Manutius, Aldus

20. Februar 2024

Italienischer Humanist, Verleger und Typograf. Geboren um 1449 in Bassiano, einem Dorf in der Provinz Latina in der italienischen Region Latium, etwa 60 Kilometer südöstlich von Rom. Aldus Manutius (der Ältere) war der bedeutendste Vertreter und Gründer der venezianischen Typografenfamilie Manuzzi (Mannucci), dessen knapp 900 Werke mit dem Gattungsbegriff »Aldinen« charakterisiert werden. Alternative Schreibweisen seines Namens: Teobaldo Manucci, Teobaldo Mannucci, Aldo Pio Manuzio, Amius Manutius und Aldus Pius Manutius Romanus.

Aldus Manutius gilt als wichtiger Wegbereiter für die Wiederbelebung (Renaissance) antiker Literatur, die mit dem Fall des Byzantinischen Reiches (Oströmisches Reich) durch emigrierte byzantinische Gelehrte nach Europa gelangte und die den kulturellen Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit einleitete. »Die seltene Vereinigung von Gelehrsamkeit, Schönheitssinn und verlegerischer Initiative macht Manutius zum größten Drucker seiner Zeit.« 1)

Aldus Manutius studierte antike Philologie und Latein in Rom bei Gasparino da Verona (Caspar von Verona, o.A.) 2) und Griechisch in Ferrara bei Guarino da Verona (Baptista Guarinus aus Verona, 1374–1460). Danach lebte er rund zwei Jahre mit seinem Kommilitonen und Freund Giovanni Pico (Giovanni Pico Conte della Mirandola, 1463–1494) 3)  in Mirandola, um seine Studien in altgriechischer Literatur zu vertiefen. In seiner Mirandolaner Zeit wohnte er mit dem Griechen Emanuel Adramyttenus zusammen, der aus Kreta flüchtete und der ihm dabei half, seine Sprachgewandtheit in Griechisch zu vertiefen. 4)

Über Giovanni Pico lernte Aldus Manutius auch dessen Neffen Alberto (Pio di Savoia, 1475–1531) und Lionello (o.A.–1535) Pio, die Fürsten von Carpi kennen. Auf Picos Initiative hin wurde Manutius ihr Tutor und Lehrer. 1485/86 siedelte Manutius nach Carpi (Emilia-Romagna, heute Provinz Modena) in das Haus der verwitweten Fürstin Catharina von Carpi (Caterina Pico della Mirandola, 1454–1501) über, wo er auch ihre Söhne – Alberto und Lionello – unterrichtete, die ihm zeitlebens eng verbunden blieben.

Um 1490, vielleicht auch schon 1488 oder 1489, zog Manutius von Carpi nach Venedig, wo er Vorlesungen über alte Autoren hielt und hauptsächlich die »Deutsche Kunst«, also das Drucken lernte. 5)  6)  Manutius lebte zunächst im Bezirk San Polo in der Pfarrgemeinde der »Chiesa di Sant’Agostin«, später im Bezirk San Marco in der Pfarrei der »Chiesa di San Paternian«, wo auch der wohlhabende Typografen Andrea Torresani di Asolo (1451–1528/1529) als Mitinhaber und Leiter der Offizin »Johannes de Colonia, Nicolaus Jenson et socii« arbeitete, mit dem er zusammen vermutlich ab 1495 Bücher druckte und dessen Tochter er 1503 heiratete.

In Torresanis Besitz befanden sich möglicherweise seit 1475 auch die griechischen Drucktypen des französischen Kupferstechers und Typografen Nicolas Jenson (um 1420–1480), der im Gefolge der deutschen Prototypografen Arnold Pannartz (o.A.–um 1476), Conrad Sweynheym (o.A.–um 1474/1477) 1468 nach Venedig kam, um dort ab 1468/1469 bei den Gebrüdern Johannes (o.A.–1469/1470) und Wendelin (o.A.–1477) von Speyer (Giovanni and Vendelino da Spira) zu arbeiten. 7) Es ist anzunehmen, dass diese griechische Drucktypen aus dem Besitz von Jenson – die vermutlich um 1476 von dem Typografen Dionysius Paravisinus (o.A.) in Mailand geschnitten wurden – 8)  wesentlich die Letternarchitektur (Typometrie) der aldinischen kursiven Drucktypen beeinflusste. 9)

