The Zone of Interest: Die wahre Geschichte von Rudolf Höß & Co.
Christian Friedel in einer Szene von "The Zone of Interest"
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited
Charlie Hunnam im Film "Papillon"
Christopher Nolan im Anzug hält in jeder Hand einen Oscar und guckt direkt in die Kamera.
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The Zone of Interest: Das ist die wahre Geschichte hinter dem Oscar-prämierten Film

Der Klang des Grauens: Im Mit­telpunkt von „The Zone of Inter­est” ste­hen Rudolf und Hed­wig Höß, die 1943 in einem Haus mit großem Garten direkt neben dem Konzen­tra­tionslager Auschwitz wohnen. Der Film zeigt mitunter fik­tive Szenen und Dialoge. Er basiert aber auf über­liefer­ten Quellen – zum Beispiel den Aufze­ich­nun­gen des Lagerkom­man­dan­ten Rudolf Höß. Das ist die wahre Geschichte hin­ter The Zone of Inter­est.

The Zone of Interest: Die wahre Geschichte von Rudolf und Hedwig Höß

Rudolf Höß (in The Zone of Inter­est von Chris­t­ian Friedel porträtiert) wurde 1901 in Baden-Baden geboren, ver­brachte seine Kind­heit in Mannheim und schloss dort auch die Schule ab. In den 1920er-Jahren arbeit­ete er in land­wirtschaftlichen Betrieben in Schle­sien und Meck­len­burg. Während dieser Zeit kam er mit der nation­al­sozial­is­tis­chen Idee in Berührung. Außer­dem lernte er den späteren NS-Reichsmin­is­ter Mar­tin Bor­mann ken­nen.

1923 war Rudolf Höß auf einem Gut bei Parchim beschäftigt, als er und mehrere Mit­stre­it­er den deutschen Volkss­chullehrer Wal­ter Kad­ow ent­führten, mis­shan­del­ten und schließlich umbracht­en.

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Am 15. März 1924 verurteilte das Gericht Rudolf Höß wegen schw­er­er Kör­per­ver­let­zung und Totschlag zu zehn Jahren Haft. Er kam aber im Jahr 1928 auf­grund der soge­nan­nten Koch-Amnestie wieder frei.

Am 17. August 1929 heiratete Rudolf Höß dann die damals 21-jährige Hed­wig Hensel (gespielt von San­dra Hüller), die er vom Bund der Arta­ma­nen kan­nte – einem völkisch-anti­semi­tis­chen Sied­lungs­bund. Gemein­sam hat­te das Paar im Laufe der Jahre fünf Kinder: Klaus, Hei­de­traud, Inge­b­rigitt, Hans-Jür­gen und Annegret.

Ab 1938 arbeit­ete Rudolf Höß zunächst als Adju­tant des Lagerkom­man­dan­ten im KZ Sach­sen­hausen. Dort war er im März 1940 auch für die Ermor­dung der Brüder Sass (zweier bekan­nter Berlin­er Ein­brech­er) ver­ant­wortlich. Wenig später fol­gte seine Ver­set­zung nach Auschwitz.

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Im Juni 1941 bekam Rudolf Höß von SS-Chef Hein­rich Himm­ler den Auf­trag, die „Endlö­sung der Juden­frage” zu organ­isieren und auszuführen. Mit dem Jahreswech­sel 1941/1942 begann die Ermor­dung der Juden und Jüdin­nen in Auschwitz.

Etwa dreiein­halb Jahre lang beauf­sichtigte Rudolf Höß die Massen­morde in den Gaskam­mern, die mehr als 1,1 Mil­lio­nen Men­schen das Leben kostete. Darunter waren nicht nur Juden und Jüdin­nen, son­dern auch Ange­hörige der Roma und Sin­ti sowie poli­tis­che Häftlinge. Am Ende eines jeden Tages begab sich der Lagerkom­man­dant zurück in die Fam­i­lienvil­la, die ger­ade ein­mal 150 Meter vom Schorn­stein des Kre­ma­to­ri­ums ent­fer­nt stand.

