August Diehl: „Ich bin echt ein Sonntagskind“

August Diehl: „Ich bin echt ein Sonntagskind“

Der Berliner Schauspieler wuchs in einem Haus ohne Strom auf, mitten in der Natur. Sein neuer Film „Ein verborgenes Leben“ weckte auch Erinnerungen an diese Zeit.

Berlin-Beim Filmfest in Cannes wurde das berührende Drama „Ein verborgenes Leben“ bereits euphorisch gefeiert. Im neuen Werk von Regisseur Terrence Malick, das jetzt im Kino angelaufen ist, geht es um die wahre Geschichte eines Kriegsverweigerers und NS-Widerständlers. Der Berliner August Diehl (44) spielt den Bauern Franz Jägerstätter, einen Familienvater aus dem österreichischen Radegund, der es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, für die Wehrmacht zu kämpfen. Dafür wird er inhaftiert und schließlich 1943 von den Nazis hingerichtet.

Der Schauspieler August Diehl in einer Szene seines neuen Films "Ein verborgenes Leben".
Der Schauspieler August Diehl in einer Szene seines neuen Films "Ein verborgenes Leben".Imago Images/Prod.DB

Herr Diehl, 1998 feierten Sie mit „23“ Ihren Durchbruch. Haben Sie da geahnt, wohin Ihr Beruf Sie noch führt?

Ich bin echt ein Sonntagskind. Ich habe auf meinem Weg so viel Glück gehabt – und hab’s noch immer. Neulich traf ich in Berlin Jürgen Vogel auf der Straße, der bei mir ums Eck wohnt. Der sagte auch: „Wir vergessen oft, was es für ein Luxus ist, dass wir so arbeiten können. Wie viele Kollegen werden nicht mal gefragt … und wir dauernd. Wir sind solche Glückskinder.“ Recht hat er.

Und abseits der Arbeit? Sie sind von Ihrer Frau, der Schauspielerin Julia Malik, seit über drei Jahren getrennt.

Privat ging’s eher mal auf und mal ab. Aber über all das möchte ich eigentlich gar nicht sprechen.

Ihr Beruf scheint Ihnen über diese schwierige Phase hinweggeholfen zu haben. Der Dreh mit Terrence Malick fand 2016 statt, etwa zeitgleich mit der Trennung …

Das war das Irrste, dass die eigene Biografie und die Arbeit so zusammengefaltet werden. Schön war, dass das Filmprojekt ein Ort des Friedens für mich wurde. Ein Ort, an dem man sich auf eine Suche nach Antworten begeben konnte. Und dann noch einem Menschen wie Malick zu begegnen, der selbst so große Fragen ans Leben hat und mich zu seiner Suche einlud, das gibt und gab mir eine unglaubliche Kraft.

Christoph Waltz’ Karriere ist mit Tarantinos „Inglourious Basterds“ explodiert und hat ihn nach Hollywood katapultiert. Auch Daniel Brühl hat sich international etabliert. Träumen Sie auch von solch einer Karriere?

Ich habe nie etwas gemacht, um etwas zu haben. Es war eher immer andersrum: Ich habe einfach immer weitergemacht. Und wenn es passiert, ist es toll. Es gibt meiner Meinung nach nur einen echten und großen Vorteil von Erfolg – neben dem Ruhm und dass man mehr Geld verdient: Dass man die Chance erhält, mit so großartigen Künstlern zu arbeiten und so spannenden Menschen zu begegnen. Das würde ich gern noch länger erleben und auch mehr internationale Filmschaffende kennenlernen, um noch häufiger ausprobieren, was möglich ist.

In „Ein verborgenes Leben“ ist es letztlich die Liebe, die es Jägerstätter unmöglich macht, für Hitler in den Krieg zu ziehen. Mord und Rassenhass sind für den Bauern undenkbar. Er ist von Liebe geprägt, zur Natur und zu seiner Familie. Sieht so das Ideal von Liebe aus?

Wahrscheinlich. Mich hat beeindruckt, dass es dem Paar gar nicht primär darum geht, sich gegenseitig zu verstehen. Fani, seine Frau, versteht nicht alles, was ihn bewegt und zu seiner Entscheidung führt – aber sie will auf jeden Fall mit ihm sein. Das finde ich so stark. Die Dörfler fragten sie, warum machst du ihm nicht klar, dass er dich mit den Kindern als Witwe alleine lässt? Warum wendest du dich nicht von ihm ab? Sie antwortet daraufhin: „Dann wäre er ja ganz allein. Dann hätte er ja gar niemanden mehr.“ Das Einfache daran beeindruckt mich sehr.

Haben Sie selbst einen engen Bezug zur Natur? Oder sind Sie Vollblut-Berliner und Stadtmensch?

Die Natur hat in meinem Leben eine große Bedeutung. Ich bin in der Auvergne großgeworden. Bis ich neun Jahre alt war, lebten wir in einem Haus ohne Strom. Meine Eltern haben sich dort niedergelassen, als wir Kinder noch sehr klein waren. Wir hatten Schafe, Ziegen und Hühner, haben selbst Ziegenkäse hergestellt. Daher war dieser Dreh wie eine Rückkehr in meine Kindheit. Auch wenn ich nun seit 25 Jahren in der Stadt lebe und komplett urbanisiert bin, spielt die Natur eine große Rolle für mich.

Gibt es dieses Haus noch?

Ja, es ist bis heute mein Garten Eden. Dieser Ort in Frankreich ist mein Paradies. Wenn ich nur die Sprache höre, fühle ich mich dort zu Hause. Ich bin jeden Sommer dort, das ist ganz wichtig für mich. Dort tanke ich Kraft, dort komme zu mir selbst. Es gibt keinen Handyempfang, kein Internet und auch noch immer keine Elektrizität. Es ist wichtig, einen Ort zu haben, wo man kurz von allem abgeschnitten ist und sich aufs Wahre besinnt. Man kocht auf Gas und zum Lesen gibt es Solar- oder Petroleumlampen. Wir haben ja mittlerweile sogar warmes Wasser für die Badewanne.

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Foto: Charles Yunck
Zur Person
August Diehl stammt aus einer Künstlerfamilie und studierte an der Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“. 1998 übernahm er die Hauptrolle im Thriller „23 – Nichts ist so wie es scheint“ und gewann für die Darstellung des Computerhackers Karl Koch den Deutschen Filmpreis. Seither ist er einer der gefragtesten Schauspieler des deutschen Kinos. Es folgten viele weitere Rollen, etwa in „Was nützt die Liebe in Gedanken“ und „Inglourious Basterds“.