Das Druckerzeichen (Signet) der Offizin »Aldina« in Venedig zeigt einen Delphin, der sich um einen Anker windet. Zusätzlich war noch der Vorname Aldus in Majuskeln eingedruckt. Die Buchstaben AL links und DVS rechts neben dem Anker. Das Epigramm Manutius lautete »sudavit et alsit« (aus Horaz: »Multa tulit fecitque puer, sudavit et alsit« ... »Viel hat er als Knabe erlitten und getan, hat geschwitzt und gefroren). Das Signet wurde im Laufe der Jahre immer wieder leicht modifiziert.
Das Druckerzeichen (Signet) der Offizin »Aldina« in Venedig zeigt einen Delphin, der sich um einen Anker windet. Zusätzlich war noch der Vorname Aldus in Majuskeln eingedruckt. Die Buchstaben AL links und DVS rechts neben dem Anker. Das Epigramm Manutius lautete »sudavit et alsit« (aus Horaz: »Multa tulit fecitque puer, sudavit et alsit« … »Viel hat er als Knabe erlitten und getan, hat geschwitzt und gefroren). Das Signet wurde im Laufe der Jahre immer wieder leicht modifiziert.

Mit der finanzieller Unterstützung der Fürsten von Carpi 10)  gründete Aldus Manutius 1494 die Officina »Aldina« in Venedig (mögliche Adresse: Casa di M. Aldo apresso Sancto Augustino doue se stampe), die sich neben Prachtdrucken auf Pergament besonders der textkritischen Edition von Klassikern der griechischen und römischen Literatur widmete, die überwiegend aus Schenkungen des Dichters und Geschichtsschreiber Francesco Petrarca (1304 –1374) sowie dem byzantinischen Theologen, Humanist und Kardinal Johannes Bessarion (um 1399/1408–1472) an die Biblioteca Marciana (heute Biblioteca Nazionale Marciana). 11)

Ab 1495 veröffentlichte Aldus Manutius die ersten Drucke in griechischen Lettern (Drucktypen). Sein erstes Werk war ein Nachdruck der griechischen Grammatik »Erotemata« des Byzantiners Konstantinos Laskaris aus Konstantinopel (um 1433/1434–1501), die 1476 erstmals von Dionysius Paravisinus in Mailand gedruckt wurde.

Diese höchst erfolgreichen Ausgaben erschienen auch in Form des preiswerten und handlichen Oktavformats (8°), 12)  welches man als Prototyp unseres heutigen klassischen Taschenbuchformats bezeichnen kann. Darunter Schriften von Aristoteles (384 v.Chr.–322 v.Chr.) Thukydides (vor 454 v.Chr.–399/396 v.Chr.), Sophokles (497/496 v.Chr.–406/405 v.Chr.), Herodot (um 490/480 v.Chr.–um 424 v.Chr.) und Xenophon (430/425 v.Chr.–nach 355 v.Chr.).

Manutius war der erste Typograf, der konsequent dem philologischen Regelkanon von Grammatik, Orthographie und systematischer Groß- und Kleinschreibung folgte.

1495 wurde der erste kursive Schriftschnitt einer griechischen Drucktype in der Officina »Aldina« für die Druckschrift »Aristotelis Opera« gedruckt, die von Francesco Griffo (1450–1518) geschnitten wurde. Abbildung: Privatbesitz, Aristotelis Opera graece. 5 Voll. fol. 11 Duc.
1495 wurde der erste kursive Schriftschnitt einer griechischen Drucktype in der Officina »Aldina« für die Druckschrift »Aristotelis Opera« gedruckt, die von Francesco Griffo (1450–1518) geschnitten wurde. Abbildung: Privatbesitz, Aristotelis Opera graece. 5 Voll. fol. 11 Duc.

Gemeinsam mit anderen Humanisten, unter ihnen (der spätere Kardinal) Pietro Bembo (1470–1547), der auch die Klassikereditionen der Offizin Manutius textkritisch redigiert hatte, bildete Aldus Manutius die sogenannte »Neacademia«, eine wissenschaftliche Gesellschaft, aus der später die »Accademia della Fama« hervorging, einer der Keimzellen des Humanismus und der Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance.

Als Typograf entwickelte Aldus Manutius zwischen 1495 und 1502 mit seinem talentierten bologneser Schriftgießer und Stempelschneide Francesco Griffo (Francesco da Bologna, 1450–1518) 1495 die ersten kursiven griechischen Drucktypen.

