Antje Traue dürfte eine der unbekanntesten deutschen Star-Schauspielerinnen sein. Die gebürtige Sächsin, in Berlin und München wuchs sie auf, wollte ihre Karriere bereits an den Nagel hängen, als plötzlich - bei deutscher Flaute - internationale Rollenangebote eintrudelten. So arbeitete die heute 38-Jährige mit Stars wie Kit Harrington, Gary Oldman, Kevin Costner oder Julianne Moore. Schließlich bemerkte man auch in der Heimat ihr Talent und nahm Traues besondere, ja fast mysteriöse Ausstrahlung wahr. Til Schweiger engagierte sie, man sah sie in Serien wie "Weinberg" und "Dark", sowie - grandios als Femme fatale - im Politthriller "Der Fall Barschel". Nun bekommt Antje Traue ihre eigene Serie bei ZDFneo. In "Dead End" (Dienstag, 26. Februar, 21.45 Uhr) spielen sie und Altstar Michael Gwisdek - als Vater und Tochter - zwei Rechtsmediziner in der brandenburgischen Provinz. Ihre Leichen bewahren sie zu Hause auf. Da landen schon mal Knochenteile im Kühlschrank direkt neben dem Aufschnitt.
teleschau: Was fanden Sie an "Dead End" interessant?
Antje Traue: Jede der sechs Folgen erzählt einen Kriminalfall. Die Fälle rücken jedoch in den Hintergrund, zugunsten der übergeordneten Handlung und der Atmosphäre. Unser Schauplatz ist ein trister kleiner Ort in der ostdeutschen Provinz. Das Leben hier scheint stehengeblieben zu sein. Emma, meine Figur, kommt zurück aus den USA, wohin sie vor Jahren ausgewandert ist. Nun muss sich mit ihrem alten Vater neu arrangieren - der nicht mehr so gesund wie früher ist.
teleschau: Hört sich an, als wäre es eher ein Format für Freunde des depressiven Krimis?
Antje Traue: Das würde ich nicht sagen, das Wort "makaber" trifft es besser. "Dead End" lebt von einem feinen Humor, der nicht schenkelklopfermäßig daher kommt, sondern subtil erzählt wird. Ungewöhnlich fand ich meine Figur, weil sie als Heldin ein wundersam verschlossener Charakter ist. Man merkt es allein schon daran, dass sich diese Frau lieber bei den Toten als den Lebenden aufhält. Während ihrer Untersuchungen am Leichentisch wirkt sie fast am lebendigsten.
teleschau: Sie haben tatsächlich in Mittenwalde südlich von Berlin gedreht?
Antje Traue: Wir drehten in Berlin und Umgebung, mitten in diesem heißen letzten Sommer. Die leere Landschaft im Brandenburgischen spielt für die Atmosphäre der Serie eine große Rolle. Emma ist eine passionierte Joggerin. Laufend durchquert sie diese Landschaften, die ein bisschen wie Geisterstädte oder Geisterorte wirken. Ich habe es auch sehr genossen, in der Nähe von Berlin zu drehen - und in meinem eigenen Bett schlafen zu können.
"Six Feet Under" in Brandenburg?
teleschau: Ist die Landschaft dort tatsächlich so menschenleer, wie sie in der Serie aussieht?
Antje Traue: Natürlich ist Fiction immer inszeniert. Jede Einstellung, jeder Kamerablick ist wohlüberlegt. Trotzdem muss ich sagen, dass des schon sehr leer aussieht, wenn man ein bisschen aus Berlin rausfährt. Viele Menschen verließen diese Region, weil es keine Arbeit gab. Es fanden immer wieder Abwanderungswellen nach Berlin oder in den Westen statt. Vor allem die jungen Leute haben die Region verlassen. Das ist natürlich nicht Thema der Serie, aber es passt trotzdem gut ins Gesamtkonzept hinein.
teleschau: Weil die Charaktere Ihrer Serie alle ein bisschen so wirken, als wären sie ebenfalls schon ein bisschen leblos? Wie zukünftige Verstorbene, die noch ein wenig warten, bis es soweit ist ...
Antje Traue (lacht): Ja, so könnte man es ausdrücken. Dazu passt die sehr schroffe Heldin, die ja eher eine Anti-Heldin ist. Es ist ja auch niemand glücklich darüber, dass sie zurück nach Mittenwalde gekommen ist. Bis auf ihren Vater vielleicht. Der hat sie alleine großgezogen, umgeben von Toten. Auch die Mutter ist früh gegangen. All das hat meine Figur geprägt und zu dem gemacht, was sie ist.
teleschau: Es gab mal die sehr schöne HBO-Serie "Six Feet Under", die von einer Leichenbestatter-Familie in Kalifornien erzählte. Auch da musste in jeder Folge ein Todesfall bearbeitet werden, aber der schwang eher so in der zweiten Erzählreihe mit.
