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Tödliche Flutkatastrophe: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Ex-Ahrtal-Landrat ein
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Jürgen Pföhler (M), ehemaliger Landrat des Kreises Ahrweiler, mit Anwalt Olaf Langhanki (r).
Arne Dedert/dpa/Archivbild Jürgen Pföhler (M), ehemaliger Landrat des Kreises Ahrweiler, mit Anwalt Olaf Langhanki (r).
  • FOCUS-online-Reporter
Donnerstag, 18.04.2024, 12:36

Die Staatsanwaltschaft Koblenz stellt die Ermittlungen zur tödlichen Flutkatastrophe im Ahrtal gegen Landrat Jürgen Pföhler und den Ex-Leiter des Krisenstabs, Michael Zimmermann, ein. 

Zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der Ermittlungen zur Flutkatastrophe im Ahrtal Mitte Juli 2021 hat die Staatsanwaltschaft Koblenz das Verfahren gegen den damaligen Landrat von Ahrweiler Jürgen Pföhler und den Chef der technischen Einsatzleitung (TEL), Michael Z., eingestellt. Wie FOCUS online aus Justizkreisen erfuhr, gehen die Strafverfolger davon aus, dass die Beweislage nicht für eine Verurteilung ausreicht. 

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen Pföhler und seinen Katastrophenschutzinspekteur wegen der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen ermittelt. Der Anfangsverdacht stand im Raum, dass die Bevölkerung im mittleren und unteren Ahrtal zu spät vor der tödlichen Flutwelle gewarnt wurde. Insgesamt starben in jener Julinacht 135 Menschen, hunderte Anwohner wurden teils schwer verletzt.

Verfahren gegen Ex-Ahrtal-Landrat eingestellt: Nicht genügend Beweise

Die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsgruppe des Landeskriminalamts 1407 haben offenbar nicht genügend Belege gefunden, wonach die Beschuldigten angesichts der gewaltigen Naturkatastrophe hätten effektiver handeln können, um die Zahl der Todesopfer zu minimieren. 

Zu diffus scheint die Informationslage am 14. Juli bis in den späten Abend und in der Nacht auf den 15. Juli gewesen zu sein. Insofern wurde auch nicht frühzeitig eine umfassende Evakuierung der Anrainer an der mittleren und unteren Ahr angeordnet. Hätten die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler bereits vor der Flutwelle die Küstenstreifen recht und links des Flusses in der Breite von 250 Meter räumen lassen, so hätte man keine Todesopfer beklagen müssen. 

Allerdings, so die Staatsanwaltschaft, hätte die Evakuierung von bis zu 40.000 Personen in dem Gebiet einige Tage in Anspruch genommen. Doch die Starkregenwarnungen des Deutschen Wetterdienstes waren demnach offenbar zu unkonkret, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Ein strafrechtliches Vergehen des damaligen rheinlandpfälzischen Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD), die damaligen Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) sowie von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) schließt die Staatsanwaltschaft aus. Zu keinem Zeitpunkt hätte die Landesregierung in jener Flutnacht die Katastrophe verhindern können, so der Tenor. Die Strafverteidiger des Ex-Landrats und seines Katastrophenschutzchefs waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

CDU-Politiker kritisiert: „Ministerpräsidentin Dreyer trägt die politische Gesamtverantwortung“

Der rheinland-pfälzische CDU-Politiker Christian Baldauf indes sieht die Verantwortung für die Ahrtal-Katastrophe bei der Landesregierung. „Der Staatsanwaltschaft ging es um eine rein strafrechtliche Bewertung. Daneben tritt die politische Verantwortung. Für schwerwiegende Versäumnisse vor, während und nach der Flut, die unermessliches Leid über die Menschen im Ahrtal brachte. Behörden und Landesregierung unterschätzten trotz dramatischer Warnungen den Ernst der Lage“, erklärt Baldauf gegenüber FOCUS online. 

Weiter erklärt er: „Trotz Kenntnis des Flutgeschehens ging der Innenminister schlafen. Und der ADD-Präsident tat später im Untersuchungsausschuss Häusereinstürze als normales Hochwasserereignis ab. Gerade in Krisen müssen sich Menschen darauf verlassen können, bestmöglich geschützt zu werden. Das war am Flutabend nicht der Fall. Und dafür trägt Ministerpräsidentin Dreyer die politische Gesamtverantwortung.“

Verteidiger von Krisenstabsleiter: "Kann nicht angehen, dass Behördenleiter sich nie strafrechtlich verantworten müssen“

Der Verteidiger des einstigen Landrates, Olaf Langhanki, sieht sich derweil in seiner Einschätzung bestätigt, dass „Herr. Dr. Pföhler sich keiner strafbaren Handlung schuldíg gemacht hat“. Zur Kritik des Leitenden Oberstaatsanwalts am Verhalten seines Mandanten in der Flutnacht, erwidert der Anwalt gegenüber FOCUS online: „Das sind Äußerungen des Leitenden Oberstaatsanwalts, über die die Verteidigung nur schmunzeln kann. Wir haben ja von Anfang darauf hingewiesen, dass man bei solchen außergewöhnlichen Katastrophen nicht der Landrat, sondern die Landeskatastrophenbehörde ADD hätte übernehmen müssen.“ 

Christoph Arnold, Verteidiger des Krisenstabsleiters, begrüßte zwar den Beschluss gegen seinen Mandanten. „Die Einstellung gegen den ehemaligen Landrat ist aber nicht nachvollziehbar. Vor allen Dingen dann nicht, wenn dieser am Flutabend nach dem Pressetermin abtaucht. Es kann nicht angehen, dass bei gescheiterten Einsätzen stets die Behördenleiter sich nie einer strafrechtlichen Verantwortung stellen müssen.“ 

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