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Deutschland Baerbock bei ProSieben

„Braucht man da Eier oder – in Ihrem Fall – Eierstöcke?“

Annalena Baerbock wird erste Kanzlerkandidatin der Grünen

Die Parteichefin Annalena Baerbock wird erste Kanzlerkandidatin der Grünen. Damit ist die Entscheidung zwischen ihr und Co-Parteichef Robert Habeck gefallen. Die 40-Jährige hat große Pläne: Sie will einen Richtungswechsel in der Gesellschaft.

Quelle: WELT/ Matthias Heinrich

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Nach ihrer Kür zur Grünen-Kanzlerkandidatin gibt Annalena Baerbock ihr erstes Interview im Privatsender ProSieben. Sie verspricht eine „einladende Einwanderungspolitik“ und verrät, ob sie Putin als „Mörder“ sieht. Am Ende applaudieren ihr die Moderatoren.

Eines kann man am Abend nach der morgendlichen Kür der Grünen-Kanzlerkandidatin schon mal festhalten: Die deutsche Werbewirtschaft hat keine Angst vor ihr.

Bevor die 40-jährige Völkerrechtlerin Annalena Baerbock ab 20.15 Uhr zur Primetime beim Privatsender ProSieben von Katrin Bauerfeind und Thilo Mischke 45 Minuten lang befragt wird, kommt erst mal: ein Werbeblock.

Ihre Filmchen haben geschaltet: Veltins, Hanuta, Garten Gourmet, Tchibo, McDonald’s, Auto Hero, Raffaelo Eis, Chromebook und Benediktiner Weißbier. Die Grünen, allen voran Annalena Baerbock und Robert Habeck, wollten pünktlich zum Superwahljahr in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Das haben sie nun davon.

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Dass die Kanzlerkandidatin ihren ersten großen Interview-Auftritt ausgerechnet bei einem Privatsender absolviert, war im grünen Milieu umstritten. Der Auftritt sei „problematisch“, moserte die „taz“, das Hausblatt der Partei. „Die Grünen treiben mit ihrer Entscheidung womöglich die Privatisierung von Nachrichtenformaten voran und leiten eine Veränderung der deutschen Medienlandschaft in Richtung USA ein“, hieß es zur Begründung.

Nun ja, ganz so schlimm kam es dann doch nicht.

„Ich bin nicht die bessere Kandidatin“

Immerhin wurde das Gespräch nicht von weiteren Werbeblöcken unterbrochen; auch auf naseweise Einspielfilmchen, wie sie bei „Anne Will“ oder „Hart aber fair“ üblich sind, verzichtete die Regie. Vor allem Bauerfeind, die ihren schwäbischen Dialekt dem Publikum nicht verheimlichen wollte, fragte offensiv. „Geht Ihnen der Arsch jetzt eigentlich auf Grundeis?“

Das ist eine ebenso deftige wie berechtigte Frage. Im Berliner Kanzleramt arbeiten knapp 600 Beschäftigte in sieben Fachabteilungen auf 19.000 Quadratmetern. Es handelt sich um das größte Regierungshauptquartier der Welt. Seit mehr als 70 Jahren befindet sich diese Institution in der Hand von Christ- oder Sozialdemokraten. Grüne sind dort kaum beschäftigt; sie waren dort bisher nur zu Besuch. Da will Annalena Baerbock nun hinein, als Chefin. „Woher nehmen Sie das Selbstvertrauen?“

Baerbock spricht, wie bereits am Vormittag auf einer Pressekonferenz, von „Demut“ angesichts der Aufgabe. Es sei Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ins Kanzleramt könne man eben nicht als Doppelspitze einziehen, das sei im Grundgesetz klar geregelt. Warum war sie jetzt eigentlich die bessere Kandidatin?

„Ich bin nicht die bessere Kandidatin“, sagt sie. Ach so? Wie jetzt?

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Viele Grüne hätten sie und Habeck gebeten: Bitte stellt uns nicht vor die Wahl, macht das unter euch aus. Dass sie nun in der ersten Reihe stehe, sei auch eine Frage der Emanzipation. So ähnlich hat sie das auch schon morgens formuliert. Sie wird es noch oft sagen, vermutlich noch an diesem Abend.