Antje Traue: Genauso ist es bei uns auch. Die Fälle sind der Motor der Erzählungen, allerdings dienen sie vorwiegend dazu, die Figuren weiterzuentwickeln. Unser Regisseur Christopher Schier ist Österreicher. Er hat die Bücher noch mal entscheidend weiterentwickelt und diesen makabren Humor hineingebracht.
Netflix-Serie "Dark" weiterhin mit Antje Traue
teleschau: Die Serie transportiert also österreichischen Humor in die brandenburgische Provinz?
Antje Traue (lacht): Auch wenn es sich nach einer schrägen Kombination anhört, genauso sehe ich die Tonalität der Serie.
teleschau: Ohne zu viel verraten zu wollen, aber "Dead End" endet nicht unbedingt als abgeschlossene Erzählung. Es ist also keine abgeschlossene Miniserie, sondern könnte fortgesetzt werden?
Antje Traue: Ja, so ist der Plan. Christopher Schier hat auch schon etwas geschrieben - mit tollen Ideen, wie ich finde. Nach der Ausstrahlung wird sich zeigen, ob wir weitermachen dürfen.
teleschau: Sie waren in den letzten Jahren in einigen Filmen und Serien zu sehen, die gute Kritiken und viel Aufmerksamkeit erhielten. Es läuft gut für Sie. Ist eine Serienhauptrolle mittlerweile die Königsdisziplin für einen Schauspieler?
Antje Traue: Ob Serie oder Film ist mir eigentlich egal. Auch kleinere Rolle können einen weiterbringen. Trotzdem ist eine solche Hauptrolle natürlich eine Herausforderung und dazu eine sehr intensive Arbeit. Wir hatten 45 Drehtage, und ich war auch tatsächlich 45 Tage lang am Set. Das ist dann eher ein Marathon als ein Sprint, ich musste mir meine Kräfte gut einteilen. Auch, weil man als Hauptfigur eine andere Verantwortung dem ganzen Projekt gegenüber hat.
teleschau: Drehen Sie auch noch international? Sie waren ja schon als deutsche Schauspielerin in Hollywood-Produktionen zu sehen, als sie hier noch kaum jemand kannte?
Antje Traue: Das letzte, was ich international gedreht habe, war die Amazon-Serie "Oasis" mit Richard Madden. Durch die Streaming-Dienste und Pay TV-Kanäle wird der Schauspielberuf gerade sehr viel internationaler. Ich war ja auch in der deutschen Netflix-Serie "Dark" dabei. Staffel zwei haben wir gerade abgedreht. Weil diese Programme international laufen, erhalten wir Schauspieler aus Deutschland nun viel mehr Aufmerksamkeit. Es ist deshalb auch leichter, für neue internationale Projekte entdeckt zu werden.
Goldene Zeiten für deutsche Schauspieler?
teleschau: Sie leben als Schauspielerin in einer Zeit, in der sich beruflich viele Grenzen öffnen - während der Trend insgesamt ja wieder zu mehr Abschottung geht ...
Antje Traue: Exakt, wir Schauspieler erleben gerade eine gute Zeit voller Aufbrüche und Chancen. Unsere Welt wächst tatsächlich zusammen, es gibt sehr viele internationale Produktionen und Partnerschaften. Der Blick der Filmschaffenden geht längst über die nationalen Märkte hinaus. Ich wünschte auch, dass es in anderen Bereichen so wäre. Das internationale Miteinander setzt viel positive Energie frei. Bei den Filmschaffenden herrscht Aufbruchsstimmung. Allein durch den Serientrend haben wir Schauspieler so viel Arbeit wie noch nie.
teleschau: Aber wie schützt man sich davor, dass mehr Masse als Klasse produziert wird? Ist das nicht eine Gefahr, die den Serientrend auch wieder abtöten könnte?
Antje Traue: Natürlich besteht diese Gefahr. Andererseits gibt es auch viele Chancen, die meiner Meinung nach auch von vielen Kreativen genutzt werden. Viele Produzenten sind auf der Suche nach ungewöhnlichen Stoffen und Formaten, die sich klar von anderen unterscheiden. Wer heute eine wirklich gute Idee hat, besitzt gute Chancen, sie auch umgesetzt zu bekommen. Wir Filmschaffende erleben gerade goldene Zeiten.
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