Dringlichst

Dringlichst
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten: das Wünschen.

Letzte Woche habe ich auf Instagram nach dringlichsten, vielleicht geheimen Wünschen gefragt. Weil der Bibeltext für diese Woche jetzt von einer Witwe erzählt, die einen korrupten Richter so lange bedrängt, belästigt, bestürmt, bis er das tut, was sie will und was ihr Recht ist. (nachzulesen hier: Lukas 18,1-8)

Ich habe auch nach dringlichsten, vielleicht geheimen Wünschen gefragt, weil ich selber im Wünschen, im unbedingt Wollen, im hartnäckig Nerven nicht besonders gut bin. Ich frage mich immer fast sofort, ob es okay ist, was ich mir wünsche. Ob es nicht zuviel verlangt ist. Ob ich nicht zufrieden sein sollte mit dem, was ich habe (das ist ja schließlich viel). Ob es nicht richtiger ist, lieber um nichts zu bitten, nicht allzu viel zu wollen, keine großen Ansprüche zu haben, bescheidener zu sein - und dann auch nicht enttäuscht. Ich frage mich all das und die erste Antwort ist eigentlich immer Ja: Ja, besser nicht wünschen. Und oft ist das eine ziemlich nützliche Eigenschaft von mir - zB wenn Lockdown ist wegen einer Pandemie oder Tinder ein zu gruseliges Tool, als dass ich es aushalten könnte, oder wenn die EKD-Synode möchte, dass wir alle maximal 100 km/h auf der Autobahn fahren und das für Leute, die anders sind als ich, offensichtlich eine völlige Umzumutbarkeit darstellt, worüber ich mich dann sehr wundere.

Jedenfalls: ich fragte auf Instagram nach den dringlichsten, vielleicht geheimen Wünschen. Und bekam sehr viele Antworten. Die Wünsche waren: ein Kind bekommen, einen Menschen zum Umarmen, Frieden, ein Wochenende allein, ein Leben ohne Depression, eins ohne chronische Schmerzen. Sie waren: den eigenen Wert erkennen, sicherer werden, einen Ort haben, an den man gehört, ein Foto von einer im Brautkleid mit den verstorbenen Eltern. Sie waren: Klimagerechtigkeit und dass das Schulsystem und die erste Liebe dem eigenen Kind nicht das Herz bricht. Und viele mehr.

Alle Wünsche waren leise, fein, liebevoll. Kein einziger war übertrieben, unbescheiden, unzumutbar. Manche lagen nicht in unserer Menschenmacht. Andere schon. Wieder andere irgendwas dazwischen.

Ich habe mehrere Tage lang immer wieder alle diese Wünsche gelesen. Bei manchen mußte ich weinen. Ich hätte sie alle am liebsten sofort erfüllt. Ene mene mei. Abrakadabra. Hexhex. Und ich kann gar nicht anders als zu glauben, dass G*tt, die große Güte, sie alle auch gelesen hat. Ich möchte Jesus glauben, der sagt, G*tt werde sie bald erfüllen. Und bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Worin ich mir aber heute sicherer bin als bevor ich die Wünsche der anderen las: Wünschen ist keine Sünde und keine Unvernunft. Es ist erlaubt. Auch mir. Auch dir. Liebe, Gerechtigkeit, Zärtlichkeit, Heilung und ein vernünftiges Schulsystem sind nicht zuviel verlangt. Imagine Peace. Imagine ein Wochenende nur für dich. Einen Ort, an den du gehörst. Ich werde es diese Woche versuchen.

 


Wochenaufgabe:

Den eigenen dringlichsten Wunsch fühlen. Ihn vielleicht mit wenigstens einer Person teilen. Abwarten, was dann passiert.

 

 

 

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