Angst, Panikstörung, Panikattacken: Berliner Mediziner über Ursachen und Therapie

Berliner Mediziner: „Mehr als 20 Prozent der Bevölkerung haben Panikanfälle“

Psychiater Frank Godemann behandelt in Berlin-Dahlem Patienten, die unter einer Angststörung leiden. Er verrät einen Trick, wie man mit dieser umgehen kann.

Frank Godemann, Berliner Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, in seiner Klinik in Dahlem.
Frank Godemann, Berliner Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, in seiner Klinik in Dahlem.Sabine Gudath

Jeder Mensch hat Ängste, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Sie können hilfreich sein und uns vor Gefahren warnen und schützen. Doch erst wenn sie scheinbar grundlos auftreten und so unangenehm werden, dass sie Alltag und Lebensqualität einschränken, könnte eine ernsthafte seelische Erkrankung die Ursache sein. Welche verschiedenen Arten der Angsterkrankungen es gibt und wie man sie heilen kann, erklärt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Frank Godemann von der Klinik Pacelliallee, im Interview. 

Welche Angsterkrankungen zählen zu den häufigsten?

Es gibt zum Beispiel eine soziale Angst, die sich in der Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen zeigt. Man hat möglicherweise Angst, in eine peinliche Situation zu kommen. Aber auch die plötzliche Angst, dass etwas ganz Schlimmes mit dem eigenen Körper passieren könnte, man die Kontrolle verliert und man sogar sterben könnte. Einzelne Panikanfälle haben nach statistischen Erhebungen mehr als 20 Prozent der Bevölkerung in ihrem Leben und müssen nicht gleich eine Störung sein. Dann gibt es auch noch die gesundheitliche Angst. Sie zeigt sich, indem der Patient ununterbrochen Sorge hat, dass mit seinem Körper etwas nicht stimmt. Es entsteht allerdings keine Panik. Der vierte Grund ist eine grundsätzliche Angst. Die Betroffenen sorgen sich generell immer und befürchten, dass in ihrem Leben ein Unglück geschehen könnte, und katastrophisieren.

Wann ist Angst krankhaft?

Wenn sie relevante soziale Auswirkungen hat, wie keinen Job mehr ausführen können, keine Freunde haben, weil man die Wohnung aus Angst vor der Angst nicht mehr verlässt. Der zweite Aspekt ist das Leid der Betroffenen, das man zwar nicht absolut messen kann, aber so evident sein kann, dass es die Lebensqualität stark beeinträchtigt.

Wie reagiert unser Körper auf Angst?

Das Herz schlägt schneller, die Atemfrequenz nimmt zu, manche erleben Schwindel und Kribbeln an den Armen.

Sind Ängste genetisch bedingt oder wie werden sie verursacht?

Der genetische Anteil ist niedrig, aber man kann ihn nicht genau beziffern. Wenn zum Beispiel zwei Geschwister in der gleichen Familie aufwachsen und beide unter einer Angststörung leiden, kann man nicht unterscheiden, ob die Ursache genetisch bedingt ist oder durch den Umgang, also etwa familiäre Strukturen oder Kommunikation mit den Eltern, entstanden ist.

Zur Person 
Professor Dr. Frank Godemann ist Chefarzt und Geschäftsführer der Klinik Pacelliallee in Dahlem. Zuvor war der 56-Jährige Chefarzt im Alexianer St. Joseph-Krankenhaus in Weißensee. Er hat unter anderem an der Entwicklung, Einführung und Supervision von stationären Behandlungskonzepten bei Angst- und Zwangserkrankungen, manisch-depressiven Erkrankungen und Depressionen im Alter mitgewirkt.

Wie sind sie behandelbar?

Die Panikstörung hat eine sehr gute Heilungs-Prognose im Vergleich mit anderen seelischen Erkrankungen, sofern man sie fachlich korrekt behandelt. Bei der sozialen Phobie ist das anders. Jedes Prozent an Sicherheit und Vertrauen, dass der Betroffene erzielt, ist da bereits ein Fortschritt. Medikamente sind bei Angsterkrankungen auf lange Sicht schlechter wirksam als Psychotherapie. Wenn es sich um eine unkomplizierte Panikstörung handelt, reichen etwa 20 Einzelsitzungen zumeist aus. Bei der Therapie steht immer im Fokus, sich den Ängsten zu stellen und sie nicht zu vermeiden. Es gibt auch viele Mischdiagnosen, zum Beispiel in Verbindung mit einer Depression. Dann verlängert sich die Dauer der Behandlung natürlich.

Können Hilfsmittel wie ein Assistenzhund helfen, Ängste zu lindern? 

Ja, aber man muss sehr aufpassen, wie man den Assistenzhund einsetzt. Er kann ja auch ein Teil der Vermeidung sein. Nämlich in dem Moment, wenn der oder die Betroffene nicht mehr ohne Hund das Haus verlässt. Dass das Tier dann die Funktion bekommt, auf mich und meine Nöte aufmerksam zu werden, um mich vermeintlich zu retten. Es kann Fälle geben, in denen man abwägen muss. Als Zwischenschritt, um einen Begleiter zu haben und sich den Ängsten leichter zu stellen, ist so ein Hund durchaus okay. Und es ist besser, ihn als Hilfsmittel zu nutzen als beispielsweise ein anderes Familienmitglied.

Wie verhält man sich, wenn man in der Öffentlichkeit eine Panikattacke bekommt?

Wenn man in der Therapie wäre, würde man versuchen, dem Patienten, der Patientin zu vermitteln, so zu tun, als hätte man die Panik nicht. Man macht dann die Dinge, die man auch getan hätte, wenn man keine Angst bekommen hätte, um damit die Erfahrung zu machen: Ich bin stärker als die Angst! Auf diese Weise werden die panischen Situationen weniger und verschwinden irgendwann sogar ganz.