Hamburg: Bernd Lucke plädiert für Ende der Uni-Sicherheitsmaßnahmen - WELT
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Hamburg Letzte Vorlesung im Semester

Lucke plädiert für Ende der Sicherheitsmaßnahmen an Uni Hamburg

Bernd Lucke, Wirtschaftswissenschaftler und AfD-Mitbegründer, steht nach seiner verhinderten Antrittsvorlesung an der Universität Hamburg auf dem Campus vor Polizisten Bernd Lucke, Wirtschaftswissenschaftler und AfD-Mitbegründer, steht nach seiner verhinderten Antrittsvorlesung an der Universität Hamburg auf dem Campus vor Polizisten
Bernd Lucke, Wirtschaftswissenschaftler und AfD-Mitbegründer, steht nach seiner verhinderten Antrittsvorlesung an der Universität Hamburg auf dem Campus vor Polizisten
Quelle: pa/dpa/Markus Scholz
Als AfD-Mitbegründer Bernd Lucke an die Uni Hamburg zurückkehrte, wurde er beschimpft und niedergebrüllt. Seine Vorlesung musste abgebrochen werden. Seitdem wird sie von einem Sicherheitsdienst geschützt.

Die Szenen in einem Hamburger Hörsaal lösen vor drei Monaten bundesweit eine Debatte über Meinungsfreiheit aus: Hunderte Demonstranten verhindern mit ohrenbetäubenden Sprechchören die erste Vorlesung von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke nach seiner Rückkehr an die Universität. „Hau ab“, schreien sie und geben dem Professor keine Chance, über Makroökonomik zu sprechen.

Er wird als „Nazischwein“ beschimpft, angerempelt und mit Papierkugeln beworfen. Beteiligt sind auch Mitglieder der „Antifaschistischen Aktion“ (Antifa). Die Konsequenz: Polizeischutz, privates Sicherheitspersonal und Einlasskontrollen. An diesem Mittwoch hält Lucke die letzte Vorlesung in diesem Wintersemester. Wie ist die Situation inzwischen?


Die Aufregung um Luckes Lehrtätigkeit scheint sich gelegt zu haben. Es stehen aktuell keine Demonstranten mehr vor dem Physiksaal, in den Luckes Vorlesung nach den Vorfällen auf dem Hauptcampus und einer Bombendrohung verlegt worden war. „Wir hatten in den letzten Wochen keine Störungen mehr“, sagt ein Polizeisprecher. Deshalb hätten sich die Beamten weitgehend zurückgezogen.

Doch nach wie vor ist privates Sicherheitspersonal im Einsatz. Die Studierenden müssen ihre Ausweise am Eingang zeigen. Es wird überprüft, ob sie angemeldet sind. Studierende berichten, dass auch während der Vorlesung Sicherheitsmitarbeiter an den Türen bleiben. „Normalität ist insofern noch nicht wieder eingekehrt, als es nach wie vor Sicherheitsvorkehrungen gibt“, sagt Lucke auf Anfrage.

Allein die Ausgaben für den privaten Sicherheitsdienst für die Vorlesung des 57-Jährigen belaufen sich nach Angaben der Universität von Mitte Januar auf mehr als 100.000 Euro. „Die Universität legt größten Wert darauf, sich auch insbesondere aus dem medialen Raum keinerlei Vorwürfen auszusetzen, die Wissenschaftsfreiheit von Herrn Professor Lucke nicht gewährleistet zu haben“, sagt Uni-Präsident Dieter Lenzen. „Diesem Ziel haben sich finanzielle Erwägungen unterzuordnen.“ Sind die Vorkehrungen weiterhin notwendig? „Ich wäre dafür, die Sicherheitsmaßnahmen jetzt zu beenden. Irgendwann muss man ja doch ausprobieren, was passiert“, sagt Lucke.

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Wie es im Sommersemester, das im April beginnt, weitergeht, ist noch nicht ganz klar. Erst Anfang Februar erscheine das neue Vorlesungsverzeichnis, teilt die Universität mit. Die Aufteilung der Lehrveranstaltungsthemen unter den Lehrenden obliege der Fakultät, die dies nach fachlichen Gesichtspunkten entscheide. Nach derzeitigem Stand werde Lucke sowohl Seminare als auch Vorlesungen im Wahlpflichtbereich geben.

