Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull | Analyse
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Analyse

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Felix Krull ist an einem Sonntag im Wonnemonat Mai geboren worden. Sein Vorname Felix bedeutet, aus dem Lateinischen übersetzt, der Glückliche. Alles spricht dafür, daß er ein vom Schicksal begünstigtes Kind ist: Seine positiven Eigenschaften, seine lebhafte Intelligenz, seine außergewöhnliche Begabung als Schauspieler, seine vorteilhaftes Aussehen. Er ist Meister der Täuschung, der bereits im Alter von acht Jahren und mit der Hilfe seines Vaters bei einer Konzertaufführung das Publikum täuschen kann. Als er mit einem Bogen auf einer mit Vaseline bestrichenen und ihm übergebenen Violine spielt, hat er einen ungeheuren Erfolg und wird als Wunderkind betrachtet.

Felix verherrlicht den Betrug wie sein Vater. Er entwendet gern das, was ihm gefällt, und wird deshalb auch mit dem griechischen Gott der Diebe, Hermes, verglichen. Er ist ein Schelm, der sich immer blitzschnell an neue, ihm unbekannte Situationen anpassen kann, um den größten Nutzen aus diesen Situationen ziehen zu können.

Unsere detaillierte Analyse befasst sich mit den unterschiedlichen Bauelementen der Geschichte. Sie untersucht zunächst den Titel und den Untertitel: „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (1954), die vermuten lassen, dass der vermeintliche Verfasser Felix Krull autobiografische Details über seinem betrügerischen Leben preisgeben wird. Sie beleuchtet den Aufbau des Werks, das aus 3 Bänden mit 9, 9 und 11 Kapiteln besteht. Sie schildert ausführlich die Orte und die Zeit, an denen die Handlung sich abspielt. Dann interessiert sie sich für das Erzähltempo und die Erzähltechnik, bevor sie sich in den nächsten beiden Abschnitte der Sprache und dem Stil sowie den Sprach- und Stilmitteln widmet.

Unsere gründliche Analyse erforscht schließlich die Anspielungen und mythologischen Bezüge sowie die beiden Motive „Erotik und Hermes“ in der Erzählung. Sie ist mit passenden und anschaulichen Textbeispielen belegt, bleibt nahe am Text und ist in leicht verständlicher Sprache verfasst.

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Titel

Der Titel des Romans „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ steht eindeutig in Bezug zur Erzählung des Hauptprotagonisten, des Sohnes eines Sektfabrikanten im Rheingau. Ganz im Sinne der klassischen Autobiografie berichtet Feix Krull rückblickend von, wie er selbst mitteilt, seinen „eigensten und unmittelbarsten Erfahrungen, Irrtümern und Leidenschaften“ (S. 7). Gleich zu Beginn des ersten Buches behauptet er, dass alles, was er niederschreibt, aus seiner eigenen Erfahrung stamme und durch und durch der Wahrheit entspreche, die er treu wiedergeben will (vgl. S. 7 f.). Hinter dieser Behauptung steckt bereits die erste Täuschung, die schon darauf hinweist, dass es sich bei dem Werk um keine reale Autobiografie handelt.

Felix Krull hat nie existiert und ist eine pure Erfindung des Autors Thomas Mann. Im Laufe der »Bekenntnisse« werden darüber hinaus einige Widersprüche und Schönfärbereien in der Erzählweise des Protagonisten deutlich, welche die Authentizität…

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Aufbau

Thomas Manns Roman „Felix Krulls Bekenntnisse“ umfasst insgesamt 399 Seiten. „Der Memoiren erster Teil“ berichtet hauptsächlich von der Kindheit und der Jugend des Ich-Erzählers, bis er 21 Jahre alt ist. Rückblickend und weitgehend chronologisch berichtet er episodenhaft von seinen Abenteuern und Betrügereien, schildert die Menschen, denen er begegnet ist, und reflektiert dabei über die Welt und seinen Schreibprozess. Der Roman ist in drei als „Bücher“ bezeichnete Teile aufgeteilt. Die beiden ersten enthalten jeweils neun Kapitel und der letzte elf Kapitel. Die drei Teile der Erzählung sind unterschiedlich lang: Teil 1 umfasst 62 Seiten, der zweite Teil 127 und der…

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Orte

Der Rheingau und Frankfurt

Der Ich- Erzähler lässt die Leser*innen im Unklaren darüber, an welchem Aufenthaltsort er seine Erinnerungen niederschreibt. Thomas Manns eigene Aussagen zur geplanten Fortsetzung des Romans legen nahe, dass er sich in London aufhält. In seinen Memoiren schildert Felix schließlich die Stationen seines Lebens von seiner Geburt bis hin zum frühen Erwachsenenalter.

