Zwölf Jahre lang ermittelte Anneke Kim Sarnau als Katrin König gemeinsam mit Kommissar Sascha Bukow, der von Charly Hübner gespielt wurde, in Rostock. Er stieg aus, sie macht weiter.

STANDARD: Auch im Rostocker Polizeiruf gibt es eine Zeitenwende. Charly Hübner ist als Sascha Bukow ausgestiegen. Wie ging es Ihnen bei den ersten Dreharbeiten ohne ihn?

Sarnau: Ich hatte glücklicherweise lange genug Zeit, mich darauf vorzubereiten, dass er geht. Und ich freute mich auch auf meine neue Partnerin Lina Beckmann, weil ich sie auf der Bühne schon immer sehr klasse fand. Aber natürlich mussten wir uns ohne Charly Hübner erst mal finden.

STANDARD: Mit Lina Beckmann, die im Rostocker Polizeiruf Bukows Schwester spielt, hatten Sie schon mal gedreht.

Sarnau: Ja, das war eine kurze Szene. Und ich dachte mir damals schon: "Alter Schwede, wenn die anderen wüssten, was da noch kommt." Das war wie eine Vorspeise und machte Lust auf mehr.

Anneke Kim Sarnau (re.) spielt künftig mit Lina Beckmann. Es soll schräg, lustig, peinlich und berührend werden.
Foto: ARD, NDR

STANDARD: Warum waren Bukow und Katrin König ein so beliebtes Paar?

Sarnau: Die Figuren waren extrem gut angelegt. Der Bukow hatte was von Straßenköter, war auch so halbseiden und leicht schäbig. Und dem gegenüber stand diese überkorrekte König, ganz rational denkend und analytisch fähig. Eine, die die Gesetze als Struktur braucht. Das ist ein toller Kontrast und hat bei uns beiden supergut funktioniert. Keiner hat den anderen heruntergespielt, wir konnten uns gegenseitig pushen. Niemand hat dem anderen die Butter vom Brot genommen.

STANDARD: Sind Sie Ihrer Figur Katrin König ähnlich?

Sarnau: Nein. Das war ja das Lustige. In Wirklichkeit ist Charly Hübner viel analytischer und der Kopfmensch. Und ich bin der impulsive Bauchmensch. Wir haben uns gut ergänzt. Es gab bei beiden den Drang, es unter einem bestimmten Level nicht zu machen. Wir haben auch zugelassen, dass es gelegentlich mal zu weit ging.

STANDARD: War die Liebesgeschichte von Anfang an geplant?

Sarnau: Es stand relativ schnell im Raum, dass es zu knistern anfängt. Und von außen wurde auch immer an uns herangetragen: "Da ist doch was, wann kommen die beiden endlich zusammen?" Aber es war klar, das darf man dem Publikum nicht erfüllen. (lacht)

STANDARD: Warum nicht?

Sarnau: Weil die Geschichte auserzählt ist, wenn sie zusammenkommen. Okay, das kann man zwei, drei Folgen machen. Aber danach hätte es immer Troubles geben müssen, um die Spannung zu halten.

STANDARD: Warum will das Publikum Paare sehen, die unter Schwierigkeiten und Wirrungen zusammenkommen?

Sarnau: Weil wir Herdentiere sind und uns alle nach Liebe sehnen. Und wenn im Krimi schon dauernd nach zehn Minuten jemand stirbt, ist es doch mal was Schönes, wenn einige ein besseres Leben haben. Man sieht gern zu, wenn sich zwei Planeten umkreisen.

STANDARD: Man hätte durchaus noch ein bisschen zugesehen.

Sarnau: Gedreht haben wir ja schon den zweiten Polizeiruf ohne Bukow. Ich hoffe, dass er bald ausgestrahlt wird, dann wird das Ganze ein bisschen runder, und man bekommt einen Eindruck, wo das ungefähr mal hinführen soll. Man muss sich auf das Fünferteam einlassen. Es ist eine ganz neue Konstellation, die auch schräg, lustig, peinlich, berührend und dramatisch ist. Es wird hoffentlich Spaß machen, denen dabei zuzusehen. Und irgendwann wird man merken, der Bukow ist nur noch ein Schatten.

Anneke Kim Sarnau mit Charly Hübner als Ermittler Bukow. Der Rostocker "Polizeiruf 110" muss jetzt ohne ihn auskommen.
Foto: NDR/Christine Schroeder

STANDARD: Sie ermitteln seit zwölf Jahren. Was ging Ihnen nahe?

Sarnau: 2012 spielte eine Folge im Rockermilieu. Das hat mir extrem Spaß gemacht und einen schrägen Einblick in diese Welt gegeben. Während der Dreharbeiten habe ich meinen Sohn gestillt, das war schon ein krasser Kontrast: Die Innigkeit mit dem Säugling und auf der anderen Seite diese Rocker, die ich verhören sollte. Und dann musste ich dazwischen auch noch Milch abpumpen.

STANDARD: Gibt es ein Thema, dem Sie sich gerne widmen würden?

Sarnau: Ich finde es toll, dass man jetzt in Rostock zwei Frauen unseres Alters in der Horizontalen zusehen kann, wie sie ihr Leben meistern. Wir zeigen, dass wir als Frauen solidarisch sind, ohne dass es permanentes peaciges Eso-Gehabe ist. Wir wollen dem Frauenbild eine Note geben und hoffen, dass viele Leute fragen: "Warum haben wir nicht schon viel eher damit angefangen?"

STANDARD: Was macht den Rostocker Polizeiruf aus?

Sarnau: Wir waren die Ersten, bei denen das Privatleben der Hauptfiguren auch immer in den Fall hineinspielte. Mich hat als Westdeutsche bei Schimanski oft der Tatort-Fall gar nicht so interessiert, sondern vielmehr die Frage, wie gehen die Figuren mit der Situation um, in die sie geworfen werden. In Rostock haben wir es geschafft, das auf einem eigenen Level wiederzubeleben.

STANDARD: Sie begannen Ihre Karriere am Burgtheater. Welche Erinnerungen haben Sie?

Sarnau: Ich kam damals gerade aus einer liberalen und antiautoritären Schule, auf der es sehr emotional zugegangen war – nach dem Motto "Reiß dir auf der Bühne das Herz raus!". Das war ja auch voll mein Ding, daher passte ich, glaube ich, überhaupt nicht ans Burgtheater. Auf dieser Bühne zu spielen war für mich zwar die Erfüllung eines Traums. Aber es hat bestimmt ein Jahr gedauert, bis ich in das Ensemble eingebunden war.

STANDARD: Das klingt nicht nach ganz toller Zeit.

Sarnau: Ich bin mit so einer Lust da hingegangen und war bereit, mich auf der Bühne emotional nackt zu machen. Es war dann ein ernüchterndes Erlebnis zu merken, dass ich da in einer Maschinerie bin – wenngleich das Ensemble toll war. Aber ich fühlte mich nicht gesehen. Oft habe ich gedacht: "Warum sieht keiner, was möglich ist mit mir?" Gott sei Dank hatte ich schon einige Filme gedreht, sonst hätte ich einen Knacks davongetragen. Aber in Wien hab ich wahnsinnig gern gelebt. Ich liebe den Wiener Schmäh, der ist so witzig.

STANDARD: Würden Sie gerne noch mal ans Burgtheater?

Sarnau: Für mich würde sich dadurch ein Kreis schließen. Zwar stand ich seit Jahren nicht auf der Bühne, aber die Power ist noch da. Ich hätte schon Bock, meine Kraft am Burgtheater auszuprobieren. (Birgit Baumann, 23.4.2022)