Wenn sich die Königin in die Schwiegertochter liebt, wackelt der Thron

Wenn sich die Königin in die Schwiegertochter liebt, wackelt der Thron

Nino Haratischwilis neues Stück „Phädra, in Flammen“ im Neuen Haus des Berliner Ensembles sucht die Tragödie in der Parodie.

Phädra mit der Braut des Stiefsohns (v.l. Constanze Becker, Lili Epply)
Phädra mit der Braut des Stiefsohns (v.l. Constanze Becker, Lili Epply)JR Berliner Ensemble

Sie sei gerade neu entflammt, für das Theater, sagte die Schriftstellerin und Regisseurin Nino Haratischwili vor wenigen Tagen im Deutschen Theater. Dort kündigte sie für die nächste Spielzeit den zweiten Teil ihrer Trilogie von antiken „Königinnen-Dramen“ an, deren erster am Freitagabend aber zunächst mal im Berliner Ensemble über die Bühne ging. Wie fließend Autoren und Regisseure mittlerweile zwischen den beiden Häusern pendeln, ist etwas, das in Zukunft sicher noch Fragen aufwirft. Hier soll es nur um das dramatische Projekt gehen, dem gleich zu Beginn leider ein satter Dämpfer mitgeben werden muss.

Auch wenn Nino Haratischwili als sprachmächtige Romanautorin international gefeiert wird, kann dieser Versuch, den antiken „Phädra“-Mythos fürs Theater zu überschreiben, nicht überzeugen. Alles bleibt fatal halbherzig darin: das antike Setting am Athener Hof des Theseus ebenso wie der moderne Habitus seiner Figuren samt trivialen Gegenwartsslang. Am Ende zerbröseln Form wie Inhalt.

Phädra, die unglückliche Gattin des brachialen Macho-Königs, liebt hier nicht, wie im mythologischen Stoff, ihren Stiefsohn Hippolyt und stürzt sich und ihn damit ins Verderben. Sie wird von der naiv kecken Braut ihres Sohnes Demophon verführt, verfällt ihr mit Haut und Haar und beschwört damit, angeheizt durch einen intriganten, machthungrigen Oberpriester, einen handfesten gesellschaftlichen Skandal herauf. Am Ende braucht es ein Menschenopfer, um das Königshaus zu retten.

Bürgerliche Emanzipation

Vordergründig also enthüllt das späte Coming-out dieser „Phädra, in Flammen“ ein korruptes, diktatorisches System, das sich mit Zähnen und Klauen nicht nur gegen die Befreiung der Liebe, sondern gegen jede Art bürgerlicher Emanzipation wehrt. Im Laufe der zweieinhalb Spielstunden aber wird gerade dieser politische Rahmen immer fadenscheiniger. Müssen wir das düstere Theseus-Reich in Georgien vermuten oder an wen adressiert sich das Stück heute hier in Berlin?

Das beantwortet auch die mit Tier- und Naturprojektionen zwar malerisch illustrierende, aber spielerisch heillos sich verirrende Inszenierung von Nanouk Leupold nicht. Sie möchte eine große Tragödie aufziehen, diese aber ganz modern auch sich selbst in den Hintern treten lassen und das noch parodieren.

Antike Größe, heutige Coolness und Sarkasmus zugleich sollen sich hier verbinden, was dann so aussieht, dass Constanze Beckers Phädra in grotesk pinkem Kissengewand auftritt, aber fast nur unter zynisch gehässigem Gram-Hochdruck spricht. Es ist nicht ausreichend zu erkennen, wann ihr Tragisches hier in Parodie kippt oder die Parodie doch tragisch gemeint ist. Die meiste Zeit sitzt sie dabei an einem Schwimmbecken, das bezeichnenderweise kein Wasser führt, sondern roten Sand. Wirklich fatal aber ist dieses Alles-und-nichts-Spiel bei Oliver Kraushaar, dessen König wie ein dröhnender Neandertaler durch die Szenerie holpert. Überhaupt bleibt die Familienaufstellung viel zu sehr in Klischees und Küchenpsychologie stecken, als dass wirklich eine Tragödie daraus entstünde. Also schon gar keine Tragikomödie.

Phädra, in Flammen. 3., 4., 27. und 28.6. im Berliner Ensemble (Neues Haus), Tel.: 28 40 81 55 oder www.berliner-ensemble.de