Ahrflut: Darum geht es für Malu Dreyer vor dem U-Ausschuss | Mittelhessen
 

Ahrflut: Darum geht es für Malu Dreyer vor dem U-Ausschuss

Ministerpräsidentin Malu Dreyer im April 2022 bei ihrer ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss zur Ahrflut.

Am Freitag muss die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin erneut über ihre Rolle rund um die Katastrophe aussagen. Kann die Vernehmung der Regierungschefin gefährlich werden?

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Mainz. Der rheinland-pfälzische Untersuchungsausschuss zur Ahrflut steuert auf sein großes Finale zu, den letzten Gong. Am Freitag wird Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ein zweites Mal auf dem Zeugenstuhl des U-Ausschusses Platz nehmen – und über ihre Rolle und ihre Kommunikation rund um das verheerende Unglück aussagen. Dreyers Vernehmung wird nach anderthalb Jahren U-Ausschuss die letzte große Vernehmung vor dem Gremium sein. Und somit die letzte Chance der Opposition, die Regierungschefin nochmal anzugreifen. Doch wie gefährlich kann die Vernehmung für die Ministerpräsidentin überhaupt werden?

Was ist bei der Ahrflut passiert?

Ab den Mittagsstunden des 14. Juli bis in die Nacht auf den 15. Juli 2021 hat im Ahrtal im Norden von Rheinland-Pfalz eine bis zu neun Meter hohe Flutwelle mehr als 130 Menschen ohne Vorwarnung in den Tod gerissen. Hunderte weitere Menschen wurden von der Sturzflut verletzt und sind bis heute traumatisiert. Tausende Häuser und ein Großteil der Infrastruktur an der Ahr sind in den Fluten zerstört worden. Das Unglück gilt als größte Naturkatastrophe in der Geschichte von Rheinland-Pfalz.

Zwei Minister stürzen über den U-Ausschuss

Was lief in der Flutnacht auf Landesebene schief?

Die Aufklärungsarbeit des U-Ausschusses hat in den vergangenen Wochen erhebliche Defizite im Regierungsapparat des Landes rund um die Flutkatastrophe offengelegt. In der Folge ist es zu zwei Ministerrücktritten gekommen. Zunächst gab im April Anne Spiegel (Grüne) ihr Amt als Bundesfamilienministerin auf. Spiegel war während der Katastrophe rheinland-pfälzische Umweltministerin. Im Oktober folgte dann Roger Lewentz (SPD), der nach großem öffentlichen Druck seinen Stuhl als Landesinnenminister freimachte. Die Opposition warf sowohl Spiegel als auch Lewentz vor, unter anderem vor und während der Katastrophe nur unzureichend kommuniziert zu haben - sowohl untereinander als auch nach außen.

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Was weiß man über Dreyers Verhalten in der Flutnacht?

Vergangenes Jahr sind im Zuge des U-Ausschusses Chatprotokolle der Ministerpräsidentin aus der Flutnacht öffentlich geworden. Die Mitschriften belegen, dass Dreyer während der laufenden Katastrophe mit Innenminister Lewentz Kontakt gesucht hatte. Zwischen 21.36 Uhr und 21.44 Uhr tauschte sie mit ihrem Minister sieben Nachrichten aus. Nachrichten, die einerseits die komplette Ahnungslosigkeit der Landesregierung über die laufenden Geschehnisse an der Ahr dokumentieren, die andererseits aber auch belegen, dass Dreyer bemüht war, Informationen einzuholen und ihre Minister miteinander zu vernetzen. So schrieb Dreyer unter anderem: „Ich höre, dass der Höchststand Hochwasser erst morgen Mittag erreicht ist? Ist ja wirklich schlimm. Ist Anne (Spiegel, Anm. d. Red.) auch informiert oder ihre Leute? Sie ist ja echt ein bisschen nervös.“ Der nächste dokumentierte Kontakt folgte dann um 0.50 Uhr, als Lewentz die Ministerpräsidentin per SMS über „ganz traurige Szenen“ an der Ahr und über womöglich Tote informierte. Dreyer antwortete erst wieder um 5.33 Uhr. Innenminister Lewentz gab bei seiner Vernehmung an, keinen Anlass gesehen zu haben, die Ministerpräsidentin von ihrem Personenschutz in der Nacht wecken zu lassen, um sie über die neuesten Entwicklungen im Ahrtal direkt zu informieren.

Was wirft die Opposition Dreyer vor?

Die Opposition wirft Dreyer seit Monaten vor, sich in der Flutnacht nur unzulänglich innerhalb ihres Regierungsapparates ausgetauscht zu haben. Vor allem die dokumentierte oberflächliche Kommunikation mit Innenminister Lewentz sowie der ausgebliebene Kontakt zu Umweltministerin Spiegel stehen hierbei im Zentrum der Kritik. Konkret werden die Fragen in der Vernehmung darauf abzielen, welche Kenntnisstände Dreyer über die Kommunikation ihres Kabinetts während der Katastrophe hatte und welche Aktivitäten daraufhin von ihr persönlich ausgegangen sind. Hierzu zählt auch die Frage, woher die Ministerpräsidentin die Einschätzung erhalten habe, dass der Höhepunkt des Hochwassers erst am nächsten Tag erreicht werde. Zudem wird die Opposition darauf abzielen, zu klären, wieso die Ministerpräsidentin trotz der offensichtlichen Großlage darauf verzichtet habe, einen Krisenstab einzuberufen.

Gibt es zwischenzeitlich Widersprüche zu Dreyers ersten Vernehmung?

Kann die Vernehmung gefährlich für Dreyer werden?

Zurzeit scheint es äußert fraglich, ob die Opposition neue Erkenntnisse und Vorhalten präsentieren kann, um Dreyer vor dem U-Ausschuss in Bedrängnis zu bringen. Bereits im April bei ihrer ersten Vernehmung hatte die Ministerpräsidentin ausführlich zu ihrer Chatkommunikation in der Flutnacht geantwortet. Vergleichbare Fragen zu diesem Themenkomplex sind somit nicht zulässig. Allerdings hat der AfD-Politiker Michael Frisch angedeutet, dass die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse des U-Ausschusses teils im Widerspruch zu den damals von Dreyer getätigten Aussagen stehen könnten. Eng werden könnte es für Dreyer außerdem bei Fragen der politischen Verantwortung. Denn: Unter ihrer Führung mussten mit Lewentz und Spiegel zwei Minister nach offensichtlichen Fehlern und Versäumnissen in ihren Ressorts zurücktreten. Laut Opposition trägt Dreyer als Ministerpräsidentin dafür die politische Verantwortung. Auch Fragen, wieso das Land technisch und strukturell derart schlecht vorbereitet war auf eine solche Großlage, obwohl Ministerpräsidentin Dreyer bei ihrer ersten Vernehmung Rheinland-Pfalz selbst als „Hochwasserland“ bezeichnete, könnten die Regierungschefin in Erklärungsnot bringen.