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Einer der bösen Geister Deutschlands?

Alfred Hugenberg

Einer der bösen Geister Deutschlands?
Obwohl er allgemein als Steigbügelhalter Adolf Hitlers gilt, gibt es bis heute keine gültige Biographie Alfred Hugenbergs. Der Medientycoon kämpfte gegen die Republik und wollte Hitler „einrahmen“. Zu spät bemerkte der deutschnationale Politiker, daß er damit „die größte Dummheit“ seines Lebens begangen hatte.

Es ist der 30. Januar 1933: Fototermin nach dem verhängnisvollsten Fehler der deutschen Geschichte. Kurz zuvor hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Staatsfeind Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und ihn seinen Meineid auf die Weimarer Verfassung schwören lassen. Nun stellte sich das neue Kabinett aus Nationalsozialisten und Konservativen der Presse vor. Auf den Fotos und Filmaufnahmen dieser Präsentation fällt ein älterer Herr mit den äußeren Charakteristika Rundbrille, Schnauzbart, Bürstenhaar und abstehende Ohren auf, dem der Mißmut förmlich aus dem Gesicht zu springen scheint: Alfred Hugenberg, Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und frischernannter „Superminister“ für Wirtschaft und Ernährung, von seinen Anhängern „der alte Silberfuchs“, seinen Gegnern „der Hamster“ genannt. Was war der Grund seiner offensichtlich schlechten Laune? Hatte dieser nationalkonservative Politiker und mutmaßliche Wirtschaftsdiktator nicht gerade in diesem Moment den Gipfel seiner politischen Laufbahn erklommen?

Der Berufung der neuen Regierung durch den greisen Feldmarschall-Präsidenten war ein mehrtägiges Schmierenstück mit den üblichen Zutaten Intrige, Täuschung und Verrat vorausgegangen. Im Zentrum des Komplotts stand Exkanzler Franz von Papen, Günstling Hindenburgs und rachsüchtiger Feind des Reichskanzlers Kurt von Schleicher. Persönliche Beziehungen und Ränke spielten in diesen Tagen eine ungebührlich große Rolle, ermöglicht durch die Verlagerung der Macht vom Parlament auf den Reichspräsidenten in den Jahren zuvor. Papen wollte den Sturz Schleichers um jeden Preis, selbst um jenen der Kanzlerschaft Adolf Hitlers, den er maßlos unterschätzte: „In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, daß er quietscht.“

„Wir“, das war nach Papens Wunsch auch Alfred Hugenberg, der sich lange sträubte, da er einen Machtgewinn Hitlers befürchtete und jeden neuen Wahlkampf strikt ablehnte. Papen verschwieg ihm daher bewußt die Forderung Hitlers nach Neuwahlen und lockte ihn mit der Kontrolle der gesamten Wirtschaftspolitik. Hugenberg gab nach und wischte nun die Bedenken seiner Parteifreunde mit der Bemerkung vom Tisch: „Wir rahmen Hitler ein.“ Als der NSDAP-Führer unmittelbar vor der Vereidigung die Zustimmung zu Neuwahlen verlangte, kam es zum hitzigen Streit mit Hugenberg, der sich überrumpelt fühlte. Die Intrige drohte im letzten Moment zu scheitern, falls der sonst so kompromiß-lose Hugenberg auch jetzt hart blieb. Doch ausgerechnet in diesem welt-historischen Moment hielt er dem Druck nicht stand. Entsprechend verbittert blickte Hugenberg anschließend in die Kameras. Einen Tag später vertraute er einem Freund an: „Ich habe gestern die größte Dummheit meines Lebens gemacht: Ich habe mich mit dem größten Demagogen der Weltgeschichte verbündet.“

Alfred Hugenberg gilt allgemein als einer der maßgeblichen Wegbereiter und Steigbügelhalter Hitlers. Schon zahlreiche Zeitgenossen fällten ein einhellig negatives Urteil, etwa der französische Botschafter François-Poncet: „Wohlbeleibt, mit Goldbrille und einem struppigen weißen Schnurrbart, sieht er bieder aus wie ein Landarzt. In Wirklichkeit ist er ein engstirniger und beschränkter Geist, eigensinnig bis zum Äußersten, ein heftiger Sektierer, wilder Parteimann, einer der bösen Geister Deutschlands.“ Das Odium des „bösen Geistes“ ist so sehr haftengeblieben, daß eine nähere Auseinandersetzung mit Hugenberg überflüssig scheint. Bis heute fehlt eine umfassende Biographie. Dabei war Hugenberg nicht nur eine der interessantesten Figuren der Weimarer Republik, sondern stand wie jeder einflußreiche Politiker stellvertretend für bestimmte politische und gesellschaftliche Gruppen und Entwicklungen. In seiner Biographie spiegelt sich vor allem das Scheitern der bürgerlichen Rechten, sich nach 1918 als konstruktive Kraft in das System der parlamentarischen Demokratie zu integrieren.

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PD Dr. Johannes Hürter

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