Wie groß diese Veranstaltungen sein werden, lässt sich laut Universität noch nicht sagen, erst müssten die Einschreibungen abgewartet werden. Die Hochschule könne noch keine Aussage treffen, ob es auch im nächsten Semester weiter Sicherheitsvorkehrungen geben werde.

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Zum Hintergrund der Proteste: Der Volkswirtschaftler Lucke war 2013 als Euro-Kritiker maßgeblich an der Gründung der AfD beteiligt. 2014 ließ er sich von der Uni Hamburg beurlauben, um als Abgeordneter ins Europaparlament einzuziehen. 2015 verließ er die Partei, nachdem er im Streit über eine stärker nationalkonservative Ausrichtung als Parteichef abgewählt worden war.

Später forderte Lucke die gemäßigten Mitglieder seiner Ex-Partei auf, Rechtsextremen in ihren Reihen die Stirn zu bieten. Als er den Wiedereinzug ins Europaparlament verpasste, kehrte Lucke 2019 schließlich an die Universität zurück. Er ist Beamter des Landes.

AstA bleibt bei Kritik an Bernd Lucke

Die Studierendenvertretung AStA rief vor der ersten Vorlesung im Oktober zu einer Kundgebung vor dem Hauptgebäude der Uni auf. Aber nicht zu den Störungen, betonte der AStA anschließend. Es sei vor allem darum gegangen, „dass darüber diskutiert wird, wer sich hier nach einer gescheiterten Politikkarriere in den Universitätsbetrieb zurückzieht“. „Unsere Kritik an Herrn Luckes menschenverachtenden Aussagen besteht weiterhin, auch wenn wir derzeit keine weiteren Aktionen planen“, sagt ein AStA-Sprecher drei Monate danach.

Auch der Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft hatte sich mit den Uni-Tumulten beschäftigt. Niederschreien und Gewalt in Uni-Veranstaltungen seien auf das Schärfste zu verurteilen, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) bei der Sondersitzung. Ihr erstes Statement nach den Vorfällen war von vielen als zu halbherzig und unklar kritisiert worden. Ihre Behörde betont im Rückblick, die Senatorin habe sich von Beginn an mit Nachdruck dafür eingesetzt, die Freiheit der Lehre zu gewährleisten.

Streit auch über Auftritt von FDP-Chef Christian Lindner

Für Wirbel sorgte zu der Zeit auch ein Auftrittsverbot für FDP-Chef Christian Lindner an der Universität Hamburg. Die Hochschule begründete ihre Entscheidung damit, dass die Überlassung von Räumen für Veranstaltungen mit parteipolitischer Ausrichtung explizit ausgeschlossen sei. Eine Veranstaltung mit Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht dagegen verstieß laut Universität – da als wissenschaftliche Veranstaltung angekündigt – nicht gegen die Ausschlussbedingung.

Die Wissenschaftsbehörde hat eigenen Angaben zufolge die Universität inzwischen gebeten, das derzeitige Regelwerk zu präzisieren. So solle eine einheitliche und nachvollziehbare Vergabepraxis für Veranstaltungen gewährleistet werden.

Kurz nach den Tumulten in Luckes Vorlesung hatte die Universität erklärt, ein digitales Angebot und eine zusätzliche Vorlesung zum gleichen Thema anzubieten – um den „zahlreichen verängstigten Studierenden“ eine Alternative zu Luckes Vorlesungen zu geben. Zusätzlich bot die Psychotherapeutische Hochschulambulanz Ad-hoc-Therapien zur Bewältigung von posttraumatischen Belastungsstörungen an.

Nach Angaben von Lucke sitzen aktuell rund 100 Studierende in seiner Vorlesung. „Ich finde ihn als Professor gut“, sagt Studentin Emelie. Deshalb werde sie auch weiterhin seine Veranstaltungen besuchen. „Wir reden ja nicht über Politik“, meint ein Kommilitone, der seinen Namen nicht nennen will. Student Wiktor berichtet, er sei schockiert gewesen, mit welchen Mitteln in den ersten Wochen teilweise protestiert worden sei. „Inzwischen habe ich es für mich abgehakt“, sagt der 21-Jährige.

dpa

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