Kommunistische Partei Österreichs: Taten, die zu Worten passen - Ausgabe 634
KONTEXT:Wochenzeitung
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Kommunistische Partei Österreichs

Taten, die zu Worten passen

Kommunistische Partei Österreichs: Taten, die zu Worten passen
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Seit 2021 ist die KPÖ die stärkste Fraktion in Österreichs zweitgrößter Stadt Graz. Diesen April zog sie spektakulär in den Salzburger Landtag ein. Ein Gespräch mit Partei-Urgestein Ernest Kaltenegger über die Hintergründe des Erfolgs und den Tag des offenen Kontos.

Nach den jungen Wahlerfolgen der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) war Ernest Kaltenegger am 17. Mai in Konstanz, um über progressive Politik zu referieren. Am Rand blieb Zeit für ein Gespräch. Kaltenegger war ab 1981 KPÖ-Mitglied im Grazer Gemeinderat, 2005 Spitzenkandidat bei den steirischen Landtagswahlen. 2009 zog er sich aus der parlamentarischen Politik zurück.


Herr Kaltenegger, Sie sind 1981 Gemeinderat geworden, waren ab 1998 als Baudezernent verantwortlich fürs Grazer Wohnungswesen und wurden 2005 in den steirischen Landtag gewählt – und das alles unter dem Etikett "Kommunist". Was ist für Sie kommunistisch?

Kommunismus ist für mich eine faszinierende Idee, die auf einen Zustand abzielt, in dem alle die gleichen Chancen haben und die Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht diese Rolle spielen wie derzeit bei uns; in dem die Idee des Friedens gilt und die Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe und Nationalität gut miteinander auskommen können. Diese Utopie hat mich als Jugendlicher schon fasziniert.

Leben Sie als Kommunist anders?

Ja. Zum Beispiel war für uns immer klar, als wir Sitze in der Grazer Stadtregierung bekommen haben, dass wir uns unterscheiden müssen, dass Wort und Tat übereinstimmen müssen. Zum Beispiel haben wir immer kritisiert, dass bei uns in Österreich Berufspolitikerinnen und Berufspolitiker viel zu hoch bezahlt werden. Wenn du selbst dann plötzlich in diese Situation kommst, dann darf nicht passieren, dass du das viele Geld für dich behältst. Also haben wir 1998 einen Richtwert vereinbart, der sich am Facharbeiterlohn orientiert – und das ist bis heute auch durchgezogen worden. Aktuell sind das 2.300 Euro netto, der Rest geht an Menschen in Notlagen.

Wie wollt ihr sicherstellen, dass euch die Macht nicht korrumpiert und verschleißt? Den Anspruch haben zum Beispiel auch die deutschen Gewerkschaften, deren Funktionär:innen in Aufsichtsräten sitzen und eigentlich ihre Tantieme abgeben sollten – was aber bei weitem nicht alle tun.

Der erste Schritt, nicht korrumpiert zu werden, ist diese Einkommensbegrenzung. Zudem bleibt es kein Geheimnis, wie es auf unseren Konten ausschaut: Es gibt jedes Jahr gegen Jahresende den "Tag der offenen Konten".

Ich könnte also kommen und mir Ihr Bankkonto anschauen?

Wenn jemand besonders interessiert ist, wäre das kein Problem. Aber wir machen das in Form von öffentlichen Pressekonferenzen, bei denen wir Kontoauszüge und eine genaue Aufstellung vorlegen. Was ist mit dem Geld passiert? Wie viel wurde zur Unterstützung von Menschen in Notsituationen verwendet? Wir helfen, wenn der Strom abgeschaltet wird. In einem Fall haben wir einer Familie geholfen, die Leiche eines Verstorbenen in die Türkei zu überführen, das kostet in der Regel viel Geld. Natürlich kann nicht einfach jemand vorbeikommen und sich Geld abholen. Wir schauen uns die Lebensumstände der Menschen schon genau an. Wenn zum Beispiel wegen Mietzinsrückstand eine Räumung droht, versuchen wir, mit dem Vermieter eine Einigung herbeizuführen und überweisen ihm das Geld. In der Landtagsfraktion haben wir beispielsweise eine Sozialarbeiterin beschäftigt, die schaut, welche Unterstützung über die unmittelbare Hilfe hinaus denkbar ist und ob alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.

