quelle: UIG via Getty Images

Jetzt war es Bettine von Arnim, für die die Jungen schwärmten und die sie bewunderten. Einer davon war der Jurastudent und angehende Dichter Julius Döring (1817–1893), der aus dem kleinen Städtchen Wolmirstedt bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt stammte. Beide begegneten sich Anfang 1839 in Berlin und begannen eine Korrespondenz, aus der bald mehr wurde, wie die neue Edition ihrer Briefe belegt.

„Wir wollen beide ganz einfach sein und keine Wendung keine Verhüllung suchen. Denn Wir wollen ja doch immer vertraulicher werden, eben um Der Nähe willen die Wir begehren, denn Du möchtest mir Nah sein und ich auch Dir. Und je einfacher Wir sind, je unmittelbarer berühren wir Uns“, gab Bettine dem Drängen des 22-Jährigen nach.

Damals war sie knapp 54 Jahre alt und trug noch immer die schwarzseidene Witwenrobe: „Lieber! – Was kann ich dir mehr sagen als was ich selber gewahr werde in mir, wo ich dich schlafend sehe, und mich zu deinen Füssen versunken in Das Glück des Naheseins.“ Einer Bekannten schrieb Bettine ungeschminkt: „Sehen Sie mir nichts an? Ich hab’ mich soeben in eine Studente verliebt.“

Bettina von Arnim - portrait - German writer and novelist 4 April 1785 - 20 January 1859 - Beethoven connection (Photo by Culture Club/Getty Images)
Bettine von Arnim als Witwe
Quelle: Getty Images

Von Döring hat sich kein Bild erhalten. Bettine beschrieb ihn als eher „schmächtig“, verglich ihn aber gleichwohl mit der skandinavischen Heldengestalt des Yngurd. „Ich war still, in mich zurückgetrieben, wo in den Busen eine Traumwelt sich niedersenkte, in der ich mich erging“, bekannte der Liebhaber. Gleichwohl fanden trotz seiner Schüchternheit beide rasch zu einem vertrauten Umgang, was sicher an Bettines sehr offenen und unkonventionellen Art lag, anderen zu begegnen, schreibt der Herausgeber der Briefe, Wolfgang Bunzel.

Literaturwissenschaftler ist Leiter der Brentano-Abteilung des Goethe-Hauses/Deutsches Hochstift in Frankfurt am Main, der bundesweit führenden Forschungsstelle zur deutschen Romantik: „Es war keine wilde Liaison, aber es war eine innige Beziehung mit Händchenhalten, Umarmungen und Küssen.“

Bunzel hat in den vergangenen vier Jahren den Briefwechsel ausgewertet und in mühevoller Archivarbeit die Spuren Dörings verfolgt, über den so gut wie nichts bekannt war. Die Korrespondenz, die jetzt unter dem Titel „Letzte Liebe“ in der „Anderen Bibliothek“ erschienen ist, gilt als kleine literarische Sensation, rückt das Buch doch auch die Beziehung der beiden zurecht.

GERMANY - AUGUST 02: 5 mark banknote, 1991, obverse, Bettina von Arnim (1785-1859). Germany, 20th century. (Photo by DeAgostini/Getty Images)
Bis 2001 schmückte Bettine von Arnim die 5-DM-Banknote
Quelle: De Agostini/Getty Images

Dass Bettine von Arnim als Mentorin dem viel jüngeren Döring zugetan war, war bekannt. Sie selbst machte damals daraus gar kein Geheimnis. Über den Start zu einer zehntägigen Reise durch den Harz und nach Kassel, wo beide die Brüder Grimm besuchten, schrieb sie: „Gabelte ... da einen jungen deutschen Sprößling auf, entführte ihn dem Philisterthum des Gerichtspersonals allwo er Referendenstelle vertritt, und fuhr bei geöffneten Fenstern und aufgesperrten Mäulern der guten Stadt Wolmirstädt mit dem entführten Liebling davon.“

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Ihre Freunde ließ Bettine offenbar gezielt im Unklaren darüber, wer ihr geheimnisvoller Begleiter eigentlich war und in welchem Verhältnis sie zu ihm stand. „Als ich nähere Auskunft haben wollte, küsste sie ihn statt aller Antwort“, berichtete ein indignierter Gastgeber. Biografen haben die einzig bekannte Liebesbeziehung der Witwe bis heute als Laune einer „Frau im Klimakterium“ abgetan, sagt Bunzel. „Die erotische Dimension wurde unterschlagen.“

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Daran haben auch die Nachfahren Bettine von Arnims ihren Anteil, da sie lange eine Publikation des Briefwechsels verhinderten. In den 1950er-Jahren kam der Nachlass an das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt. Ein Großteil von Bettines Briefen wurde dann 1964 in einem Fachjournal publiziert – allerdings ohne die Antworten ihres Gegenparts Julius Döring.

Im Austausch der beiden geht es wie oft in der Romantik mithilfe von Tarn- und Kunstnamen um eine Verknüpfung von Privatem und Öffentlichem. Bettine von Arnim, von der sechs Brief- und Gesprächsbücher vorliegen, wollte auch diese Korrespondenz veröffentlichen. Doch Döring war dagegen. Beide hatten sich nach knapp einem Jahr zunehmend entfremdet – auch weil Döring eifersüchtig auf andere Günstlinge der Dichterin war und sich abfällig über Juden äußerte. Daraufhin zog von Arnim, deren ernst-verträumtes Mädchenporträt bis 2001 die alten 5-DM-Scheine zierte, einen eindeutigen Schlussstrich.

Döring wurde dann nie der große Dichter, der er werden wollte. Als Richter kämpfte er aber in Preußen für demokratische Rechte – und nahm dafür sogar die Strafversetzung nach Posen in Kauf. Eine aufrechte Haltung, die Bunzel auch der Politisierung durch Bettine von Arnim zuschreibt. Der Jurist, der auch sechs Jahre im preußischen Landtag saß, sah seine Liebe nach 1844 nie mehr wieder. Döring gab aber nicht auf und schrieb der Autorin noch über Jahre hinweg Briefe. Sie blieben jedoch ohne Antwort.

Bettine von Arnim: „Letzte Liebe. Das unbekannte Briefbuch – Korrespondenz mit Julius Döring“. (Ediert, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Wolfgang Bunzel. Die Andere Bibliothek, Berlin. 576 S., 42 Euro)

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dpa/bas

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