Ende 1943 wurde Rudolf Höß nach Berlin ver­set­zt. Im Mai 1944 kehrte er jedoch nach Auschwitz zurück, um den Trans­port und Massen­mord an etwa 440.000 ungarischen Juden und Jüdin­nen zu organ­isieren. Anschließend ver­ließ er Auschwitz wieder und war im KZ Ravens­brück tätig. In dessen unmit­tel­bar­er Nähe lebte ab Ende 1944 auch seine Fam­i­lie.

Rudolf Höß 1946 in Warschau, Polen

Im Jahr 1946 wurde Rudolf Höß (hier rechts im Bild) an Polen aus­geliefert. — Bild: pic­ture-alliance / PAP | PAP

Das Gerichtsverfahren gegen Rudolf Höß

Nach dem Kriegsende im Mai 1945 gelang Rudolf Höß zunächst die Flucht nach Schleswig-Hol­stein. Er nahm eine neue Iden­tität an und tauchte mith­il­fe seines Schwa­gers auf einem Bauern­hof nahe Flens­burg unter. Dort wurde Rudolf Höß, mit­tler­weile ein­er der meist­ge­sucht­en Kriegsver­brech­er, von britis­chen Fah­n­dern am 11. März 1946 festgenom­men.

Nach sein­er Fes­t­nahme machte er detail­lierte Angaben zur Massen­ver­nich­tung in Auschwitz. Er nahm auch am Nürn­berg­er Prozess teil – als Zeuge der Vertei­di­gung von SS- und Polizeiführer Ernst Kaltenbrun­ner. Anschließend liefer­ten die US-Behör­den Rudolf Höß an Polen aus, wo ihm zwis­chen dem 11. und 29. März 1947 der Prozess gemacht wurde.

Am 2. April 1947 verurteilte das pol­nis­che Kriegsver­brecher­tri­bunal Rudolf Höß zum Tode. Seine Hin­rich­tung erfol­gte wenige Tage später auf dem Gelände des KZ Auschwitz – direkt vor sein­er ehe­ma­li­gen Res­i­denz.

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The Zone of Interest: Hedwig Höß – das wurde aus ihr

Vor sein­er Fes­t­nahme durch die britis­che Mil­itär­polizei war es Rudolf Höß noch gelun­gen, seine Fam­i­lie in ein­er Zuck­er­fab­rik in St. Michaelis­donn (Schleswig-Hol­stein) unterzubrin­gen. Das britis­che Mil­itär ver­haftete Hed­wig Höß und ihren ältesten Sohn Klaus aber wenig später und ver­hörte sie wochen­lang. Auf­grund von Dro­hun­gen, sie und ihren Sohn nach Sibirien zu deportieren, enthüllte Hed­wig Höß schließlich den Aufen­thalt­sort ihres Mannes.

Nach der Fes­t­nahme und Hin­rich­tung von Rudolf Höß wurde es ruhig um Hed­wig Höß und ihre Fam­i­lie. Das änderte sich, als die mit­tler­weile 57-Jährige beim ersten Frank­furter Auschwitzprozess als Zeu­g­in auf­trat. Es war das erste große deutsche Ver­fahren, das sich der juris­tis­chen Aufar­beitung der NS-Ver­brechen in Auschwitz wid­mete.

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Bei dem Prozess gab Hed­wig Höß auch zu Pro­tokoll, sich nicht an Geschehnisse im Konzen­tra­tionslager erin­nern zu kön­nen. Laut früheren Aus­sagen ihres Mannes gegenüber einem Gericht­spsy­cholo­gen soll Hed­wig Höß aber sehr wohl gewusst haben, was im Lager vor sich ging. Rudolf Höß zufolge habe der „faule und Übelkeit erre­gende Ges­tank”, der durch die fortwährende Ver­bren­nung der getöteten Men­schen verur­sacht wurde, zudem die ganze Umge­bung durch­drun­gen.

Ihre let­zten Leben­s­jahre ver­brachte Hed­wig Höß in Stuttgart. Von dort aus reiste sie regelmäßig in die USA, um ihre Tochter Inge­b­rigitt zu besuchen. Diese wohnte in Arling­ton im US-Bun­desstaat Vir­ginia – in unmit­tel­bar­er Nach­barschaft der Fam­i­lie Clin­ton.