Das erste Buch beschreibt seine Kindheit und Jugend im Rheingau bis hin zum Bankrott und Selbstmord des Vaters. Felix‘ Geburtsstadt liegt am Rhein in der Nähe von Mainz und Wiesbaden und zählt etwa 4000 Einwohner (vgl. S. 8). Wie den Aufzeichnungen Thomas Manns zu entnehmen ist, handelt es sich dabei um Eltville. Dass Felix‘ Vater hier seine Sektkellerei betreibt, ist daher kein Zufall, denn Eltville ist ebenso wie der gesamte Rheingau „berühmt durch seine Schauweinproduktion“ (S. 8).

Die Familie Krull bewohnt dort eine stattliche Villa mit großem Garten und Blick auf den Rhein. Hier spielt sich der größte Teil der Handlung des ersten Buches ab. Die Gegend, in der die Familie zahlreiche Ausflüge mit Schiff, Wagen oder Eisenbahn unternimmt, wird im Text umfangreich geschildert (vgl. S. 9). Als Felix acht Jahre alt ist, suchen er und seine Familie den nahegelegenen Kurort Bad Langenschwalbach auf (vgl. I, 3). Im Alter von vierzehn Jahren begleitet der Protagonist seinen Vater ins Theater nach Wiesbaden (vgl. I,5). Darüber hinaus fährt Felix‘ Vater regelmäßig nach Mainz, um dort eine Art Junggesellenleben zu führen oder Geschäfte zu machen. Nicht zuletzt werden in Felix‘ Schilderungen seiner Heimat auch nahegelegene Städte, wie „Rauenthal, Johannisberg, Rüdesheim“ (S. 8), erwähnt.

Im zweiten Buch verlässt die Familie Krull Eltville. Nach Auflösung der Firma und dem Freitod des Vaters zieht Olympia nach Köln, um dort eine Gesangsausbildung zu beginnen. Die Mutter eröffnet eine Pension in Frankfurt am Main. Felix unterstützt sie bei ihrem Vorhaben. Nachts streift er durch die Straßen und…

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Zeit

Felix‘ Alter

Der Ich-Erzähler ist am Anfang der Erzählung 40 Jahre als und fühlt sich „gealtert und müde“ (S. 12). Er muss deshalb seinen Bericht in Etappen verfassen (S. 7). Der Sohn des Sektfabrikanten kommt „wenige Jahre nur nach der glorreichen Gründung des Deutschen Reiches (1871)“ (S. 8) an einem Sonntag im Mai 1874 zur WeltEr ist 41 Jahre alt, als er seine Bekenntnisse beendet, nachdem er zwischen dem ersten Teil und dem zweiten Teil ein Jahr versäumt hat.

In der Erzählung sind weitere Zeitangaben in Bezug auf Felix‘ Alter enthalten. Der Junge erlebt seinen ersten Erfolg als Hochstapler, als er acht Jahre alt ist, und mit seiner Familie den Sommer in einem Kurort verbringt. Als Felix‘ Vater eines Tages seinem schauspielerisch überaus begabten Sohn einen Auftritt als Geiger vermittelt, spielt der Sohn jedoch nicht wirklich, sondern imitiert lediglich die Bewegungen. Diese Täuschung gelingt ihm aber derart glaubhaft, dass er vom Publikum als Wunderkind gefeiert wird.

Im Alter von vierzehn Jahren begleitet Felix seinen Vater ins Theater nach Wiesbaden. Als Sechzehnjähriger findet er sich regelmäßig bei seinem Paten zum Modellsitzen ein, in dessen Rahmen er mit Leichtigkeit in verschiedene Rollen hineinschlüpft. Im selben Alter sammelt er auch seine ersten sexuellen Erfahrungen und beginnt eine Affäre mit dem doppelt so alten Zimmermädchen Genovefa.

Als Felix die Schule verlässt, ist er 18 Jahre alt. Sein Schuljahr endet zu Ostern, er erhält kein Abgangszeugnis und wird die Schule fortan nicht mehr besuchen (vgl. S. 60 f.). Im Mai kann er seinen 19. Geburtstag feiern. Der Bankrott der Krull’schen Sektkellerei ereignet sich vor Felix‘ Schulabgang. Zwischen der Konkurseröffnung und dem Selbstmord des Vaters im Herbst liegen 5 Monate (vgl. S. 61). Als Felix die alten Familienfotos durchstöbert, uns zwar kurz nach der Beerdigung des Vaters, ist er definitiv 19 Jahre alt (vgl. S. 69). Weil die Familie die leergeräumte Villa bis zum Neujahr verlassen haben muss, versammelt der Hausfreund Schimmelpreester die Krulls zu einer Besprechung, bei der er als Ratgeber die Zukunftspläne vorgibt.

