BERICHT über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Beata Kempa | A9-0346/2023 | Europäisches Parlament

BERICHT über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Beata Kempa

8.11.2023 - (2023/2022(IMM))

Rechtsausschuss
Berichterstatter: Adrián Vázquez Lázara

Verfahren : 2023/2021(IMM)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A9-0346/2023
Eingereichte Texte :
A9-0346/2023
Aussprachen :
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

VORSCHLAG FÜR EINEN BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Beata Kempa

(2023/2022(IMM))

Das Europäische Parlament,

 befasst mit einem Antrag auf Aufhebung der Immunität von Beata Kempa im Zusammenhang mit einem Strafverfahren aufgrund Einreichung einer zivilen Anklageschrift, der von der XIV. Strafabteilung des Amtsgerichts Warschau-Mokotów am 13. Dezember 2022 übermittelt und am 13. Februar 2023 im Plenum bekannt gegeben wurde,

  nach Anhörung von Beata Kempa gemäß Artikel 9 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

 gestützt auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

 unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011, 17. Januar 2013 und 19. Dezember 2019[1],

 unter Hinweis auf Artikel 105 Absatz 2 und 108 der Verfassung der Republik Polen und Artikel 7b Absatz 1 und Artikel 7c Absatz 1 des polnischen Gesetzes vom 9. Mai 1996 über die Ausübung des Mandats der Abgeordneten und Senatoren,

 gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

 unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0346/2023),

A. in der Erwägung, dass der Richter der XIV. Strafabteilung des Amtsgerichts Warschau-Mokotów am 13. Dezember 2022 einen Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Beata Kempa, die für Polen gewählt wurde, eingereicht hat, weil eine Privatperson aufgrund einer Veröffentlichung auf dem Twitter-Konto der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die angeblich Inhalte enthält, die zu nationalem, ethnischem, rassistischem und religiösem Hass aufstacheln, Strafanzeige erstattet hat; dass am 17. November 2021 das Amtsgericht Warschau-Mokotów mit der Anklageschrift befasst wurde, die vom Bevollmächtigten des Subsidiaranklägers eingebracht wurde; dass außerdem der Bevollmächtigte beim Gericht beantragte, seinen Antrag auf Erlaubnis zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen Beata Kempa, an das Europäische Parlament zu übermitteln;

B. in der Erwägung, dass der Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität entsprechend Artikel 9 Absatz 12 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments von der Justizbehörde übermittelt wurde; dass jedoch gemäß Artikel 9 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung jeder Antrag auf Aufhebung der Immunität von „einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates“ gestellt werden muss und diese beiden Begriffe nicht identisch sind; dass die Bedeutung des Ausdrucks „zuständige[] Behörde eines Mitgliedstaates“ durch die anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften bestimmt wird und dass im Falle Polens auf Artikel 7b Absatz 1 des polnischen Gesetzes vom 9. Mai 1996 über die Ausübung des Mandats der Abgeordneten und Senatoren Bezug genommen werden muss, wonach ein Antrag auf Genehmigung der Strafverfolgung gegen einen Abgeordneten oder Senator im Falle einer Straftat, die mit einer Anklage verfolgt werden kann, an den Generalstaatsanwalt zu stellen ist, dass im vorliegenden Fall der Antrag an den Generalstaatsanwalt gerichtet wurde, der den Antrag jedoch mit der Begründung zurückverwies, dass die Privatanklage auch die Subsidiaranklage beinhaltete und dass die Einreichung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten in die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts falle;

C. in der Erwägung, dass der Bevollmächtigte des Subsidiaranklägers beim Gericht die Genehmigung zur Einleitung eines Strafverfahrens unter anderem gegen Beata Kempa wegen einer Tat beantragt hat, die unter Artikel 256 Absatz 2 des polnischen Strafgesetzbuchs fällt;

D.  in der Erwägung, dass am 17. Oktober 2018 der Wahlspot mit dem Titel „Bezpieczny samorząd“ (Sichere Gemeinde) in den sozialen Medien auf dem Twitter-Konto der PiS im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen, die am 21. Oktober 2018 in Polen stattgefunden haben, veröffentlicht wurde; in der Erwägung, dass seine Verbreitung unter anderem von Beata Kempa unterstützt wurde; in der Erwägung, dass in der Veröffentlichung angeblich zu Hass gegen muslimische Einwanderer aufgerufen wurde;