Im Sep­tem­ber 1989 starb Hed­wig Höß im Gästez­im­mer ihrer Tochter. Anschließend wurde sie auf einem Fried­hof in Arling­ton in einem namen­losen Grab bestat­tet.

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Die Köchin des Kommandanten: Die wahre Geschichte von Sophie Stippel 

Die Dien­stvil­la von Rudolf Höß am nordöstlichen Rand des Stamm­lagers Auschwitz beherbergte auch einen großen Garten mit Gewächshaus. Das gesamte Are­al wurde von aus dem KZ abkom­mandierten Arbeit­skräften gepflegt. Auch im Haus kamen Zwangsar­beit­er zum Ein­satz – unter anderem Sophie Mar­garete Stip­pel.

Die Mannheimerin gehörte den Zeu­gen Jeho­vas (damals auch Bibelforsch­er genan­nt) an und wurde Ende der 1930er-Jahre auf­grund ihres Glaubens und Wider­standes gegen den Nation­al­sozial­is­mus inhaftiert. Als sie 1942 nach Auschwitz ver­legt wurde, traf sie dort auf Rudolf Höß. Bei­de kan­nten sich aus ihrer Kind­heit in Mannheim. Daraufhin set­zte dieser Sophie Stip­pel als Köchin und Kinder­frau auf dem Grund­stück des Lagerkom­man­dan­ten ein.

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Als Fam­i­lie Höß Ende 1944 Auschwitz ver­ließ, zog auch Sophie Stip­pel mit nach Ravens­brück um. Dort soll sie kurz vor Kriegsende von Rudolf Höß den Befehl erhal­ten haben, die fünf Höß-Kinder zu vergiften, sofern die Rote Armee das Lager erre­icht. Sophie Stip­pel über­lebte den Krieg. Anschließend wohnte sie in Wein­heim, nordöstlich von Mannheim. Dort starb sie 1985 im Alter von 93 Jahren.

Aufgear­beit­et wurde Sophie Stip­pels Lebens­geschichte allerd­ings erst, als ihre Nach­fahren einen alten Schuhkar­ton ent­deck­ten. Darin befand sich neben per­sön­lichen Briefen auch ihr Häftlingsausweis aus Auschwitz. Außer­dem dort auf­be­wahrt: der lila Winkel – ein Erken­nungsze­ichen, das Ange­hörige der Zeu­gen Jeho­vas in deutschen Konzen­tra­tionslagern tra­gen mussten.

Gemein­sam mit Mannheimer Forscher:innen ent­standen anschließend das Buch „Der Kom­man­dant und die Bibelforscherin” sowie die Film­doku­men­ta­tion „Die Köchin des Kom­man­dan­ten: Zwei Wege nach Auschwitz”.

In „The Zone of Inter­est” schlüpfte Stephanie Petrowitz in die Rolle von Sophie Stip­pel.

The Zone of Interest: Die wahre Geschichte von Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk

The Zone of Inter­est zeigt auch Alek­san­dra Bystroń-Kołodziejczyk. Die junge Polin wird von Julia Polaczek gespielt und tritt als leuch­t­ende Erschei­n­ung im Dunkel der Nacht auf. Alek­san­dra Bystroń-Kołodziejczyk lebte 1943 in dem­sel­ben Haus, das auch in The Zone of Inter­est zu sehen ist und hin­ter­ließ zum Beispiel Essen für die Häftlinge des KZs Auschwitz.

Später schloss sich Alek­san­dra Bystroń-Kołodziejczyk der ZWZ (Związek Wal­ki Zbro­jnej) an: Die pol­nis­che Wider­stands­gruppe wurde 1939 gegrün­det und später in AK (Armia Kra­jowa) umbe­nan­nt. Die AK war die größte mil­itärische Wider­stand­sor­gan­i­sa­tion in Europa während des Zweit­en Weltkrieges.

Alek­san­dra Bystroń-Kołodziejczyk über­lebte eben­falls den Krieg. Sie starb im Sep­tem­ber 2016. In sein­er Oscar-Rede wid­mete ihr Jonathan Glaz­er, der Regis­seur von The Zone of Inter­est, den Film.

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