Berlin '36: Historisches Drama nach einer wahren, unglaublich scheinenden Geschichte um eine jüdische Sportlerin in Nazi-Deutschland.
Nach einer wahren, nahezu unglaublich anmutenden Geschichte erzählt Kaspar Heidelbach von Aufstieg und Fall einer jüdischen Hochspringerin in Nazi-Deutschland.
Manche Geschichten können erst erzählt werden, wenn eine Menge Gras darüber gewachsen ist. Wie jene von Marie Ketteler, die im Jahr 1936 für Deutschland im Hochsprung an den Olympischen Spielen von Berlin teilnahm, 1939 zum Mann erklärt wurde und 2008 verstarb. Der versierte Fernsehregisseur Kaspar Heidelbach, bekannt durch etliche Tatort-Folgen oder auch das mit Grimme-Preis und Bayerischem Filmpreis ausgezeichnete Historiendrama „
Das Wunder von Lengede„, widmet sich in seinem ersten Kinofilm seit „
Polski Crash“ (1993) diesem Schicksal. Und jenem von Gretel Bergmann (Karoline Herfurth), beste deutsche Hochspringerin ihrer Zeit und drauf und dran, für ihr Heimatland die Goldmedaille zu gewinnen. Doch Gretel ist jüdischer Abstammung, und in Nazi-Deutschland werden Sport und Politik schon längst nicht mehr getrennt voneinander behandelt. Also muss um jeden Preis, wenn auch noch diskret, verhindert werden, dass die Hochspringerin für ihr Land an den Start gehen kann. Und so wird eine „Konkurrentin“ aus dem Hut gezaubert, die das Zeug dazu hat, die unliebsame Sportlerin schon in der Qualifikation abzufangen: Die mysteriöse, bisher unbekannte Marie Ketteler (Sebastian Urzendowsky), die ein bisschen wie ein Mann aussieht und fast so gut wie ein solcher springen kann.
Heidelbach konzentriert sich in seinem Drama vor allem auf die Beziehung zwischen Gretel und Marie, durchleuchtet ihre Rivalität, die im Laufe der Handlung einer gewissen Freundschaft weicht. Dazwischen kommt aber auch der Sport, besser gesagt, die Leibesübungen, nicht zu kurz. Man trainiert im idyllischen Park einer Luxusvilla, springt eine antiquierte Technik - der Fosbury-Flop wurde erst in den Sechzigerjahren erfunden - und die deutschen Mädels achten mehr auf ihre blondgezopfte Frisur als ihre sportlichen Leistungen. All dies wurde von Kameramann Achim Poulheim schön, manchmal fast zu schön ausgeleuchtet - was zur pompösen Rhönrad-Probe im Olympiastadion perfekt passt, nicht unbedingt aber zum schweißtreibenden Trainingslager in Haus Wilhelmshöhe.
Letztlich geht es in „Berlin ’36“ aber eben nicht um Sport, sondern um Politik, und Heidelbach arbeitet die Infamie und Perfidie, mit der die Schergen der NSDAP Bergmanns Karriere systematisch zerstören, sehr gut heraus. Leidtragender ist auch der von Axel Prahl unnachahmlich verkörperte Trainer Hans Waldmann, der sich zu loyal gegenüber einer „Nicht-Arierin“ verhält und deshalb seinen Hut nehmen muss. Großes Lob gebührt auch Urzendowsky, der seine schwierige „Zwitter“-Rolle mutig meistert, und Karoline Herfurth als Gretel, deren erfrischendes und unbeugsames Wesen das Herz des Filmes ist. Wie gut sie ihren Charakter getroffen hat, spürt man auch am Ende von „Berlin ’36, wenn die „echte“ Bergmann zu Wort kommt. lasso.