Nach ProSieben geht Baerbock noch ins ZDF-„Heute-Journal“, dann zu den ARD-„Tagesthemen“, der Tag endet für sie im RTL-„Nachtjournal“. Politik bedeutet ja auch, immer wieder dasselbe von sich zu geben, möglichst in einem Tonfall, der vortäuscht, das Gesagte sei einem gerade eben erst eingefallen.

Und wie hält sie es mit Autokraten?

Breaking News sind bei ProSieben denn auch Fehlanzeige. Sie wolle mit einer neuen Regierung in eine neue Zeit gehen, den Klimawandel bekämpfen, die Massentierhaltung abschaffen, „ins Machen kommen“, sagt Baerbock. Sie will Krankenhäuser und Schulen besser ausstatten; sie möchte ab 2030 nur noch neue emissionsfreie Autos verkaufen; sie plädiert für eine „einladende Einwanderungspolitik“ – zum Beispiel im Pflegesektor – und hält „lebenslanges Lernen“ für unerlässlich.

Sie will Hartz IV durch eine Garantiesicherung ersetzen, wie es im Grünen-Programm schon formuliert worden ist, und Sanktionen der Jobcenter abschaffen. Es soll menschlicher zugehen – eigentlich überall.

Ja, das kostet auch Geld, 50 Milliarden Euro wollen die Grünen jährlich in die Verbesserung öffentlicher Infrastruktur stecken. „Woher wollen Sie das nehmen?“ Baerbocks Antwort: Kreditaufnahme und Steuerpolitik, etwa durch „CO2-Bepreisung“.

Als Kanzlerin hätte sie es ja bald auch mit Typen wie US-Präsident Joe Biden oder Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu tun, mit Autokraten wie dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan oder Alexander Lukaschenko in Weißrussland. „Braucht man da Eier oder – in Ihrem Fall – Eierstöcke?“, fragt Bauerfeind. Privatfernsehen und öffentlich-rechtliche Formate unterscheiden sich offenbar deutlich in der Ansprache.

Baerbock ist einen Moment lang irritiert. Dann sagt sie: „Man braucht eine klare Haltung.“ Außerdem: „Härte und Dialog.“

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„Ist Putin ein Mörder?“, will Mischke wissen. Biden hatte den russischen Präsidenten vor Kurzem so bezeichnet (und mit dieser Bemerkung die Diplomaten im State Department nicht gerade glücklich gemacht).

Putin sei der Chef des Kreml, antwortet Baerbock, und der sei verantwortlich dafür, dass man „gerade jemanden sterben lässt“. Die Rede ist vom russischen Oppositionellen Alexej Nawalny. Baerbock erneuert die Forderung, das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 zu beenden. Vielleicht schmerzt Putin das mehr, als ihn einen Mörder zu schimpfen.

Die Moderatoren applaudieren ihr

Das Gespräch endet mit ein paar begeisterten Sentenzen über Europa, die EU, Baerbocks Lieblingsthema. Sie hat in Brüssel als Assistentin einer Abgeordneten gearbeitet.

Sie erzählt, dass sie 2004 in Frankfurt an der Oder auf der Brücke gestanden habe, als die Grenze zwischen Deutschland und Polen im Zuge der EU-Osterweiterung geöffnet wurde. Baerbock erinnert an ihren Großvater, der sich im September 1939 als Wehrmachtsoldat aus ganz anderen Gründen Polen näherte. An Europa als Friedensmacht glaubt Baerbock wirklich. Glaubt sie auch an ein grünes Kanzleramt, mal ehrlich?

Es sei alles drin, sagt sie zum Abschluss. Die Moderatoren applaudieren der Kandidatin, übermäßige Distanz zur Interviewpartnerin war jetzt eh nicht so ihr Ding.

Dann geht es weiter im Programm, ohne Werbeunterbrechung. Auf Baerbock folgt „Chernobyl“, eine amerikanische Fernsehserie über die Atomkatastrophe in der Ukraine 1986. Baerbock und die Grünen waren damals jeweils sechs Jahre alt.

„Robert Habeck wäre die pragmatisch bessere Entscheidung gewesen“

Die Grünen haben Annalena Baerbock zu ihrer Kanzlerkandidatin gekürt. Obwohl sie bisher keine Regierungserfahrung hat. Ansgar Graw, Autor und Journalist bei „The European“, hält das für die falsche Entscheidung.

Quelle: WELT

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