Die »Bembo-Type« wurden von Francesco Griffo (1450–1518) im Auftrag von Aldus Manutius geschnitten und erstmals 1496 in der Officina »Aldina« gedruckt. Die Prototype gilt als typometrische Grundlage für die nachfolgende Garamondschrift. Sie wird deshalb heute als Französische Renaissance-Antiqua klassifiziert, nicht – was Nahe läge – als Venezianische Renaissance-Antiqua. 1929 wurde ein Remake – die Bembo – unter der künstlerischen Leitung von Stanley Morison (1889–1967) nach Pietro Bembo (1470–1547) benannt. Sie gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa zu den erfolgreichsten Werksatzschriften. Beispiel gesetzt in einer Bembo der Monotype Corporation London aus dem Jahre 1990.
Die »Bembo-Type« wurden von Francesco Griffo (1450–1518) im Auftrag von Aldus Manutius geschnitten und erstmals 1496 in der Officina »Aldina« gedruckt. Die Prototype gilt als typometrische Grundlage für die nachfolgende Garamondschrift. Sie wird deshalb heute als Französische Renaissance-Antiqua klassifiziert, nicht – was Nahe läge – als Venezianische Renaissance-Antiqua. 1929 wurde ein Remake – die Bembo – unter der künstlerischen Leitung von Stanley Morison (1889–1967) nach Pietro Bembo (1470–1547) benannt. Sie gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa zu den erfolgreichsten Werksatzschriften. Beispiel gesetzt in einer Bembo der Monotype Corporation London aus dem Jahre 1990.

Ein Jahr darauf, 1496, druckte er erstmalig mit seiner neuen »Bembo-Type« – einer Antiqua mit Serifen, die sich weitweitgehend von den typografischen Protoformen der »Sublacensischen Antiqua-Type« und der »Litterae Venetae« distanzierte. 13)  Diese von seinem Schriftgießer und Stempelschneider Francesco da Bologna geschnittene »Bembo-Type« (Griffo-Lettern), leitete die neue Ära der sogenannten »Antiqua des Aldinischen Typs« ein, welche später auch als »Garamondschriften« bzw. Französische Renaissance-Antiquas bezeichnet werden.

1499 erschien der in der Renaissance vielgelesene  und geheimnisumwitterte Roman »Hypnerotomachia Poliphili«, dessen Autorschaft bis heute umstritten ist. 14)

1501 verwendete er für eine lateinische Vergil-Ausgabe im Oktavformat erstmals einen eigenständigen lateinischen kursiven Schriftschnitt.

Manutius und Griffo trennten sich 1502 im Streit, wonach Griffo zu der deutsch-jüdischen Druckerfamilie Soncino wechselte, die sich insbesondere auf Bücher in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache spezialisiert hatte.

Nach Aldus Manutius Tod am 8. Februar 1515 in Venedig, wurde die Offizin von seinem Schwiegersohn Andrea Torresani di Asolo und nach dessen Tod von seinem Sohn Paolo Manutius (1512–1574) weitergeführt. Als Paulus Manutius 1561 zum Leiter der Päpstlichen Buchdruckerei im Vatikan ernannt wurde, übernahm sein Sohn Aldus Manutius (der Jüngere, 1547–1597) das Verlagshaus in Venedig, bis auch er 1590 nach Rom berufen wurde, wo er 1597 erbenlos starb.

Das »Aldusblatt«, ein Alinea in Ornamentform eines herzförmigen Blattes, welches häufig in den Aldinen Verwendung fand, ist bis heute noch ein populäres Schlussstück in der Buchtypografie. 15)

Das Aldusblatt (Hedera-Zeichen) ist ein blumenartiges Alinea (Zierornament), das im deutschsprachigen Raum nach dem venezianischen Typografen Aldus Manutius (1449–1515) benannt wurde, der es gerne in seinen Aldinen verwendete. Vom Aldusblatt gibt es heute unzählige Varianten. Beispiel: Drei Aldusblätter aus der Schrift »Minion Pro« (Display) von Robert Slimbach.
Das Aldusblatt (Hedera-Zeichen) ist ein blumenartiges Alinea (Zierornament), das im deutschsprachigen Raum nach dem venezianischen Typografen Aldus Manutius (1449–1515) benannt wurde, der es gerne in seinen Aldinen verwendete. Vom Aldusblatt gibt es heute unzählige Varianten. Beispiel: Drei Aldusblätter aus der Schrift »Minion Pro« (Display) von Robert Slimbach.