Bei dem Umzug nach Frankfurt, der kurz vor Weihnac…

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Anspielungen und Mythologische Bezüge

Thomas Mann hat einige Anspielungen auf die griechische und römische Mythologie in seinen Roman integriert. Damit bezieht er sich auf das Spannungsverhältnis zwischen Schein und Sein (bzw. Mythos und Wirklichkeit), eine Thematik, welche die Erzählung durchzieht. Die mythologischen Bezüge betreffen insbesondere einige Charaktere und Aspekte der Figurengestaltung. Allem voran ist es der Protagonist Felix Krull, der durch seine makellose Schönheit einem griechischen Gott ähnelt und nicht grundlos von Madame Houpflé mit dem griechischen Gott Hermes verglichen wird (vgl. Abschnitt „Motive: Hermes“).

Bereits im Kindesalter fällt Felix durch seinen ansehnlichen Körperbau auf, der mit seinen harmonischen Proportionen an eine antike Statue erinnert. Der Ich-Erzähler selbst spricht davon, „göttergleich gewachsen“ zu sein „schlank, weich und doch kräftig von Gliedern, goldig von Haut und ohne Tadel in Hinsicht auf schönes Ebenmaß“ (S. 26). Im Alter zwischen sechzehn und achtzehn Jahren steht der schöne Felix seinem Paten, dem Maler Felix Schimmelpreester, unter anderem „als Griechengott Modell“ (S. 27). Später gibt er an, der König habe ihn als „Adonis“ (S. 343) bezeichnet. Der griechischen Mythologie nach war Adonis der Geliebte von Aphrodite und laut der römisc…

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Motive: Erotik

Felix‘ außergewöhnliche Begabung

Die Erotik spielt in Felix Krulls Memoiren eine sehr zentrale Rolle. Seinen Schilderungen nach habe er bereits im Säuglingsalter sexuelle Empfindungen entwickelt, als er von der Amme gesäugt wurde (vgl. S. 53). Um seine früh aufkeimende Erotik ausführlich zu beschreiben, widmet Felix ihr sogar ein ganzes Kapitel.

Was als „lebhafte Neigung zu gewissen Vorstellungen“ (S. 52) beginnt, setzt sich schon bald in realen sexuellen Begegnungen mit Frauen fort. Im Alter von 16 Jahren beginnt Felix eine Affäre mit dem doppelt so alten Zimmermädchen Genovefa. Dieses erste sexuelle Erlebnis nährt in ihm die Überzeugung, anderen Menschen im Liebesspiel überlegen zu sein: “In der Tat grenzte meine Begabung zur Liebeslust ans Wunderbare; sie übertraf, wie ich noch heute glaube, das gemeine Ausmaß bei weitem“ (S. 53). Seine sexuelle Erregung umschreibt er dabei als „große Freude“ (ebd.).

In seinen Ausführungen über die eigene Sexualität ist der eitle Ich-Erzähler sehr um „Moral und Schicklichkeit“ bemüht (S. 52). Er verwehrt sich gegen das plumpe „Vergnügen an der Zote“ und betont, dass es sich bei der menschlichen Erotik um „die wichtigste und geheimnisvollste Angelegenheit der Natur“ handele (ebd.). Darüber hinaus gibt er dem „gebildete[n] Publikum“ (S. 54) selbstgefällig zu verstehen, dass es ihm in seiner Rolle als Liebhaber keinesfalls um bloße Triebbefriedigung gehe (mit der implizite…

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Motive: Hermes

Gott der Diebe und Händler

In der griechischen Mythologie gehört Hermes zu den zwölf olympischen Göttern. Er ist der Sohn der Nymphe Maia und des Göttervaters Zeus. Ihm wird eine ganze Reihe von verschiedenen Eigenschaften zugeschrieben. Unter anderem gilt Hermes als Schutzgott der Diebe. In Thomas Manns Roman sind mehrere Vergleichsmerkmale zwischen dem Protagonisten Felix Krull und dem griechischen Gott Hermes auszumachen. Der Autor selbst weist in einem Brief aus dem Jahr 1954 über die Entstehung des Werkes darauf hin, dass es sich bei den »Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull« um einen „hermetischen Roman“ (im Sinne von „Roman des Hermes“) handelt.