Zwei Punkte scheinen für die Wahlerfolge in Graz maßgeblich zu sein: Authentizität und offenes Ohr. Ihr geltet als die Kümmerer. Wenn ich ein Problem habe, kann ich kommen. Sind das die Hauptkomponenten?

Es spielt eine große Rolle, dass Menschen in schwierigen Situationen überhaupt irgendwo hingehen können. Wenn eine politische Partei eine andere Form des Zusammenlebens anstrebt, muss sie offen sein für alle. Es nützt nichts, wenn man Hilfesuchenden einen Termin in vier Wochen anbietet. Aus Erfahrung weiß ich, dass viele Leute in prekären Situationen den Kopf in den Sand stecken. Sie hoffen auf den Lotto-Sechser, der nie kommt, lassen die Post von Inkassobüros oder Hausverwaltungen ungeöffnet liegen und machen dadurch vieles noch schlimmer.

Graz hat einen vergleichsweise geringen kommunalen oder genossenschaftlichen, gemeinwirtschaftlichen Wohnungsbestand …

Es sind ungefähr 11.000 Wohnungen bei einer Bevölkerung von knapp 300.000 Menschen. Das unterschreitet die Nachfrage bei weitem. Wir haben schnell gemerkt, dass immer mehr Menschen Wohnungsprobleme haben. Dass ihnen Wohnungen überteuert vermietet wurden oder dass man versuchte, Mieterinnen und Mieter zum Teil mit Gaunermethoden aus ihren Wohnungen zu drängen. Indem man beispielsweise im Jänner die Stiegenhausfenster rausgenommen hat, weil die angeblich gerade jetzt dringend renoviert werden mussten. So haben wir unseren Mieternotruf um einen Rechtshilfefonds für Spekulantenopfer erweitert. Wir ermutigten die Menschen und haben ihnen gesagt: Passt auf, wehrt euch, ihr seid im Recht! Und wenn was bei Gericht schiefgeht, übernehmen wir die Verfahrenskosten.

Warum funktioniert das anderswo – in Innsbruck oder Bregenz – nicht? Warum ist es so schwer, das auf die Bundesebene zu übertragen? Dort dümpelt ihr ja immer so bei einem Prozent.

Salzburg hat den Beweis erbracht, dass dieses System funktioniert. Die haben vieles gleich gehandhabt, sich um Wohnungsprobleme gekümmert, Kontakte mit den Betroffenen aufgenommen, sie unterstützt. Meine Hoffnung ist, dass das jetzt mehr Schule macht. Man kann dadurch beweisen, dass es Möglichkeiten gibt, dass man nicht ausgeliefert ist. Unser Konzept ist wesentlich effektiver als ein Zeitungsinserat, in dem steht, was für ein netter Mensch man ist.

Aber ist das auch auf die Bundesebene übertragbar?

Es ist möglich. Und ich bin optimistisch, dass das jetzt nach der Salzburg-Wahl stärker aufgenommen wird. Aber man braucht einen langen Atem. Du brauchst Leute, die bereit sind, diese Arbeit zu übernehmen. Das liegt nicht allen. Manche beschäftigen sich lieber mit theoretischen Fragen, das muss man respektieren, es braucht auch solche Leute. Aber man braucht auch den Kontakt. Es hat sich herausgestellt, dass die FPÖ in Österreich dort stark ist und auch in Graz stark war, wo es den Leuten am schlechtesten geht. Die hantiert mit Feindbildern und Sündenböcken, beispielsweise den Migranten, die bei uns nur abkassieren würden oder unsere Jobs wegnähmen. Das hat funktioniert. Bis die Leute bei uns merkten: Wenn ich mit meinem Problem zur FPÖ gehe, ändert sich nicht viel, aber bei der KPÖ finde ich Menschen, die sich wirklich interessieren …

Was wäre ihr Rat an die Linke hier vor Ort? In Baden-Württemberg finden im kommenden Mai Kommunalwahlen statt. In Konstanz hat die Linke drei von vierzig Mandaten, die Aufwandsentschädigung ist gering, zu verteilen gibt es also nichts – und am stärksten war die Linke bisher in Stadtteilen mit gutbürgerlichen, also auch vielen grünen Wähler:innen, am schwächsten in den armen Quartieren. Was müssten sie anders machen?

