Kindergrundsicherung: Vertrauliches Papier nennt riesige Zahl neuer Stellen
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Gesetzentwurf

Kindergrundsicherung: Vertrauliches Papier nennt riesige Zahl neuer Stellen

Berlin / Lesedauer: 3 min

Offenbar sind für die Einführung der Kindergrundsicherung 5000 oder gar 9000 neue Stellen erforderlich. Dies führt zu Zoff innerhalb der Ampel-Koalition.
Veröffentlicht:23.04.2024, 18:01

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Die Kindergrundsicherung ist in der Ampelregierung mittlerweile eine heiße Kartoffel – egal, wer sie gerade in der Hand hält, es besteht die Gefahr, sich gewaltig die Finger zu verbrennen. Die Konsequenz: Die heiße Kartoffel wird möglichst schnell von einem zum anderen Ministerium weiter gereicht.

Und das geht so: Fragt man im Bundesfamilienministerium von Lisa Paus (Grüne) nach, verweist man auf das Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD), das wiederum blickt verlegen in Richtung Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) – und am Ende zeigen alle auf die Bundesagentur für Arbeit. Schließlich kommt aus dem Haus von Agenturchefin Andrea Nahles jene mittlerweile vermaledeite Prognose, dass zur Einführung der Kindergrundsicherung eine neue Behörde mit 5000 Stellen geschaffen werden müsste.

Finanzministerium nennt gar 9000 Stellen

Eine Prognose, die in der Zwischenzeit mächtig politischen Sprengstoff entwickelt hat und die eigentlich fast jeder der Protagonisten lieber heute als morgen wieder von der Agenda streichen möchte - schließlich ist es vor dem Hintergrund des in politischen Sonntagsreden immer geforderten Bürokratieabbaus und des anhaltenden Fachkräftemangels nur schwer vermittelbar, eine zusätzliche Behörde mit tausenden von Stellen zu schaffen. Das FDP-geführte Finanzministerium hat an das Thema jetzt aber offenbar eine zusätzliche Lunte gelegt – laut Medienberichten soll es im Lindner-Haus interne Berechnungen geben, die davon ausgehen, dass sogar 9.000 Verwaltungskräfte eingestellt werden müssten. Die Kosten würden sich entsprechend auf 800 Millionen Euro erhöhen.

Mit den Berechnungen aus dem Bundesfinanzministerium konfrontiert, reagierte das Bundesfamilienministerium im bewährten „Heiße-Kartoffel-Modus“: Die Berechnungen seien nicht bekannt, so der Tenor aus dem Haus von Lisa Paus. Im Übrigen sei eine Diskussion über die durch das Regierungsviertel wabernden Stellenzahlen „aktuell nicht sinnvoll“. In dem Zusammenhang verwies eine Sprecherin darauf, dass die Kindergrundsicherung Gegenstand der laufenden parlamentarischen Beratungen im Deutschen Bundestag sei – auch mit dem Ziel, weitere Synergiepotenziale zu heben.

Vielleicht klappt es noch in dieser Wahlperiode

Die Ampel selbst hatte die Einführung einer Kindergrundsicherung ursprünglich als größte Sozialreform der Ampel-Koalition bezeichnet – mittlerweile aber hat die FDP ihre Skepsis hinsichtlich dieser Vereinbarung mehrfach betont. Bereits im Sommer 2023 hatte es zwischen Lindner und Paus eine wochenlange Auseinandersetzung um die finanzielle Ausstattung der Kindergrundsicherung gegeben. Die Grüne wollte zwölf Milliarden Euro für ihr Projekt haben, der Liberale nur zwei Milliarden zur Verfügung stellen. Am Ende einigten sich die beiden Minister auf 2,4 Milliarden Euro. 

Das Kindergeld, der Kinderzuschlag für einkommensarme Familien sowie die Sozialleistungen für Kinder sollen in der Kindergrundsicherung gebündelt werden. Zur Verwaltung sollen die Familienkassen bei der Bundesagentur für Arbeit zum Familienservice ausgebaut werden.

Das Kabinett hatte im September vergangenen Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung beschlossen. Von der ursprünglich geplanten Einführung der Kindergrundsicherung zum 1. Januar 2025 sind mittlerweile alle Beteiligten mehr oder weniger abgerückt. Wann der Bundestag abschließend über das Vorhaben beraten wird, ist noch nicht klar.

Aus Regierungskreisen mehren sich derweil die Stimmen, dass man am Ende froh sei, wenn Familien überhaupt noch in dieser Legislaturperiode in den Genuss der Kindergrundsicherung kommen würden.