Einer bekannten Sage nach hat Hermes bereits im frühen Kindesalter gestohlen. So kroch er aus seiner Wiege, entwendete er seinem Bruder Apollon einige Rinder aus dessen Herde und legte sich anschließend wieder schlafen. Als Apollon ihn zur Rede stellte, behauptete Hermes, zu jung zum Stehlen zu sein. Doch der Göttervater Zeus glaubte ihm nicht und forderte ihn zur Rückgabe der Rinder auf. Hermes, der bereits zwei der Rinder geschlachtet hatte, bot dem bestohlenen Apollon daraufhin seine selbstgebaute Leier als Entschädigung an. Dieses Instrument hatte er kurz nach seiner Geburt erfunden und aus dem Panzer einer toten Schildkröte zusammengebaut. Apollon nahm das Angebot an und Hermes konnte die restlichen Rinder behalten.

Die Geschichte vom Rinderraub weist Hermes nicht nur als Gott der Diebe aus, sondern verdeutlicht auch seinen charakteristischen Erfindungsgeist. Darüber hinaus illustriert die Sage, wie clever und durchtrieben Hermes berei…

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Stilmittel

Akkumulation (Anhäufende Aufzählung, Reihung mehrerer Begriffe zu einem genannten Oberbegriff) 

„Man fand sich meistens zum Diner um sieben Uhr ein, und dann pflegte die Lustbarkeit, die Klaviermusik, das Schlürfen des Tanzes, das Gelächter, Gekreisch und Gejachter die ganze Nacht hindurch kein Ende zu nehmen.“ (S. 19)

„Sorgen, Kummer, Herzensnot, lieber Kroull!“ (S. 244)

 

Alliteration (Wiederholung von Buchstaben oder Silben zu Beginn benachbarter Wörter)

„Munde der Meinen“ (S. 13)

„das Gelächter, Gekreisch und Gejachter die ganze Nacht hindurch“ (S. 19)

„Pulsieren und Pochen“ (S.46)

„in Frieden und Freiheit“ (S. 47)

„Schärfe und Süßigkeit“ (S. 55)

„schwere und strenge Aufgabe“ (S. 65)

„Auf dem Getriebe der Großstadt“ (S. 113)

„Seele und Sinn“ (S. 126)

 

Anapher (Wiederholung eines Wortes oder mehrerer Wörter zu Beginn aufeinanderfolgender Sätze oder Satzteile) 

jedesmal schien es, und auch der Spiegel versicherte mich dessen, als ob ich gerade für diesen Aufzug recht eigentlich bestimmt und geboren sei; jedesmal gab ich, nach dem Urteile aller, ein vortreffliches Beispiel der Menschenart ab, die ich eben vertrat […]“ (S. 26)

Man sah ihn bei fortschreitender Handlung in verschiedenen Toiletten: in schneeweißem Sportanzug mit rotem Gürtel, in reicher Phantasie-Uniform, ja gelegentlich einer ebenso heiklen wie zwerchfellerschütternden Verwicklung sogar in Unterhosen aus himmelblauer Seide. Man sah ihn in kühnen, übermütigen, bestrickend abenteuerlichen Lebenslagen […]“ (S. 30).

Wenn wir in unseren Unterhosen dort oben stünden, mochten sie denken — wie würden wir bestehen? Und wie keck und ebenbürtig er mit zwei so anspruchsvollen Freudenmädchen verkehrt! — Wenn Müller-Rosé vom Schauplatz abtrat, so fielen die Schultern hinab und eine Kraft schien von der Menge zu weichen. Wenn er, erhobenen Armes einen hohen Ton aushaltend, in sieghaftem Sturmschritt vom Hintergrunde zur Rampe vordrang, so schwollen die Busen ihm entgegen, daß die Atlastaillen der Frauen in den Nähten krachten.“ (S. 31)

Welche Wohltat, welche Anregung, welche Erquickung des Daseins, sich mit einem neuen Namen vorzustellen und anreden zu hören!“ (S. 58)

Mein Kopf rollte umher und drehte sich mehrmals fast ins Genick, nicht anders, als sei der Leibhaftige im Begriff, mit den Hals zu brechen; meine Schultern und Arme schienen aus den Gelenken gewunden zu werden, meine Hüften verbogen sich, meine Knie kehrten sich gegeneinander, mein Bauch höhlte sich aus, indes meine Rippen die Haut zersprengen zu wollen schienen […]“ (S. 10…

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