Die erste Biografie über Aldus Manutius verfasste der deutsche Prediger Christian Theophil Unger (1671–1719), der zuletzt in Herrunlauerschütz bei Glogau als evangelischer Pfarrer (Pastor) lebte. 16)

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de

Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
1 Quelle des Zitats: Wolf, Hans-Jürgen: Geschichte der graphischen Verfahren, Historia Verlag, Dornstadt, Seite 958, ISBN 3-980-0257-4-8. 
2 Quelle: The Cambridge Modern History, Volume 1, Band 5, The Renaissance, Cambridge University Press, 1902, Seite 562.
3 Anmerkung: Giovanni Pico gilt heute als einer der bedeutendsten Humanisten und Philosophen der Renaissance. Bekannt wurde er insbesondere durch seine Abhandlung »Über die Würde des Menschen«. 
4 Anmerkung: Durch den Fall des Byzantinischen Reiches … »gab es damals hunderte von Griechen, die in Italien in ihrer Muttersprache herum irrten, zumal wenn sie noch gelehrte Bildung hatten, einen Schatz mit sich führten, der ihnen von Sicilien bis zu den Alpen, und Einigen noch darüber hinaus, ein Unterkommen sicherte als Lehrer, oder Correctoren, oder Abschreiber von Handschriften. Vielen von ihnen ging es freilich bei alledem ziemlich schlecht«. Zitat aus: Schück, Julius, Dr.: Aldus Manutius und seine Zeitgenossen in Italien und Deutschland, Ferd. Dümmler´s Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1862, Seite 4.
5 Anmerkung: In Venedig gab es um das Jahr 1500 bereits rund 200 Offizinen.
6 Quelle und Literaturempfehlung: Schück, Julius, Dr.: Aldus Manutius und seine Zeitgenossen in Italien und Deutschland, Ferd. Dümmler´s Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1862, VI.
7 Anmerkung: Sweynheym, Pannartz und Jenson kannten sich aus der Fust-Schöffer´sche Offizin in Mainz (siehe auch Johann Fust).
8 Quelle: Preussische Provinzial-Blätter, Gedruckt in Hartung´s Hofbuchdruckerei. Kommission bei der Buchhandlung der Gebrüder Bornträger, Königsberg, 1840, Band 24, Seite 508.
9 Quelle und Literaturempfehlung: Faulmann, Karl: llustrierte Geschichte der Buchdruckerkunst, A. Hartlebens Verlag, Wien, Pest, Leipzig, 1882, ab Seite 214.
10 Quelle: Hasse, Friedrich und Christian August: Die Geschichte der Lombardei, Verlag Hilscher, 1827, Seite 204.
11 Anmerkung: Die Biblioteca Nazionale Marciana ist eine der größten Nationalbibliotheken Italiens und eine der wichtigsten Sammlungen für griechische, lateinische und orientalische Handschriften. Piazzetta San Marco n.77, 30.124 Venezia, online verfügbar unter https://bibliotecanazionalemarciana.cultura.gov.it/ (20.4.2023).
12 Anmerkung: Das Oktavformat (lat. »octo« für »acht«) ist ein altes Buchformat, bei welchem ein Papierbogen dreimal gefaltet und somit in acht Blätter gebrochen wurde, was wiederum 16 Seiten ergab. Das Oktavformat (8°) für Romane gilt als »Vorläufer« des heutigen Taschenbuchs. Daneben gab es das Lexikon-, Groß- und Kleinoktav.
13 Anmerkung: Die Bembo-Type gilt als typometrische Vorlage für die nachfolgenden Garamondschriften.
14 Literaturempfehlung: Colonna, Francesco: Hypnerotomachia Poliphili. A cura di Marco Ariani e Mino Gabriele, Adelphi, Milano 1998 (repr. 2004, 2010). Faksimile der Edition 1499 mit italienischer Übersetzung und ausführlichem Kommentar. ISBN 88-459-1941-2.
15 Tipp: Das Aldusblatt in unterschiedlichen Varianten ist in zahlreichen Fonts als Sonderzeichen enthalten, beispielsweise bei der »ITC Zapf Dingbats« von Hermann Zapf (1918—2015) oder der »Minion Pro« von Robert Slimbach (*1992).
16 Quelle: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, Druck(s) Johann Friedrich Hager, Göttingen, 1753, Band 2, Seite 1078.
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