Was immer hilft: Man darf Menschen in prekären Lebenssituationen nicht abschreiben. Es ist immer eine Gefahr für Linke, egal ob hier oder bei uns, dass man Menschen ignoriert, nur weil sie vielleicht mal FPÖ gewählt haben. Manche wählen einfach aus Verzweiflung oder aufgrund einer Illusion solche Parteien. Aber sie sind nicht alle rechtsradikal! Wenn man mit diesen Leuten diskutiert, stellt sich oft heraus, dass sie uns wesentlich näher stehen als den Rechten. Denn die sind im Grunde genommen die Parteien der Reichen.

Und die KPÖ ist die Partei der Armen?

Nein. Das haben wir bei der Grazer Gemeinderatswahl 2003 gespürt, als wir einen Sprung von 7,9 auf über 20 Prozent gemacht haben. Da ist etwas passiert, was wir nicht vermutet hatten, weil wir stark auf Menschen mit Wohnungsproblemen fokussiert waren: Wir gewannen plötzlich auch in bürgerlichen Bezirken viele Stimmen. Da sind Leute zu uns gekommen und haben gesagt: Ich habe nie was von ihnen gebraucht, ich werde nie was von ihnen brauchen. Aber ich werde sie wählen, weil es einfach notwendig ist, dass es auch Leute und Parteien gibt, die sich um Menschen kümmern, die am Rande stehen. Es gibt also sozial empfindende Menschen, die nicht wollen, dass unsere Gesellschaft so auseinanderdriftet.

Erreicht ihr auch andere innerhalb der liberalen bürgerlichen Mittelschicht, die sich für ganz andere Themen interessieren, zum Beispiel den Klimaschutz?

Unser Themenspektrum ist viel breiter geworden. Ende der 1980er-Jahre haben viele unserer Genossinnen und Genossen die Sorge gehabt, dass wir zu einer Ein-Punkt-Partei werden. Das hat so nicht gestimmt; natürlich haben uns auch die anderen Themen interessiert. Aber man muss sich erst einmal konzentrieren. Damals saß ich ganz allein im 56-köpfigen Gemeinderat und habe auch andere Probleme angesprochen …

heute sind es 15 von 48 …

… aber das Schwerpunktthema war Wohnen. In der nun viel größeren Fraktion gibt es natürlich Leute mit anderen Interessen und Zugängen und mehr Möglichkeiten, Termine wahrzunehmen, bei denen es um andere Fragen geht, beispielsweise den öffentlichen Verkehr.

Also wäre Ihr Tipp: Wenn ihr noch klein und wenige seid, konzentriert euch auf ein, zwei wichtige Themen und arbeitet dran, dass ihr in denen als kompetent erachtet werden, ohne die anderen jetzt völlig zu vernachlässigen. Kann man das so sagen?

Auf jeden Fall. Und was man noch sagen kann: Geht hinaus! Wenn man Mandate hat, besteht die Gefahr, sich zu sehr auf den Parlamentarismus zu konzentrieren, in deiner eigenen Welt zu leben. Du bist dann unter deinesgleichen, hast dieselben Interessen wie die anderen Gemeinderatsmitglieder, wirst zu denselben Events eingeladen – und dann bist du irgendwann entschwunden. Ein Beispiel dafür, wie man etwas auch ohne Mehrheit im Parlament durchsetzen kann: Wir haben im Zuge unserer Wohnungsaktivitäten gemerkt, dass immer mehr Leute für ihre Sozialwohnungen schon 50 bis 60 Prozent ihres Einkommens ausgeben müssen. Das ist Wahnsinn! Daraufhin haben wir verlangt, dass niemand mehr als ein Drittel des Einkommens für eine Sozialwohnung aufwenden darf. Unser Antrag wurde im Gemeinderat mit riesiger Mehrheit versenkt. Aber wir haben uns das nicht gefallen lassen, das steiermärkische Volksrechtegesetz genutzt und Unterschriften gesammelt. 10.000 hätten wir gebraucht, 20.000 haben wir zusammenbekommen, obwohl die KPÖ bei der vorausgehenden Wahl nur 5.000 Stimmen erhalten hat. Die Folge war ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluss.


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