100 Prozent Volkspartei: Lesben und Schwule sind jetzt ein Teil der Union

100 Prozent Volkspartei: Lesben und Schwule sind jetzt ein Teil der Union

Ein 24 Jahre langer Kampf um Anerkennung ist beendet: Der Verband Schwule und Lesben in der Union (LSU) ist offizielle Parteiorganisation der Christdemokraten. Ein Kommentar.

Delegierte halten beim Bundesparteitag der CDU ihre Stimmkarten hoch.
Delegierte halten beim Bundesparteitag der CDU ihre Stimmkarten hoch.dpa/Michael Kappeler

Die politikwissenschaftliche Definition für eine Volkspartei ist: Eine „Partei, die für Wähler und Mitglieder aller gesellschaftlicher Schichten, Generationen und unterschiedlicher Weltanschauungen im Prinzip offen ist“. Um gesellschaftliche Schichten in der Parteistruktur besser abzubilden und ihnen eine Stimme zu geben, gibt es Parteiorganisationen. Diese haben besondere Rechte, um bei der politischen Arbeit mitzuwirken. Sie sind aber auch ein Sprachrohr der Partei in die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen hinein.

Für die CDU gab es viele Jahre eine Gruppe, die man als christliche und konservative Partei zwar mit Bauchschmerzen duldete, aber nicht offiziell in die CDU-Familie aufgenommen hat: die LSU.

Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) sind die konservativen Vertreter innerhalb der LSBTI-Community. Eine Community, die zwischen sieben und zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht. Dazu kommt eine große Anzahl an heterosexuellen Menschen, die sich ihr verbunden fühlt, an ihrer Seite steht und sie unterstützt. Auch bei der Entscheidung an der Wahlurne.

Die LSU gründete sich 1998 und kämpft seitdem für eine Anerkennung durch die Mutterpartei CDU. Unter der Bundesvorsitzenden Angela Merkel waren die Mauern zu dick, um sie einzureißen. Zu groß war die Angst, dass Merkel bei den erzkonservativen Parteiströmungen in Ungnade fallen könnte. Merkel brauchte diese konservativen Strömungen für ihre politische Macht.

Ein erster Lichtblick für eine Anerkennung kam mit der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Bundesvorsitzenden. Kramp-Karrenbauer war die erste Bundesvorsitzende, die beim Jahresempfang der LSU auftrat. Zusammen mit dem ehemaligen Ersten Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, sprach sie auf einem Podium über die Zusammenarbeit mit der LSBTI-Community. Auf dem Podium machte Kramp-Karrenbauer deutlich, dass sie sich für eine Aufnahme der LSU als Parteiorganisation stark machen will.

LSU offiziell ein Teil der CDU: Ein Versprechen wird eingelöst

Nach der Wahlschlappe bei der Bundestagswahl 2021 musste die CDU sich neu aufstellen. Dadurch wurde die Aufnahme auf Eis gelegt. Im innerparteilichen Wahlkampf um den CDU-Bundesvorsitz aber gab es eine Überraschung: Der Kandidat Friedrich Merz, den viele als durch und durch konservativ empfinden, besuchte eine Veranstaltung der LSU. Hier versprach er den Mitgliedern, dass er sich als Bundesvorsitzender dafür einsetzen wird, dass die LSU ganz schnell offizielle Parteiorganisation wird.

LSU-Bundesvorsitzender Alexander Vogt  lässt den Erfolg mit einer Flasche Sekt begießen. Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst feiert mit.
LSU-Bundesvorsitzender Alexander Vogt lässt den Erfolg mit einer Flasche Sekt begießen. Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst feiert mit.Alexander Vogt

Am vergangenen Wochenende hat Friedrich Merz sein Versprechen schließlich eingelöst: Auf dem Bundesparteitag wurde beantragt, die LSU aufzunehmen. Die Delegierten folgten dem Wunsch mit 100 Prozent. Die Freude der Mitglieder war riesig, und so erklärte LSU-Bundesvorsitzender Alexander Vogt: „Wir sind mehr als glücklich, dass die CDU endlich diesen doch wichtigen und überfälligen Schritt gegangen ist. Mit dem fast einstimmigen Abstimmungsergebnis hat die CDU heute noch mal selbst bewiesen, dass sie eine moderne, vielfältige Volkspartei ist.“

Damit folgt die CDU anderen Parteien. SPD, Grüne, FDP und Linke haben jeweils seit Jahren eine offizielle Parteiorganisation, die sich für die Interessen queerer Menschen einsetzt.

Mit der Anerkennung als CDU-Parteiorganisation ist es jedoch nicht getan. Jetzt muss die CDU zeigen, dass Schwule, Lesben und trans Personen nicht nur innerhalb der CDU Gehör finden, sondern auch in den Parlamenten. Dabei kann gerade der Berliner Landesverband entscheidende Akzente setzen.

1998 wurde die LSU in Berlin gegründet. Der LSU-Landesverband Berlin feiert den Erfolg. Mit dabei der Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers, LSU-Vorsitzender Mario Röllig,  CDU-Fraktionsvorsitzender Kai Wegener und die Bundestagsabgeordneten Ottilie Klein und Jan-Marco Luczak. 
1998 wurde die LSU in Berlin gegründet. Der LSU-Landesverband Berlin feiert den Erfolg. Mit dabei der Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers, LSU-Vorsitzender Mario Röllig, CDU-Fraktionsvorsitzender Kai Wegener und die Bundestagsabgeordneten Ottilie Klein und Jan-Marco Luczak. Mario Röllig

LSU-Landesvorsitzender Mario Röllig erwähnt gegenüber der Berliner Zeitung die gute Zusammenarbeit mit der CDU Berlin: „Mit der CDU Berlin und unserem Landesvorsitzenden Kai Wegner haben wir seit Jahren einen verlässlichen Partner.“ Dass es hier weiterhin eine kämpferische Arbeit geben wird, ist Röllig bewusst: „Vor uns liegt nun viel Arbeit mit neuen Möglichkeiten, uns in der Union einzubringen, um unsere Rechte und Forderungen der völligen Gleichstellung von LGBTIQ* durchzusetzen. Das wird noch einige Kämpfe kosten, aber es lohnt sich.“

Jetzt muss in der parlamentarischen Arbeit geliefert werden

Da die Bundeskoalition aus SPD, Grünen und FDP sehr ambitionierte Verbesserungen für LSBTI umsetzen will, werden in den nächsten Monaten einige wichtige Themen auf der parlamentarischen Tagesordnung zu finden sein. Einige dieser Themen, wie das Selbstbestimmungsgesetz, werden jetzt schon von Rechtskonservativen und der AfD polarisiert und die Stimmung unter den Anhängern aufgeheizt.

Bei den meisten Themen reicht die Mehrheit der Ampel. Bei der Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes braucht die Ampelkoalition die CDU/CSU-Fraktion. Im Antidiskriminierungsparagraf (Artikel 3 Abs. 3) soll die „sexuelle Identität“ ergänzt werden. Eine Grundgesetzänderung oder -ergänzung benötigt eine Zweidrittelmehrheit.

Hier hat die Union die Beweispflicht, um zu zeigen, dass sie auch weiterhin eine moderne Volkspartei ist.