E. in der Erwägung, dass Beata Kempa zu einer Gruppe von Personen gehört, die aufgrund der fraglichen mutmaßlichen Straftat beschuldigt werden und sich daher in einer ähnlichen Situation befinden, wobei der einzige Unterschied darin besteht, dass sie derzeit als Mitglied des Europäischen Parlaments Immunität genießt; in der Erwägung, dass daher zu berücksichtigen ist, dass Beata Kempa nicht die einzige Person ist, die in dem betreffenden Fall angeklagt werden könnte;

F. in der Erwägung, dass Beata Kempa bei der Wahl vom 26. Mai 2019 in das Europäische Parlament gewählt wurde;

G. in der Erwägung, dass die mutmaßliche Straftat nicht eine von Beata Kempa in Ausübung ihres Amtes als Mitglied des Europäischen Parlaments erfolgte Äußerung oder Abstimmung gemäß Artikel 8 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union betrifft; in der Erwägung, dass im vorliegenden Fall der Antrag auf Aufhebung der Immunität Tatsachen betrifft, die sich auf Tätigkeiten mit lokalem Bezug beziehen und die vor dem Erwerb des Status und damit der Immunität als Mitglied des Europäischen Parlaments liegen;

H. in der Erwägung, dass der Zweck der parlamentarischen Immunität darin besteht, das Parlament und seine Mitglieder vor Gerichtsverfahren zu schützen, die sich auf Tätigkeiten beziehen, die sie in Ausübung ihrer parlamentarischen Funktionen ausüben und die untrennbar damit verbunden sind;

I. in der Erwägung, dass Artikel 9 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorsieht, dass den Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

J. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 105 Absatz 2 und Artikel 108 der Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997 sowie Artikel 7 Absätze 1, 2 und 4, Artikel 7b Absatz 1 und Artikel 7c Absatz 1 des Gesetzes vom 9. Mai 1996 über die Ausübung des Mandats der Abgeordneten und Senatoren[2] ein Abgeordneter ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments nicht als Verdächtiger vernommen und nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden darf;

K. in der Erwägung, dass einerseits das Parlament nicht einem Gericht gleichgesetzt werden kann und dass andererseits das Mitglied des Parlaments im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Aufhebung der Immunität nicht als „Angeklagter“ gelten darf[3];

L. in der Erwägung, dass in dem vorliegenden Fall das Parlament keine Anzeichen von fumus persecutionis gefunden hat, d. h. Tatsachen, die darauf hindeuten, dass das zugrunde liegende Verfahren von der Absicht getragen ist, der politischen Tätigkeit des Mitglieds und damit dem Europäischen Parlament zu schaden;

1. beschließt, die Immunität von Beata Kempa aufzuheben;

2. beauftragt seine Präsidentin, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich der zuständigen Behörde der Republik Polen und Beata Kempa zu übermitteln.


ANLAGE: AUFLISTUNG DER EINRICHTUNGEN UND PERSONEN, VON DENEN DER BERICHTERSTATTER BEITRÄGE ERHALTEN HAT

 

Die folgende Liste wird unter der ausschließlichen Verantwortung des Berichterstatters erstellt. Der Berichterstatter hat bei der Vorbereitung des Berichts bis zu dessen Annahme im Ausschuss Informationen von folgenden Einrichtungen oder Personen erhalten:

 

Einrichtungen und/oder Personen

Dieser Bericht wurde unter Einhaltung des Verfahrens zur Wahrung der Vertraulichkeit erstellt. Vor diesem Hintergrund erhält der Berichterstatter keine Beiträge von Einrichtungen oder Personen im Sinne dieser Anlage.

 

 


ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

7.11.2023

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

4

13

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Ilana Cicurel, Angel Dzhambazki, Ibán García Del Blanco, Gilles Lebreton, Maria-Manuel Leitão-Marques, Karen Melchior, Sabrina Pignedoli, Franco Roberti, Raffaele Stancanelli, Adrián Vázquez Lázara, Axel Voss, Marion Walsmann, Javier Zarzalejos

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Alessandra Basso, Patrick Breyer, René Repasi

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 209 Abs. 7)

Luděk Niedermayer

 

 

  • [1] Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra / De Gregorio und Clemente, C‑200/07 und C‑201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch / Parlament, T‑42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C‑163/10, ECLI: EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch / Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, ECLI:EU:T:2013:23. Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C‑502/19, ECLI:EU:C:2019:1115.
  • [2] Amtsblatt der Republik Polen, 2018.1799, kodifizierte Fassung.
  • [3] Urteil des Gerichts vom 30. April 2019, Briois/Parlament, T‑214/18, ECLI:EU:T:2019:266.
Letzte Aktualisierung: 9. November 2023
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